Corona-Pandemie - Berlin dämpft Hoffnungen auf schnelle Lockerungen

Di 23.02.21 | 18:00 Uhr
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Menschen liegen auf der Wiese auf dem Boxhagener
Video: Abendschau | 23.02.2021 | D. Knieling/Studiogespräch S. Czaja FDP | Bild: dpa/XAMAX

Während andere Bundesländer lockern, sieht Berlin dafür noch keinen Spielraum. Der Senat hat allerdings einen Plan für die nächsten Schritte ausgearbeitet - und liefert damit zumindest mittelfristige Perspektiven für Handel, Gastronomie, Kultur und Sport.

Während andere Bundesländer wie Brandenburg weitere Lockerungen beschlossen haben, sieht der Berliner Senat angesichts der Corona-Infektionslage und neuer Gefahren durch Virus-Mutationen die Zeit dafür noch nicht gekommen. Das machten die Vize-Regierungschefs Klaus Lederer (Linke) und Ramona Pop (Grüne) am Dienstag nach der Senatssitzung deutlich.

Pop und Lederer und verwiesen darauf, dass der wochenlange Rückgang bei den Neuinfektionen inzwischen nicht mehr zu beobachten ist. "Wir sind in einer ganz schwierigen Zwischensituation", sagte Kultursenator Lederer. "Und die Antworten darauf, wie man mit dieser Situation umgeht, sind noch nicht gefunden."

Er wundere sich deshalb, dass manche Bundesländer schon wieder Ankündigungen machten. "Wir werden das nicht tun, sondern wir werden weiterhin versuchen, in einheitlichem Vorgehen mit den anderen Bundesländern zu agieren."

Stufenplan nimmt 35er-Inzidenz in den Blick

Laut Wirtschaftssenatorin Pop steht der Senat zur begonnenen schrittweisen Schulöffnung und zu den Lockerungen für Friseure, die ab 1. März wieder öffnen dürfen. Weitere Lockerungen seien nicht diskutiert worden, sondern ein Stufenplan, "der auch die 35er-Inzidenz in den Blick nimmt". Der zuvor bekanntgewordene Plan sieht signifikante Lockerungsschritte erste ab einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche vor.

"Es ist zurzeit nicht der lineare Weg zur Inzidenz 35 erkennbar", so Pop. Das liege wohl am zunehmenden Anteil der ansteckenderen Virus-Mutationen. "So dass diese Stufen- und Öffnungsperspektive eben eine Perspektive ist, aber nichts, was in den nächsten Tagen beschlossen werden kann." Auch Mobilitätsforscher halten den Zielwert von 35 aktuell für unrealistisch.

Plan berücksichtigt mehrere Kennzahlen

Grundlage für Öffnungsschritte sind der Vorlage zufolge Kriterien wie die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche. Hinzu kommen als "dynamische Faktoren" die Reproduktionszahl (R-Wert), die angibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, sowie die Kapazitäten bei den Intensivbetten, die Veränderungsrate der Inzidenz und perspektivisch auch die Impfquote.

Bei einem Inzidenzwert über 100 - am Dienstag betrug er in Berlin 57,9 - gilt laut dem Plan die erste Stufe (Risikostufe B). Hier gelten weitgehende Schließungen, lediglich eine Grundversorgung im Handel und medizinisch notwendige körpernahe Dienstleistungen sollen erlaubt sein.

Die nächste Stufe (Risikostufe A) gilt bei einer Inzidenz von über 50: Sport in kleinen Gruppen soll dann für Kinder bis 12 Jahren draußen wieder möglich sein.

Auf die Risikostufen folgen vier "Cluster"

Dann wird es kompliziert, auf die beiden Risikostufen folgen vier weitere Stufen, sogenannte "Cluster":

  • Cluster 0 greift, wenn der Inzidenzwert sieben Tage lang unter 50 liegt,
  • Cluster 1, wenn die Inzidenz sieben Tage lang unter 35 liegt,
  • Cluster 2 gilt, wenn der Inzidenzwert dann für 14 Tage stabil oder sinkend ist, gleiches gilt danach für Cluster 3.

