Streit in der Berliner Koalition - Scheeres weist Forderungen nach früherer Schulöffnung zurück

Do 27.05.21 | 21:31 Uhr | Von Christoph Reinhardt
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Sandra Scheeres (SPD), Bildungssenatorin von Berlin
Bild: dpa/Christoph Soeder

In Brandenburg sollen Grundschüler ab Montag wieder zur Schule gehen - Berlin aber bleibt bis zu den Ferien beim Wechselunterricht. Schulsenatorin Scheeres trotzt dabei auch Widerstand aus den eigenen Reihen. Von Christoph Reinhardt

Die vielgescholtene SPD-Schulsenatorin Sandra Scheeres öffentlich zu kritisieren, gehört zu den Standard-Übungen im Berliner Politikbetrieb. Und so war es nicht überraschend, als CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner per Pressemitteilung ausrichten ließ, dass er den Streit um die Rückkehr zum Regelbetrieb an den Schulen unverantwortlich finde. "Berlins Schulen müssen schnellstmöglich geöffnet werden", so Wegner, und zwar vor den Sommerferien.

Dann schlug auch die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch in die gleiche Kerbe: Zumindest den Grundschülern solle regulärer Unterricht noch vor den Ferien ermöglicht werden, forderte sie von ihrer Koalitionspartnerin Scheeres. Und selbst SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey übermittelte ihrer Parteifreundin kaum rücksichtsvoller via "Berliner Morgenpost" den Wunsch, "die Entscheidung zu überdenken". Selbst ein paar Tage Regelunterricht vor den Sommerferien seien das wert.

Drei Spitzen vs. Schulsenatorin

Schulsenatorin Scheeres aber zeigte an Donnerstag im Bildungsausschuss ihre Nehmerinnen-Qualitäten. Statt zurückzurudern legte sie sich voll in die Riemen, um die populären Forderungen ihrer Kritiker noch zu übertreffen - nur in eine andere Richtung. Angesichts sinkender Inzidenzen müsse in der Tat mehr ermöglicht werden, so Scheeres. "Dass Kinder in ganzen Klassen zusammenkommen, ist mir sehr, sehr wichtig." Zumindest in den letzten zwei Wochen des kurzen Rest-Schuljahrs sollten die Kinder Unterricht deswegen auch "draußen" erleben: gemeinsamer Sport im Freibad, Biologieunterricht im Botanischen Garten, Exkursionen an der Berliner Mauer zum Beispiel, gerne auch Klassenfeste und Feiern im Freien, um den sozialen Zusammenhalt zu festigen.

Explizit nicht gemeint war damit aber Unterricht mit 30 Personen in einem Klassenraum: Die Schulleitungen würden sehr verantwortungsvoll dafür sorgen, versprach Scheeres, dass die Kinder sich auf jeden Fall vor den Ferien noch treffen würden. Doch die Rückkehr zum vollen Präsenzunterricht, wie nun für Brandenburgs Grundschulen beschlossen, werde es in Berlin wie geplant erst nach den Sommerferien geben.

Scheeres hat die Schulen auf ihrer Seite

Ihre Entscheidung sei das Ergebnis der Diskussionen im Landesschulbeirat, sagte Scheeres. Dort sind unter anderem die Interessenvertretungen der Schüler, Eltern, Schulleitungen und Beschäftigten vertreten. Sie setzen auf gründliche Vorbereitungen des nächsten Schuljahrs und möglichst viel Präsenztage für alle Schulkinder - aber weiterhin nur im Wechselbetrieb. Wichtiger als ein kurzfristiger Regelbetrieb sei eine umfangreiche Notbetreuung und eine umfassende Lernstandserhebung, um Bildungslücken noch vor den Sommerferien zu erkennen.

Volle Unterstützung bekam die Schulsenatorin dabei von den Linken. Deren Fachpolitikerin Regina Kittler wies darauf hin, dass die Inzidenz bei Schülern die höchsten aller Bevölkerungsgruppen sei, gleich gefolgt von ihren Eltern. Auch gegenüber den Lehrkräften sei es unverantwortlich, kurzfristig mit dem Regelbetrieb zu beginnen. Denn vor allem an den weiterführenden Schulen seien nur ganz wenige von ihnen voll geimpft. Dies werde sich über die Sommerferien ändern. Deutlich besser sieht es allerdings an den Grundschulen aus: Nach Angaben der Bildungsverwaltung sind dort inzwischen 78 Prozent des Personals geimpft.

