Tiertransport in die Türkei - 69 Rinder gestorben: Landrat weist Vorwürfe von Özdemir zurück

Fr 18.10.24 | 16:32 Uhr
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Eine Kuh in einem Tiertransporter (Bild: Imago)
Audio: rbb24 Brandenburg Aktuell | 18.10.2024 | Theresa Majerowitsch | Bild: Imago

Nach dem Tiertransport aus Brandenburg in die Türkei, in dessen Folge fast 70 Rinder starben, wehrt sich Landrat Jaschinski gegen Vorwürfe aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Eine Tierschutzorganisation hat Anzeige erstattet.

Nachdem fast 70 Rinder an den Folgen eines Tiertransportes von Brandenburg in die Türkei verstorben sind, hat der Landrat von Elbe-Elster, Christian Jaschinski (CDU), die Vorwürfe von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özedemir (Bündnis90/Grüne) zurückgewiesen.

"Wenn Minister Özdemir meint, die Schuld an dem qualvollen Ende eines Transportes mit 69 Rindern in die Türkei allein dem Veterinäramt des Landkreises zuschieben zu können, übersieht er geflissentlich, dass das Veterinäramt an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden ist. Auf Grundlage der vom Veterinäramt sorgfältig geprüften Unterlagen, konnte dieses die Transportabfertigung aufgrund der Rechtslage überhaupt nicht ablehnen. Zum Zeitpunkt der Abfertigung musste das Veterinäramt davon ausgehen, dass die Türkei die Rinder trotz der auch in Brandenburg vorhandenen Blauzungenkrankheit übernehmen würde", lässt sich Jaschinski in einer Mitteilung am Freitag zitieren.

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass ein zwei Lkw mit trächtigen Rindern aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wochenlang an der bulgarisch-türkischen Grenze festgehalten wurden. Weil in Brandenburg Fälle der Blauzungenkrankheit aufgetreten waren, war die Einreise verweigert worden. Die Tiere verendeten zum Teil in den Lkw, die überlebenden mussten wegen ihres desolaten Zustandes notgeschlachtet werden. Aufgedeckt wurde der Vorfall offenbar von der Tierschutzorganisation "Animals' Angels".

Am Freitag hatte zudem die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" Anzeige gegen das Veterinäramt erstattet, wie die Organisation auf ihrer Internetseite [www.vier-pfoten.de] mitteilte. Aus Sicht von vier Pfoten war der Transport rechtswidrig genehmigt worden.

Zwei Lkw durften einreisen, zwei wurden aufgehalten

Das Bundeslandwirtschaftsministerium und Landwirtschaftsminister Özdemir selbst hatten dem Veterinäramt daraufhin schwere Vorwürfe gemacht und erklärt, dass sich das Amt lediglich auf Zusicherungen des Importeurs verlassen hatte. "Die nicht durch das Veterinäramt überprüfte Aussage hat in diesem Fall zu einer Entscheidung mit enormen Tierleid geführt", heißt es in einer Stellungnahme des Bundesministeriums.

Landrat Jaschinski widersprach am Freitag und erklärte, dass der Landkreis davon ausgehen musste, dass die Transporte einreisen dürfen. "Dass diese Annahme durchaus berechtigt war, zeigt sich auch daran, dass von insgesamt vier abgefertigten LKW-Transporten nur zwei an der türkischen Grenze abgewiesen wurden und die anderen zwei zu ihrem Bestimmungsort in der Türkei gelangt sind", heißt es in der Mitteilung des Landrates.

Das Geschehen müsse nun "selbstverständlich" aufgearbeitet werden. Am Donnerstag seien alle beteiligten Behörden "angefangen vom Bundesministerium über Landesbehörden mehrerer Bundesländer und auch anderer involvierter Veterinärämter" zu einer Videokonferenz zusammengekommen. Die einhellige Meinung sei hier gewesen, dass das Veterinäramt Elbe-Elster nicht anders habe reagieren können.

