Interview | Impfzentren-Koordinator Albrecht Broemme - "Überall steht außer Frage: Impfen hat jetzt Vorrang"

Sa 21.11.20 | 10:20 Uhr
Albrecht Broemme (Quelle: dpa/Abdulhamid Hosbas)
Audio: rbb88,8 | 20.11.2020 | Interview mit Albrecht Broemme | Bild: dpa/Abdulhamid Hosbas

Erst hat er die Einrichtung der Corona-Klinik in Rekordzeit koordiniert, jetzt sind die sechs Berliner Impfzentren dran: Albrecht Broemme erzählt im Interview, wie er mit Stress umgeht, welche Herausforderungen anstehen und wie er zu Corona-Gegnern steht.

Hinweis: Am Ende dieses Interviews sagt Herr Broemme, die Rückmeldung von freiwilligen Helfern für die Impfzentren sei erwünscht. Bitte beachten Sie dazu (Stand 08.12.2020): Das Deutsche Rote Kreuz in Berlin hat eine Internetseite [drk-berlin.de] eingerichtet, auf der sich Freiwillige bewerben können. Über die Kassenärztliche Vereinigung können sich Ärztinnen und Ärzte melden, die die Impfungen verabreichen sollen.

rbb: Herr Broemme, wie machen Sie aus einer leeren Messehalle ein Impfzentrum?

Albrecht Broemme: Ich profitiere davon, dass ich mit einem gut eingespielten Team die Planung machen kann. Und wenn wir das mit dem Corona-Behandlungszentrum Jafféstraße geschafft haben, dann bekommen wir das jetzt auch wieder hin. Das ist jedenfalls mein Ansatz. Man muss vorsichtig arbeiten. Meine Aufgabe sind Kommunikation und Entscheidungen treffen. Denn es werden viele Fragen gestellt.

Ist das die größte Herausforderung, also die verschiedenen Dinge zu bündeln? Es muss ja auch zeitlich irgendwie priorisiert werden. Wer bekommt zuerst das, was er braucht?

Es ist eine große Herausforderung. Es hilft, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Und das habe ich eigentlich bisher kaum erlebt, dass ich aus der Ruhe gebracht werde. Auch wenn es manchmal kritisch ist. Und mit den richtigen Leuten reden oder auch manchmal mit den falschen, das weiß man vorher nicht immer. Ich spüre aber, das muss ich ausdrücklich sagen, ein großes Entgegenkommen aller Stellen, die wissen, Impfen soll sein, darf sein, muss sein. Und da will sich auch keiner querlegen.

Sie brauchen viele Leute, aber auch Leute, die spezialisiert sind. Wo bekommen Sie dieses Personal her?

Wir brauchen weit über 1.000 Leute zum Betrieb der sechs Impfzentren. Das sind nicht nur Ärzte, sondern beispielsweise auch Leute aus dem Sanitätswesen. Wir brauchen Betreuerinnen und Betreuer, denn es kommen zunächst vor allem ältere Menschen in die Impfzentren. Es ist ein Bündel von Feuerwehr, Rettungsdienst, Rotes Kreuz, Hilfsorganisationen, DLRG, THW. Alle haben damit zu tun. Und da ist für jeden genug Arbeit, da gibt es keinen Streit. Private Dienste, wie Sicherheit- und Ordnungsdienste, werden auch gefordert sein. Es muss auch Verpflegung organisiert werden für die Leute, die dort arbeiten.

Es ist schon eine große Herausforderung. Das Schlimme ist, etwa in vier Wochen sollen die Bauarbeiten prinzipiell beendet sein. Das ist unterschiedlich viel Aufwand und kostet auch einiges an Geld. Die Planungen laufen aber erst, und wir müssen natürlich auch in Betrieb befindliche Gebäude aus ihrer jetzigen Nutzung rausnehmen, wie zum Beispiel das Eisstadion im Wedding. Und das tut mir auch leid, weil dort Sportler trainieren. Aber es steht überall außer Frage: Impfen hat jetzt Vorrang.