Hinzugezogen werden dem Plan zufolge bei allen vier Cluster-Stufen die dynamischen Faktoren.

Beispiel 1: Restaurants sollen nach diesem Muster erst in der vierten Stufe (Cluster 1) bei einer Inzidenz unter 35 den Außenbereich für maximal 5 Personen aus zwei Haushalten öffnen dürfen.

Ist der Inzidenzwert 14 Tage stabil oder sinkend, dürften die Restaurants für sechs Personen aus drei Haushalten öffnen, in der nächsten Stufe dann für sechs Personen unabhängig von den Haushalten.

Beispiel 2: Auch für den Einzelhandel sind Öffnungsschritte über die Grundversorgung hinaus ab einer Inzidenz unter 35 (Cluster 1) vorgesehen: Zunächst soll dann eine Zugangsbegrenzung von 10 Quadratmeter pro Kunde gelten, ab einer Fläche von 800 Quadratmetern gelten 20 Quadratmeter pro Kunde.

In der übernächsten Stufe (Cluster 3) sind dann generell 10 Quadratmeter pro Kunde vorgeschrieben.

Beispiel 3: Theater, Konzerthäuser und Kinos sollen ab Stufe vier (Cluster 1) Veranstaltungen draußen anbieten dürfen. Erst bei stabilen oder sinkenden Inzidenzwerten in der nächsten Stufe (Cluster 2) können sie öffnen - mit begrenzter Personenzahl.

Bei weiter stabilen oder zurückgehenden Infektionswerten soll eine weitergehende Öffnung möglich sein, wenn eine Belüftungsanlage vorhanden ist und ein Sitzabstand von einem Meter eingehalten wird.

Clubs sollen erst ab Stufe sechs (Cluster 3) schrittweise öffnen können.

Vollständige Öffnung noch nicht Teil des Plans

Um eine komplette Öffnung ohne Beschränkungen geht es bei dem Stufenplan nicht. Schulen und Kitas werden in dem Papier wegen ihrer besonderen sozialen Bedeutung eine Sonderrolle zugebilligt - plädiert wird für eine schrittweise Ausweitung des Präsenzbetriebes. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 müssten diese vorsichtigen Öffnungsschritte allerdings "zur Disposition gestellt" werden, heißt es in der Vorlage. Am Montag hatte die schrittweise Schulöffnung begonnen, den Anfang machten Schüler der Klassenstufen 1 bis 3.

In Berlin war die Zahl der Corona-Neuinfektionen wohl nicht zuletzt in Folge des Lockdowns wochenlang kontinuierlich zurückgegangen. Seit einigen Tagen weist die Inzidenz wieder leicht steigende Tendenz auf.

Wirtschaft kritisiert Stufenplan

Aus der Berliner Wirtschaft gab es bereits Kritik am vom Senat angedachten Stufenplan. "Ein an Inzidenzwerte gekoppelter Öffnungsplan ist noch keine Strategie, sondern lediglich eine Variation des immer gleichen "Weiter-so-Lockdowns"", teilte die Industrie- und Handelskammer (IHK) am Dienstag mit. Sie vermisse Pläne, wie sich mit Schnelltests die Rückkehr zur Normalität unterstützen lasse, und Maßnahmen, um die Gesundheitsämter zu befähigen, Kontakte zügig nachzuverfolgen.

"Was fehlt, sind Ideen für den schrittweisen Restart der Wirtschaft basierend auf den Erkenntnissen des tatsächlichen Infektionsgeschehens", so die IHK weiter. Der Lockdown solle das Gesundheitssystem vor dem Kollaps schützen. "Es kann aber nicht sein, dass Weg- und Zusperren auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie dafür die einzige Lösung bleiben."