Streit um Impfung der Kinder

Leidenschaftlich diskutierte der Bildungsausschuss auch die Frage nach Impfungen für Schüler. Ob diese angesichts der Datenlage zu empfehlen seien, müssten Ärzte und Wissenschaftler beurteilen, sagte Scheeres. Eine eigene Positionierung lehnte sie deswegen ab, zeigte sich aber offen: "Wenn die Fachleute das empfehlen, warum sollten wir Nein sagen?" Für die Rückkehr der Schulen zum Regelbetrieb nach den Sommerferien werde die Impfung aber keine Rolle spielen. Der Präsenzbetrieb werde auf jeden Fall auch für ungeimpfte Kinder greifen, stellte sie auf Nachfrage der AfD klar. Eine Impfpflicht sei weder für die Lehrkräfte noch die Kinder sinnvoll, allein deren Eltern müssten die Entscheidung für oder gegen eine Impfung treffen.

Sollte tatsächlich, wie erhofft, genügend zugelassener Impfstoff zur Verfügung stehen, müsse er so schnell wie möglich genutzt werden, sagte Scheeres. Impfungen im Klassenverband vor Ort an den rund 1.000 Schulen, die der FDP-Bildungsexperte Paul Fresdorf angeregt hatte, sieht sie aber skeptisch. Mit den Impfzentren stehe eine bewährte Struktur zur Verfügung. Die Entscheidung für den besten Weg müsse aber letztlich die Gesundheitssenatorin treffen, sagte Scheeres.

Zumindest in diesem Punkt hatte Scheeres die Koalitionspartner an diesem Tag hinter sich. Auch die grüne Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz lehnte Impfeinsätze an den Schulen ab. Bei Minderjährigen müssten nämlich die Eltern anwesend sein, auch damit die Familie von Ärzten aufgeklärt werden können. Das aber sei in den Schulen nicht umsetzbar.

Sendung: Inforadio, 27.05.2021, 17:15 Uhr

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Beitrag von Christoph Reinhardt

39 Kommentare

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  1. 39.

    Jetzt alles aufreissen, sämtliche Maßnahmen ignorieren - das bringt's ?
    Die Senatstaktik >öffnen in kleinen Schritten und dann nach einigen Wochen sehen, was es bewirkt hat" bringt es NICHT?

  2. 38.

    Danke liebes Elternteil, GENAUSO. Die haltlose unbegründete Angst und Panikmacherei gepaart mit einem Kontroll und Vertrauensproblem seitens des Berliner Senats belastet seit knapp 18 Monaten die Kleinsten unserer Bildungsgesellschaft. Diejenige, die sich nicht wehren können, die am leichtesten zu kontrollieren sind, diejeinigen, die keine Lobby haben, keinen Gewerkschaftsbund. Nur die Eltern, Ärzte und Psychologen, die ihre Kinder vor den psychologischen Erkrankungen (weit aus schlimmer als Corona bei Kindern), eines seit 18.12. 2020 anhaltenenden Lockdowns, einer Spaltung der KLassen(bei halber Klassestärke, mit Abstand und Masken ist kaum Sozialkontakt möglich) schützen wollen. Jetzt wo es überall Lockerungen gibt, werden wieder die Kinder vergessen. Wann dürfen unsere Kinder wieder Kind sein? Lasst uns nicht aufhören, für die RECHTE unserer Kinder einzustehn. Berliner Senat-ES REICHT.

  3. 37.

    Frau Scheerens treten sie bitte sofort zurück und überlassen den Job jemanden mit fachlichen Kompetenz. Unsäglich diese Senatorin

  4. 35.

    Mein Tip ...
    Bewerben Sie sich auf die Stelle von Frau Scheeres und zeigen Sie, wie es geht.
    Dann können wir hier weiter diskutieren.

    Beste Grüße

  5. 34.

    Liebes Elternteil ...

    den Kommentar, die Lehrer und Erzieher würden Angst verbreiten, weise ich kategorisch zurück ... !!!
    Wenn nichts mehr geht, sind es die Lehrer - das halte ich für ein haltloses und sehr billiges Argument !!!
    Ich bin Grundschullehrer und habe mir diese Situation nicht ausgesucht - ich habe diese Entscheidungen nicht getroffen ... Ich hätte mir auch einen anderen Weg gewünscht, glauben Sie mir.

