Nach Schwerpunktimpfung - Neuköllner Amtsarzt fordert mehr Impfberatung für Migranten

Mo 17.05.21 | 11:27 Uhr
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Nicolai Savaskan, Leiter des Gesundheitsamtes Neukölln (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Audio: Inforadio | 17.05.2021 | Michael Ernst | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Bei einem Pilotversuch in Neukölln sind am vergangenen Wochenende in Kiezen und Quartieren rund 2.200 Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden. Der Neuköllner Amtsarzt fordert nun eine gezielte Impfberatung für Menschen mit Migrationshintergrund.

Der Amtsarzt in Berlin-Neukölln, Nicolai Savaskan, fordert eine gezielte Impfberatung für Menschen mit Migrationshintergrund. Das sagte der Mediziner nach der ersten Berliner Schwerpunktimpfung in Berlin am vergangenen Wochenende.

Die Schwerpunktimpfung in Neukölln sei ein guter Anfang, so Savaskan. Türkisch- oder arabischstämmige Berliner hätten sich damit aber deutlich schwerer erreichen lassen als Menschen mit Englisch oder Spanisch als Muttersprache. Deshalb müsse jetzt eine Feinjustierung in sozialen Brennpunkten folgen. "Flugblätter allein reichen da nicht", betonte der Mediziner. Neuköllns Amtsarzt schlägt deshalb individuellere Beratungen und Impfangebote vor, zum Beispiel über das Quartiersmanagement.

Bei einem Pilotversuch in Neukölln sind am vergangenen Wochenende rund 2.200 Menschen gegen das Coronavirus geimpft worden - rund 1.000 mehr als ursprünglich geplant. Berechtigt waren rund 10.000 Menschen aus Kiezen mit hohen Ansteckungszahlen. "Wir haben vor allem die Menschen erreicht, die schon gut informiert waren", sagte Savaskan. Das sei gut, denn sie seien nun wie Schutzschilde in ihren Wohnquartieren. Doch es sei nur rund ein Fünftel aller Eingeladenen.

Beratung möglichst in der Muttersprache

Um bei solchen Schwerpunktimpfungen künftig mehr Menschen mit türkischen und arabischen Wurzeln zum Impfen zu motivieren, sei mehr Zeit bei der Beratung nötig - möglichst in ihrer Muttersprache, erklärte Savaskan. Diese Bevölkerungsgruppe konsumiere mitunter wenig deutsche Medien. Fünf Minuten vor der Impfung reichten nicht, um Vertrauen zu gewinnen.

So hätten sich zum Beispiel bei einem schnell organisierten Impfangebot in Unterkünften für Geflüchtete in Neukölln am Ende nur rund fünf Prozent der Bewohner impfen lassen. Dort seien unter anderem Impfmythen über Unfruchtbarkeit kursiert. Es habe auch Misstrauen gegenüber den angebotenen Vektor-Impfstoffen gegeben.

Streetworker und Ärzte in den Quartieren unterwegs

Bisher setzen Savaskan und sein Team in der Pandemie in Neukölln ganz bewusst Akzente, die auf Quartiere mit hohem Migrantenanteil zugeschnitten sind. Sie haben "Parkrunden" eingeführt, bei denen ein Arzt vom Gesundheitsamt und ein Streetworker Jugendliche an ihren Treffpunkten besuchen. Sie verteilen FFP2-Masken, beraten über Impfstoffe und sinnvolle Hygiene-Maßnahmen. In Einkaufszentren laufen Filme, in denen Neuköllner Hausärzte übers Impfen sprechen. Dazu gibt es mobile Beratungen auf Neuköllner Wochenmärkten - begleitet von einem interkulturellen Team, das bis zu 13 Fremdsprachen bietet. Auch ein Arzt des Gesundheitsamtes sitzt in einem Anhänger und berät.

Savaskan fände es nur folgerichtig, wenn Ärzte des Gesundheitsamts nach all dieser Vorarbeit auch impfen dürften - zum Beispiel über das Quartiersmanagement. "Aber darauf hat das Land die Hand gelegt", kritisierte der Amtsarzt. "Wir dürfen die schärfste Waffe im Kampf gegen diese Pandemie selbst nicht nutzen." Die Gesundheitsverwaltung lässt diese Kritik bisher nicht gelten. Die Gesundheitsämter hätten mit der Kontaktnachverfolgung schon genug zu tun, heißt es dort.

Um die Pandemie zu beenden, müssen nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts rund 80 Prozent der Bevölkerung geimpft sein oder eine Infektion durchgemacht haben. Für diese Größenordnung müssten auch skeptische oder schlechter informierte Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen erreicht werden, betonte Savaskan.

Sendung: Abendschau, 17.05.2021, 19:30 Uhr

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23 Kommentare

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  1. 22.

    Quatsch. Das eben nicht. Aber eine sachliche Unterhaltung ist wohl schwierig, wenn man nur draufhauen mag. Informationen über die Krankheut sind in allen Sprachen leicht zugänglich vorhanden. eben auch über die persönlichen Netzwerke.

  2. 21.

    Und hier sind die genaueren Informationen die einer solch fachlichen pauschalen Beratung entgegenstehen
    https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/internationale-untersuchung-belegt-hohes-corona-sterberisiko-der-aelteren-16978758.html

  3. 20.