Sendung: Inforadio, 23.02.2021, 15:20 Uhr

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37 Kommentare

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  1. 37.

    Werte Meckerbürger, Ihr wisst gar nicht was Ihr dem Großteil des Volkes antut. Wir hätten längst über den Berg sein können und es so gemeistert haben können, wie Neuseeland und 4-5 weitere kluge Länder. Aber Ihr wollt das nicht. Corona als Dauer-Flatrate gefällt Euch ja viel besser. Und wenn der größte Teil der Steuerzahler bald hops geht, das geht Euch doch sowas von am A* vorbei. Jedes Frühjahr Lockerungen, jeden Herbst Lockdown, das findet Ihr doch geil

  2. 36.

    das ist von Ihnen jetzt nicht wirklich die perfekte Kritik, weil Sie vor lauter Meckern vergessen, eigene vorschläge zur diskussion zu stellen

  3. 35.

    Kein Wunder wenn der Großteil des Volkes sich weigert, die Regeln anzuwenden und durchzuziehen.

  4. 34.

    Herr Müller interessiert das Wohl Berlins überhaupt nicht mehr, er denkt nur noch an seinen neuen Ministerposten, mit Geld könnte er noch nie umgehen, das hat immer der Länderfinanzausgleich gerichtet. Dann müssen wir halt demonstrieren für Lockerungen.

  5. 33.

    Ist vollkommen zuverstehen: Was man im Frühjahr sät, erntet man im Herbst: 2020 im Frühjahr Lockerungen, im Herbst deshalb hohe Inszidenzzahlen mit Lockdown / 2021 im Frühjahr Lockerungen, im Herbst deshalb hohe Inszidenzzahlen mit Lockdown / 2022 im Frühjahr Lockerungen, im Herbst deshalb hohe Inszidenzzahlen mit Lockdown usw. usw.

  6. 32.

    Wenn die Bundesregierung und die Landesregierungen von unabhängigen wissenschaftlichen Beratern, die mit der Pharmaindustrie in keinster Weise verbunden sind, zu dem Schluss kommen, dass weitere noteendige Maßnahmen mit längeren Stilllegungen zahlreicher Branchen verbunden sind, muss man das zur Kenntnis nehmen. Man sollte dann ehrlich sein und vor der Bundestagswahl verlauten, dass immer weniger Einzahler für immer mehr Empfänger staatlicher Leistungen aufkommen müssen.

  7. 31.

    Da zu befragt man die Ethikkommission lieber nicht.
    Sicher wird es nicht in ein paar Monaten vergessen sein, dann kommen die Pleiten an`s Tageslicht.
    Die Berliner Regierung, was für ein Pech, wid kaum noch was zum verteilen und umverteilen finden.
    Aber, andere Bundesländer werden auch "zu knabbern" haben.

  8. 30.

    #BaldSindWahlen ;)

  9. 29.

    Diese geplanten Maßnahmen sind allein geprägt von den kühnsten Wunschvorstellungen der Hofvirologen. Alternative ernsthafte Strategievorschläge werden überhaupt nicht in Betracht gezogen. Die Zahlen sind anscheinend mit Absicht so gewählt, dass eine Rückkehr zu normalem Leben in den kommenden zwei Jahren nicht möglich sein wird.

  10. 28.

    Dieser Stufenplan wird nie Funktionieren, wann Kapiert der Berliner Senat bzw. Die Bundesregierung das endlich. Die Bevölkerung muss mit dem Virus Leben. Macht endlich den Einzelhandel usw. wieder auf, bevor alles Zerstört ist..... Dank der Regierung

  11. 27.

    Ich bin nur noch frustriert, resigniert und hoffe nicht depressiv zu werden. Das ist doch alles nicht mehr nachzubauen wie viel Porzellan da zerschlagen wurde und wird...

  12. 26.