Mit Exkrementen beschmutzte Kuh im Tiertransport an der türkischen Grenze (Bild: Animals' Angels)Mit Exkrementen beschmutzte Kuh im Tiertransport an der türkischen Grenze

Landrat macht wiederum Bundesministerium Vorwürfe

In der Mitteilung werden zudem auch internationale Schwierigkeiten bei der Lösung des Problems genannt. "So sind alle Bemühungen gescheitert, mit den verantwortlichen Stellen in der Türkei zu einem Übereinkommen für eine tierschutzgerechte Behandlung der Tiere, zur Not auch einer schmerzfreien Einschläferung, zu gelangen", heißt es darin.

"Genauso unverständlich ist es aber auch, dass es von Bulgarien mit Zustimmung der EU nicht zugelassen wurde, dass die Tiere, nachdem die Einfuhr in die Türkei abgelehnt worden war, wieder zurück nach Deutschland gebracht werden durften", heißt es vom Landkreis weiter.

Die "diplomatischen Hebel der Bundesebene" seien nicht ausreichend gewesen, um eine Lösung herbeizuführen. Das Bundesministerium sei nicht auf eine zwischenstaatliche Kommunikation und Zusammenarbeit vorbereitet gewesen. "Ebendiese Erkenntnis halte ich für besorgniserregend, besonders unter der Prämisse, dass die enorme Verantwortung hier an den kreislichen Veterinärämtern abgestreift wird", so Jaschinski weiter.

Der Landrat erneuerte am Freitag eine Forderung, die bereits am Tag zuvor vom Veterinäramt gestellt worden war: Solche Tiertransporte in Länder außerhalb der EU sollten nicht mehr genehmigt werden.

"Es kann nicht sein, dass die Tierärztinnen und Tierärzte der kreislichen Veterinärämter gezwungen sind, gegen ihre eigenen ethischen Werte Tierexporte in Länder, in denen davon ausgegangen werden muss, dass die Haltungs- und Schlachtbedingungen nicht unseren Tierschutzstandards entsprechen, abzufertigen. Tierexporte in Drittstaaten außerhalb der EU sollten umgehend untersagt werden", so Jaschinski.

Animals' Angels: 13 Kälber in den Lkw geboren

Auch Dirk Gebhard, Dezernent für Ordnung und Landwirtschaft im Elbe-Elster-Kreis bestärkte gegenüber dem rbb am Freitag die Ansicht der Kreisverwaltung, richtig gehandelt zu haben. Der Transport sei guten Gewissens abgefertigt worden. Dem Landkreis sei eine Versicherung zugeleitet worden, dass die Türkei dem Export zustimme. Die Verwaltung sei sehr erschrocken gewesen, als nur zwei der vier Lkw in die Türkei einreisen durften. Das sei nicht nachvollziehbar, so Gebhard.

Ebenso unverständlich sei es, dass Bulgarien mit Zustimmung der EU eine Rückreise der Transporter verhindert habe, so Gebhard. Auch er erklärte, der Landkreis habe nach geltenden Gesetzen gehandelt. Ähnliche Probleme habe es aber auch bereits mit Transporten aus Österreich in die Türkei gegeben - der Landkreis habe davon aber nie erfahren. Gabriel Hesse, Sprecher des Brandenburger Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz erklärte am Freitag, die EU-Kommission habe den Rücktransport nicht genehmigt, weil keine lebenden Tiere aus der Türkei in die EU verbracht werden dürften.

Patrick Meyer-Glitza von Animals' Angels - die Organisation hatte den Fall öffentlich gemacht - sagte dem rbb am Freitag, dass es für die Tierschützer sehr schwierig war, an die Rinder heranzukommen. Die Kühe hätten den Großteil der rund vier Wochen in den Lkw verbracht, hätten bis zu den Knöcheln in Kot gestanden. In dieser Umgebung waren insgesamt 13 Kälber geboren worden, während die ersten Tiere schon verendeten. Die Lkw seien schließlich zu einem Schlachthof gebracht worden. Auch Animals' Angels hat keine Informationen darüber, warum zwei Lkw einreisen durften, die beiden anderen aber nicht.

Sendung: rb24 Brandenburg Aktuell, 18.10.2024, 19:30 Uhr

80 Kommentare

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  1. 80.

    Ohne Worte diese Menschenheit..

  2. 79.

    Für eine angeblich so moderne Gesellschaft eine unverzeihliches Armutszeugnis. Aber diese Qualen passieren jeden Tag. Und keiner will es sehen bzw sein Lebensstil ändern oder aktiv werden. Die richtige Politik ist sehr wichtig aber der Verbraucher selbst muss auch seinen Beitrag leisten. Entweder durch Protest oder Verzicht. Immer nur auf die Aktionen anderer warten reicht eben nicht .