    Meine eigene Erfahrung aus den 70.Jahren ist: In Frankreich muss man die Sprache lernen, dann bekommt man eine Arbeitserlaubnis, aber in Deutschland bekam man diese auch ohne Sprachkenntnise.
    Viel geändert hat sich in Deutschland bis heute nicht, kein Wunder dass es dann mit der Intergration happert.

  4. 18.

    Das liegt an Ihrer persönlichen Einstellung, Sie verurteilen lieber, als die Situation zu verstehen.

  5. 17.

    Das ist nämlich der Fehler der hier in Deutschland immer gemacht wird, bloß nicht die Sprache lernen. Wer sich integrieren möchte, der lernt auch die Sprache, ansonsten will man sich auch nicht integrieren.

  6. 16.

    Was soll das Gemecker hier immerzu? Jede/r Geimpfte/r ist ein/e Geimpfte/r mehr. DAS zählt (auch wenn man selbst noch warten muss)

  7. 15.

    Super überlegt - leider werden hierzulande wenige Probleme gelöst, sondern Probleme gegen Lösungen an den Haaren herbeigezogen

  8. 14.

    Ihrer Logik zufolge sollen Migranten erstmal Deutsch lernen, bevor diese Mitmenschen in der Lage sind, auf deutsch formulierte Informationen zu verstehen und bis dahin ist es egal, ob diese Mitmenschen Sie und mich anstecken, weil sie die deutschen Regeln nicht verstanden. Vermutlich finden Sie es furchtbar, wenn diese Mitmenschen sofort in der Lage sind, Sie und mich vor Corona-Ansteckungen zu bewahren, weil sie es per Landessprache schneller begreifen würden, aber darf ja nicht sein, weil Sie es besser finden, dass Sie und ich deswegen gefährdet werden.

  9. 13.

    Ganz bestimmt nicht, dann wird eben noch mehr online bestellt und sich mehr privat getroffen.

  10. 12.

    Hab heute meine 2.impfung in einem impfzentrum der Stadt bekommen.. Migranten Anteil ca 0 Prozent.. In den Kliniken und IV Stationen duerfte es etwas anders aussehen.. Trotz Privileg der sonder impfungen in ausgewählten vierteln..

  11. 11.

    Hab heute meine 2.impfung in einem impfzentrum der Stadt bekommen.. Migranten Anteil ca 0 Prozent.. In den Kliniken und IV Stationen duerfte es etwas anders aussehen.. Trotz Privileg der sonder impfungen in ausgewählten vierteln..

  12. 10.

    Impfberatung oder Überredung zur Impfung?

  13. 9.

    Das Problem bei meinen Eltern war, dass Deutschkurse nicht verschenkt wurden bzw. dabei nunmal kein Geld bekommen haben. Deshalb haben sie lieber gearbeitet, als anständig deutsch zu lernen.

  14. 8.

    Natürlich ist es richtig, dass jetzt in den Corona Hochburgen schnell und unkompliziert geimpft wird. Doch mir stellt sich schon die Frage, warum in den ursprünglichen kulturellen "Herkunftsländern" (Türkei, Polen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Serbien etc.) der dort ansässigen Bevölkerung sehr wohl die Wichtigkeit einer Impfung klar ist. Hier aber anscheinend bei einer Teilgruppe argumentativer Anreizbedarf besteht.

  15. 7.

    Wieso tut sich speziell Berlin oft so schwer mit kreativen Ideen? Stichwort: Schwerpunktimpfung für türkisch- oder arabischstämmige Berliner. Anderswo wird es vorgemacht, Impfung in der Moschee in Absprache mit muslimischen Verbänden.

  16. 6.

    Hä? Wie soll das denn gehen, ab Ende September Zwangsgeld für Tests? Ich würde mich freuen, bis dahin ein ANGEBOT zur Impfung bekommen zu haben, bestenfalls geimpft zu sein, befürchte aber, dass nachdem seit März vom Impfturbo gelabert wird und anstelle dessen alle Impfdosen abgesagt wurden die weibliche Bevölkerung unter 60 nicht geimpft IST. Weil Astra nur für Kerle jeden Alters geht, ebenso Johnson, und vom Rest hat die heilige Ursula halt zu wenig bestellt.
    Ab September laufen dann die Auffrischungen für die SeniorInnen aus der ersten Impfung - da sehe ich nicht, dass man einen Impftermin zur Erstimpfung erhält...

  17. 5.

    Tim, ich kann von Geburt an Deutsch, fließend, aber ich schaffe es NICHT, mir einen Impftermin zu beschaffen, trotz Prio! Es scheint also nicht an der Sprache bei mir zu liegen, sondern am Prozedere! Meine Eltern hätte es übrigens genausowenig geschafft, auch immer schon in der Bundesrepublik ansässig, seit über 80 Jahren. Wer so einen Bockmist mit dem Anmelden verzapft, nur noch getoppt von den Brandenburgern, der muss sich nicht wundern, wenn nicht jeder kommt - es läuft einfach nicht! Die Hausärzte und Betriebsärzte bekommen keinen Impfstoff, und bei den Impfzentren kannste Dich nicht anmelden. Super. In Serbien, Israel und England war das kein größeres Problem...

  18. 4.

    Nicht mit Geld locken, sondern mit Lockerung. Geimpfte brauchen keinen Test mehr nachweisen. Alle anderen müssen ab September 2021 wegen Ende der kostenfreien Bürgertests 50 Euro pro Test zahlen, dann kommen die Menschen schon ganz von alleine zum Impfen. Versprochen!

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