    Bisher ist es nicht gelungen, die bestehenden Anordnungen zu kontrollieren bzw. durchzusetzen. Je mehr geregelt und verzögert wird, umso mehr werden die Maßnahmen unterlaufen. Bei diesem Wirrwar werden die Infektionszahlen steigen, 35 = Illusion auf lange Sicht.

  13. 25.

    Warum sagt man nicht: In der Stadt xxx, im Landkreis xxx, im Bundesland xxx oder in DE sind von den Einwohnern xxx% infiziert, davon sind xxx% erkrankt. Weil dann alle Zahlen ihre Schrecken verlieren würden!

  14. 24.

    Puh, 35 ... wann sollen wir das erreichen? Im Herbst? Naja, immerhin wird die Sache endlich mal mit etwas Struktur angegangen...

  15. 23.

    "Oh wie toll ihr Politiker oder besser Narren. Haut doch wirklich erst mal alles kurz und klein, irgendwann merkt vielleicht was falsch gelaufen ist. Vermutlich ist es dann jedoch zu spät, schlaft endlich aus und macht euch ernsthaft Gedanken"
    War das jetzt Zufall oder Absicht das die Sätze perfekt zu dem passen was sich nicht wegimpfen läßt und nach der Pandemie immer noch da ist......

  16. 22.

    Aber nur bei Vorlage eines negativen Tests, der nicht älter als 24 Stunden sein darf :)

  17. 21.

    Oh mein..... und gerade die Zwei aus dem Wirtschaftlichen Feindeslager "Grün" + "Rot". Bis zu den Wahlen ist es zu lang hin, dann haben diese die Wirtschaft auf Grund ihrer Parteiprogramme zu nichte gemacht. Jetzt liegt es an den Wirtschaftsverbände endlich aufzustehen und für die Wirtschaft zu kämpfen.

  18. 20.

    Die Politiker haben sich schon vor Monaten von ihrem Volk verabschiedet.
    OB Müller hat es immer noch nicht geschafft, die Lebens-Komplexität seiner 3,5 Mio Berliner zu verstehen.
    Es ist faszinierend, dass er seinem Volk immer noch Vorschriften machen will, statt mal den Wählerwillen zu erfüllen, der sich nicht exklusiv auf drei Kennwerte reduziert.
    Wir wollen Schutz, aber nicht nur durch Verbote, sondern mit intelligenten Ansätzen.

  19. 19.

    Ich weiß nicht was das soll. Es gibt Corona klar, aber es gibt auch andere Probleme. Eine Strategie gibt es nicht. Geimpft wird kaum und wir sollen weiterhin stillhalten. Alles wird wochenlang zerredet und zum Schluß sitzen wir weiter eingesperrt in unseren 4 Wänden. Das waren wir schon mal. Hat sich denn gar nichts geändert. Der Schrecken ist längst der Wut gewichen.

  20. 18.

    Werter Herr Müller, Sie wissen gar nicht, was Sie der Bevölkerung antun. Noch ein halbes Jahr ohne Kultur und ich gehe ein. Viele andere sicher auch. Das mag wie ein Luxusproblem erscheinen, aber für viele ist die Kultur ein Ausgleich zur Arbeit. Am Ende werden die, die noch arbeiten dürfen (ohne Ausgleich), einen Burnout haben. Die, die ihre Arbeit verloren haben, werden depressiv sein. Und alles nur, weil der Berliner Senat Angst vor dem Leben hat?! Ich bin sicher, noch bevor der Berliner wieder etwas in seiner eigenen Stadt unternehmen oder an die Ostsee fahren darf, kommen wieder mehr Touristen (die nie wirklich weg waren). Die Werte werden nie so weit heruntergehen, wie es gefordert wird .
    Kaufen Sie doch einen grossen Betonmischer und betonieren sie die Berliner ein. Dann brauchen Sie ihren offenbar lästigen Pflichten, sich um die Bevölkerung zu kümmerm, nicht mehr nachkommen. Ich bin echt fassungslos.

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