  3. 78.

    Als würde man im Sozialismus mehr auf das Tierwohl achten. Ich erinnere nur mal an die Haltungen der LPGs. Da war das Tier noch mehr "Ding". Heißt aber nicht, dass ich die aktuelle Situation gut heißen will. Der Gesetzgeber ist gefragt um so etwas zu verhindern. Der Verbraucher schafft dieses nicht.

  4. 77.

    Als würde man im Sozialismus mehr auf das Tierwohl achten. Ich erinnere nur mal an die Haltungen der LPGs. Da war das Tier noch mehr "Ding". Heißt aber nicht, dass ich die aktuelle Situation gut heißen will. Der Gesetzgeber ist gefragt um so etwas zu verhindern. Der Verbraucher schafft dieses nicht.

  5. 76.

    Und warum muss man dagegen sein? Moral, Ethik, Gewissen, haben wir ja angeblich alle. Und nicht alles, was erlaubt ist, ist kein Fehler. Das ist doch eigentlich klar, oder?

  6. 75.

    Das ist grausam! Welch unermessliches Leid die Tiere durchmachen müssen. Ich kann nicht mehr aufhören zu weinen. Es ist ein krankes und brutales System, das offenbart, wozu die Menschen fähig sind, sobald sie Macht über Schwächere bekommen. Es ist beschämend. Leid kehrt immer auf den Menschen zurück. Selbst als Vegetarierin habe ich Tierleid unterstützt ohne es zu ahnen. Jetzt lebe ich vegan, um auch die Milchkühe, die alle schmerzhafte Mastitis haben und die Hybridhennen, mit ihren inneren Entzündungen und Brüchen, nicht zu vergessen. Mir ist der Appetit schon lange vergangen und vetrauen kann man scheinbar niemanden mehr. Selbst auf Biohöfen werden Milchkühe angebunden, dabei laufen sie so gerne mehrere Km am Tag. Immer und immer wieder werden Ihnen Ihre Kälbchen entrissen und dann weinen sie tagelang. Es tut einfach gut tierleidfrei zu leben. Kein Mensch kann ein glückliches und gesundes Leben erwarten, wenn er Leid, Stresshormone, Qualen isst und somit verinnerlicht.

  7. 74.

    "Warum werden Lebendtransporte in dem Ausmass nicht endlich verboten. "

    Willkommen im Kapitalismus, der weder auf Mensch, noch auf Tier Rücksicht nimmt.

  8. 73.

    Ich finde es unfassbar wie respektlos die Menschen mit der Natur/Lebewesen umgehen. Bis zum Mond fliegen aber hier auf Erden solche Taten vollbringen. Wie kann man trächtige Tiere auf Reisen schicken? Welchen Stress, Not, Schmerzen, Angst hatte die Mutterkühe. Sie schenken Leben und es fällt in Scheiße, zwischen toten Artgenossen um neben diesen ebenfalls zu sterben. Ich bin so wütend!!!!!!

  9. 72.

    Warum werden diese unsäglich grausamen Tiertransporte nicht endlich ganz verboten.

  10. 71.

    Es sind schlimme Bilder, die zu sehen sind. Und morgen schaut keiner mehr hin, bis die nächste Schlagzeilen, der nächste Aufreger laut Schreiend durch die Republik rollt.
    Es scheint, dass es immer noch lukrativ ist, Tiere zu exportieren. Und Herr Minister, alle Transport über zwei Stunden auf dem LKW, benötigen eine klare Regelung.
    Und es geht nicht um den Landwirt, der seine, seine Tiere vom Stall zur Weide bzw von Weide zu Weide transportiert.
    So wie wir alle paar km einen Rastplatz einen Autohof haben,
    So muss es auch Ställe an den Strecken geben, dass die Tiere nach sechs Stunden Fahrt eine zwölf stündige Pause einlegen. Erst wenn die Transport Kosten zu hoch sind, endet dieses Elend.

  11. 70.