Standorte der Berliner Impfzentren (Quelle: mappa.pro)Standorte der Berliner Impfzentren

Sie waren Landesbranddirektor bei der Feuerwehr, dann beim THW. Ist es ein Vorteil, dass Sie jeder kennt?

Das hilft. Ich bin nicht die typische Schnarchnase. Das sind andere. Ich bin einer, der etwas bewegen will und der sich auch, denke ich, an vielen Stellen zu benehmen weiß. Es ist wichtig, ein klares Ziel zu haben und das haben wir. Berlins Gesundheitssenatorin hat klar gesagt, was wir machen sollen und darauf arbeiten wir hin. Und da gibt es auch keinen Schlingerkurs zwischendurch. Das haben wir bei dem Corona-Behandlungszentrum genauso machen können.

Worauf müssen Sie achten, damit diese Zentren nicht zu Ansteckungszentren werden?

Wir müssen unter Hygienebedingungen bauen, ähnlich wie beim Corona-Behandlungszentrum. Wir müssen auch unter Hygienebedingungen den Betrieb durchführen. Und da ist natürlich eine Frage, immer nur möglichst wenig Leute in das Impfzentrum hineinzulassen. Das bedeutet, dass wir gutes Zeitmanagement und Bestellwesen für die Impf-Materialien brauchen. Und wir müssen natürlich auf Abstand im Gebäude achten. Denn das wäre natürlich der Garaus, dass man sich eine Impfung holt, aber gleichzeitig auch mit Corona infiziert. Das ist nicht das Ziel der Aktion.

Sie wirken sehr strategisch, sehr ruhig, sehr entspannt. Gibt es auch mal einen Stressmoment oder eine schlaflose Nacht? Oder sagen Sie "ein Glück, endlich wieder eine Herausforderung"?

Ich brauche keine Herausforderungen mehr. Ich habe es aber gerne gemacht, weil es etwas ist, was wir jetzt auch alle brauchen. Und wenn ich dazu mein Scherflein beitragen kann, mache ich das gerne. Aber ich habe in der Tat manchmal unruhige Nächte. Und das liegt nicht daran, weil ich süße Träume habe, sondern weil mir einiges durch den Kopf geht, ob alles klappt, was noch passieren könnte und was schiefgehen könnte. Das beschäftigt mich auch im Schlaf.

Es gibt Menschen, die diese Corona-Maßnahmen und die Impfungen nicht in Ordnung finden. Das erleben wir jetzt auch wieder auf Demonstrationen. Brauchen Sie für die Impfzenten auch Security?

Das brauchen wir auch - schon der guten Ordnung halber. Und natürlich auch, um uns vor Eindringlingen zu schützen, die da nicht hingehören. Die Berliner Polizei hat natürlich auch ihre Aufgaben. Aber auch private Security wird diesen inneren Kreis mit absichern. Wir müssen mit allem Möglichen rechnen, auch wenn die Mehrheit dafür ist. Es reicht ja, wenn ein paar Leute am Rad drehen. Diese Corona-Gegner dürfen ja ihre Meinung sagen. Das wird manchmal falsch dargestellt. Aber wenn sie ihre Meinung anderen aufzwingen wollen, dann hört bei mir der Spaß auf.

Sie haben gesagt, dass Sie sehr viele Menschen brauchen. Vermutlich sind die noch gar nicht alle nominiert.

Wir freuen uns, wenn sich Leute melden. Dabei denke ich an ehemalige Krankenschwestern - ähnlich wie schon beim Corona-Behandlungszentrum. Es kommen aber auch ehemalige Stewards oder Stewardessen in Frage. Wir können viele Menschen gebrauchen, die hier in einem wunderbaren Räderwerk gemeinsam arbeiten. Pro Impfzentrum sind es ungefähr 200 Leute, die wir brauchen. Über den Tag verteilt, sind es sogar mehr.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Albrecht Broemme führte Ingo Hoppe für rbb88,8.

Der Text ist eine redaktionell bearbeitete und gekürzte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie sich oben im Audio-Player anhören.

Sendung: rbb88,8, 20.11.2020, 18:10 Uhr

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