    Aber ich bin faul und verbeamtet ...

  6. 33.

    78 % der Grundschullehrer sind geimpft ??? Das halte ich für maximalen Unsinn. In unserer Schule haben wir 52 Lehrkräfte und 16 Erzieherinnen und Erzieher. Macht 68.
    Von diesen 68 haben jetzt 11 die VOLLE Impfung.

  7. 32.

    Also noch schlechter kann man den Scheeres Standpunkt nicht begründen... "aus organisatorischer Sicht"...hat sie keine Lust ihren (organisatorischen) Job (Schulen zu ertüchtigen, auch in Pandemiezeiten Bildung zu vermitteln) zu machen? Eher wirft dies ein Licht auf das linksgrüne Bildungsverständnis: Statistiken, Zuteilungen, Einsparen, Verordnungen schreiben, Moralisieren... Ergebnisse in fast jedem Ranking: immer hinten...

  8. 31.

    Wenn gegen das Recht auf Bildung verstossen wird, müsste doch eigentlich geklagt werden, oder? die Rechtsgrundlage zur weiteren Schulschliessung bzw Klassenteilung gibt es nicht mehr, die orientierte sich am I.wert 50.
    Sind denn schon Ferien? Was für ein Theater, wenn Kinder unentschuldigt der Schule fernbleiben. Was passiert denn, wenn die Lehrer unentschuldigt der Schule fernbleiben?

  9. 30.

    Wenn sich jemand gefragt hat warum die SPD so hoffnungslos schlecht ist und langsam als bedeutende Partei vergessen wird, hier ist die Antwort. Die Inzidenz liegt bei unter 40, 80% der Ausbildungskräfte wurden geimpft, die Brandenburger Schulen werden wieder geöffnet - dann gibt es keine Ausrede für Berlin. Die Frau Scheeres ist entweder faul, machtlos oder ahnungslos. Sie soll diese Stelle den anderen dann überlassen damit unsere Kinder wieder eine Chance haben.

  10. 29.

    Es ist wieder mal ein Symbol für die Kinderfeindlichkeit in Deutschland. Es ist völlig egal, dass wir hier gerade eine ganze Generation abhängen, ihr die Zukunft versauen und sie in ihrer sozialen Entwicklung dauerhaft schädigen. Hauptsache die Inzidenzwerte passen, die sind inzwischen der einzige Gott, dem wir huldigen. Dass die Sterblichkeit völlig unabhängig von den Inzidenzen ständig zurück geht, interessiert die Politik schon lange nicht mehr. Hauptsache, alles geht vor die Hunde. Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln.

  11. 28.

    Die Entscheidung ist sehr bedauerlich. Es tut mir leid für die Kinder.
    Ist der Virus in Brandenburg ein anderer?
    Weshalb müssen Kinder in Berlin unter erschwerten Bedingungen lernen?

  12. 26.

    Rechtlich sind die Schulen nicht "halb zu". Der Unterricht findet in der Schule und angeleitet durch die Schule im Wechsel zuhause statt.
    Natürlich brauchen wir mehr Bildung z. B. bei der Rechtschreibkompetenz der Eltern, die ja bei vollem Schulbetrieb erworben wurde.

  13. 25.

    Sicherlich reißen die 4 Wochen nicht mehr viel raus, trotz allem kann immer noch etwas vermittelt bzw. nachgeholt werden.
    Unsere Große besucht die 2. Klasse und wir können die Entscheidung dieser Frau nun gar nicht nachvollziehen.
    Die Kinder haben nun mittlerweile so viel Unterricht verpasst, da kann man in den letzten vier Wochen noch ganz viel machen.
    Es ist einfach so viel auf der Strecke geblieben oder wurde vielleicht auch zu Hause von den Eltern falsch vermittelt.
    Die Quittung bekommen wir später, wenn der Stoff anzieht und die ersten Kinder die 3. oder 4. Klasse nachholen müssen weil die Grundlagen einfach nicht richtig sitzen.
    Lieber geben wir unseren Urlaub her, als dass unserer Tochter weiterhin der Unterricht und ihre schulische Ausbildung verwehrt wird.
    Ich könnte auch wetten, in Brandenburg steigen in den nächsten 4 Wochen nicht mal großartig die Inzidenzen aufgrund der Schulöffnungen.

  14. 24.