    Man muss sich doch fragen warum lebend Transporte überhaupt durch geführt werden. In Länder die darauf bestehen die Tiere zu Schächten ist meiner Meinung nach verachtenswert. Entweder die die Tiere werden hier getötet und das Fleisch tiefgefroren oder es gibt gar kein Fleisch aus der EU. Ganz einfach.

  12. 69.

    Ich werde auch weiterhin Fleich essen. Aber dennoch, so geht man mit Tieren nicht um. Wenn wir schon Nutzvieh haben, dann dürfen die Tiere zu keinem Zeitpunkt leiden und egal wofür sie verwendet werden. Wer das so zugelassen hat, dem fehlt jede Empathie und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das rechtskonform sein soll. Beteuerungen hin oder her.

  13. 68.

    Hallo Rebecca
    Bin ganz bei Ihnen, was Tiertransporte angeht.
    Allerdings glaube ich, dass es ein Land Lybien nicht gibt.
    Dafür aber Libyen.
    Gruß

  14. 67.

    Letztlich ist unser überbordender, tierwohl- und klimaschädliche Billig-Fleisch-Konsum für die Qualen und den Tod, nicht nur dieser Tiere, verantwortlich. Die dummen Kälber sind wir selber.

  15. 66.

    Dieses Gerangel um Schuldzuweisungen, was bringen die jetzt noch? Da sterben trächtige Kühe und im Transporter geborene Kälber qualvoll.......Diese Transporte quer durch Europa müssen endlich aufhören und zwar sofort!!!! Tiertransporte sind für alle Tiere qualvoll.....

  16. 65.

    An der Stelle möchte ich nochmal darauf hinweisen, wie verrückt es ist, an der Grenze abgewiesene Tiere, rechtlich als von jenem Land importierte Tiere anzusehen. Die Tiere haben kein türkisches Futter oder Gras gesehen, keine türkische Kuh. Aber dürfen nicht mehr zurück, weil sie schon ausgereist sind.
    Ohne so eine Regelung wären die Tiere dann wenigstens paar Tage später wieder in gewohnter Umgebung und würden noch leben.

    Dagegen finde ich das Verantwortlichkeitsbillard auch schrecklich. Da gibt es EU- und bundesweite Gesetze, an die sich ein Veterinäramt halten muss (sonst gibt's wie üblich eine Klage und der Steuerzahler darf den entgangenen Gewinn bezahlen), aber verantwortlich sollen dann diese sein? Da muss der Özdemir ja nicht gleich zurücktreten, aber zumindest sollte er einsehen können, dass es in seiner Verantwortung liegt, da etwas anzupassen oder den Ämtern mehr Spielraum zu geben.

  17. 64.

    So ein Quatsch - die Fahrradsättel aus Leder werden dann mit Elefantenhaut bespannt oder was soll der Blödsinn mit der Autoindustrie. Jeder der tierische Lebensmittel verzehrt sollte darüber nachdenken und sich bewusst sein woher dieses stammt. Auch Bio ist nicht immer die wirklich bessere Alternative. Augen auf, informieren und aufklären kann es nur heißen. Der Gesetzgeber ist hier gefragt, der solche Haltung und Transporte zulässt. Das man ein getötetes Tier am Ende vollständig nutzt, also auch für die Lederindustrie, macht ja wohl auch Sinn oder würden Sie dann nur das gefragte Filetstück nutzen und den Rest verwerfen? Und um reell zu bleiben ist auch die Haltung vieler Kleintiere und Exoten sehr fraglich zu sehen. Das ist aber ein anderes Thema und würde hier zu weit führen.

  18. 63.

    Natürlich ist das ein interessanter Punkt. Wenn der Verkäufer oder Käufer den Schaden haben, werden die es sich zumindest wirtschaftlich beim nächsten Mal genau überlegen, ob sie das nochmal versuchen. Hat dagegen der Steuerzahler die Kosten zu tragen, ändert sich in der Hinsicht aber nichts.

  19. 62.

    Falsch! Das hat nichts mit den Grünen zu tun, sondern mit der Wirtschaft/FDP! Es geht um Geld. Die Autoindustrie braucht billiges Leder.

  20. 61.

    Falsch! Das hat nichts mit den Grünen zu tun, sondern mit der Wirtschaft/FDP! Es geht um Geld. Die Sutoindustrie braucht billiges Leder.

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