    Mal ganz ehrlich : wenn ich das lese, bin ich froh, dass unser Erzieherinnenteam anders tickt. Unsere Kolleginnen sind kreativ und haben Aussenangebote(auch im Winter! ) entwickelt, wo Sachwissenvermittlung, motorisches und soziales Lernen sowie Sprachförderung stattfinden. Lund Erz. kooperieren gut und die SuS haben trotz aller Widrigkeiten etwas gelernt, was zu ihrer Bildung und Entwicklung beiträgt. Das Dehnungs-H und die Division müssen wir im nächsten Schuljahr intensiv anpacken -das wissen alle.
    Wie in Kommentar 12 erwähnt, ist vieles machbar und auch über Sportunterricht hinaus.
    Finden Sie mit den Kolleginnen neu Wege!

  15. 23.

    Wie ist es überhaupt rechtlich möglich die Schulen halb zu zulassen unabhängig von Inzidenz?
    Kinder haben recht auf Bildung!
    Wenn Frau Scheeres dann den Hort öffnet gibt es ja gesundheitlich überhaupt kein Sinn.
    Frau Scheeres ist ihre Aufgabe eindeutig nicht gewachsen.
    Volle Unterricht JETZT!

  16. 22.

    Fassen wir kurz zusammen:
    Die letzten Monate hieß es immer der Unterricht der Schüler hat Priorität. Schulen schließen als Letztes und öffnen als Erstes. Was unterscheidet die jetzige Situation von der des letzten Jahres:
    - Aktuelle Inzidenz in Berlin: 35 (statt z.B. 144 am 28.10.2020 als die Schulen noch komplett offen waren)
    - Aktuelle Impfquote für alle Berliner 39 % (Lehrer und Erzieher haben eine noch höhere Impfquote)
    - verschärfte Maskenpflicht
    - 2 x Tests pro Woche

    Warum sind Schulen nicht wieder im Regelbetrieb? Meine Kinder leiden sozial und psychisch massiv unter dem Lockdown. Trotz all der o.g. Fakten werden Lehrer, Erzieher und manche Eltern nicht müde ständig Angst zu verbreiten. Jeder von Ihnen denkt mehr an sich, als an die Kinder. Kinder sind am geringsten gefährdet und am stärksten in ihren Freiheiten beschnitten. Systemrelevante Verkäufer gehen einfach ihrer Arbeit nach, obwohl sie ungleich gefährdeter sind. Nehmen Sie sich ein Beispiel.

    Schulen auf!

  17. 21.

    Sicherlich reißen die 4 Wochen nicht mehr viel raus, trotz allem kann immer noch etwas vermittelt bzw. nachgeholt werden.
    Unsere Große besucht die 2. Klasse und wir können die Entscheidung dieser Frau nun gar nicht nachvollziehen.
    Die Kinder haben nun mittlerweile so viel Unterricht verpasst, da kann man in den letzten vier Wochen noch ganz viel machen.
    Es ist einfach so viel auf der Strecke geblieben oder wurde vielleicht auch zu Hause von den Eltern falsch vermittelt.
    Die Quittung bekommen wir später, wenn der Stoff anzieht und die ersten Kinder die 3. oder 4. Klasse nachholen müssen weil die Grundlagen einfach nicht richtig sitzen.
    Lieber geben wir unseren Urlaub her, als dass unserer Tochter weiterhin der Unterricht und ihre schulische Ausbildung verwehrt wird.
    Ich könnte auch wetten, in Brandenburg steigen in den nächsten 4 Wochen nicht mal großartig die Inzidenzen aufgrund der Schulöffnungen.

  18. 20.

    Bitte verdrehen Sie nicht die Tatsachen.
    1. Die Senatsverwaltung heißt senbjf "Bildung,Jugend und Familie". Volksbildung ist der falsche Begriff.
    2. Für Reinigung und Mittagessen ist die entsprechende Abteilung des Bezirksamtes zuständig, nicht die Senatsverwaltung.
    3. Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat das letzte Wort über die Organisation der Impfungen ( anders steht es auch nicht im Artikel). Die Erziehungsberechtigten entscheiden zu gegebener Zeit darüber ob das Kind geimpft werden soll.
    Bitte iinformieren Sie sich immer richtig, z. B. durch gründliches Lesen der RBB- Beiträge. Dann braucht hen Sie sich nicht an der falschen Stelle zu ärgern.

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