Kinder, Pflege, Küche, Haushalt - Das unbezahlte Milliardengeschäft

Fr 10.09.21 | 06:10 Uhr | Von Oliver Noffke
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Eine Frau hält beim Kochen ein Kleinkind auf dem Arm. (Quelle: dpa/Jan Woitas)
Bild: dpa/Jan Woitas

Frauen arbeiten mehr, werden aber seltener dafür bezahlt, da sie sich öfter um Haushalt und Nachwuchs kümmern. Das hat Folgen: von geringeren Karrierechancen bis hin zum Rentenbescheid. Ideen um das zu ändern, gibt es viele. Von Oliver Noffke

Wäsche sortieren, waschen, aufhängen, bügeln – und wieder sortieren. Einkaufen, kochen, abwaschen. Die Kinder bespaßen, Fieber messen, trösten. Mit dem greisen Vater zum Arzt oder auf die Bank. Putzen, pflegen, kümmern. Das Bisschen Haushalt eben, das jeden Tag mehrere Stunden in Anspruch nimmt und oftmals von Frauen erledigt wird.

"Ich stehe um 6 Uhr auf und hänge die Wäsche auf, die über Nacht gelaufen ist", beschreibt die 37-jährige Janina ihren Alltag als alleinerziehende Mutter von drei Kindern zwischen zwei und sechs Jahren. "Dann ziehe ich meine Kinder an, bringe sie zur Schule oder zur Kita. Und dann geht's in meinen normalen Job." Wieder zu Hause verbringe sie mehrere Stunden mit Hausarbeit und Kinderbetreuung, sagt die Berlinerin. "Wenn ich Glück habe, habe ich um 20 Uhr Feierabend."

"Sorgearbeit gehört in die Wertschöpfungskette"

Sorgearbeit – oder auch Care-Arbeit – ist die Grundlage für das Zusammenleben innerhalb von Familien sowie für eine funktionierende Wirtschaft, sagt Antje Asmus vom Deutschen Frauenrat. "Wenn ich das volkswirtschaftlich betrachte, gehört Sorgearbeit in die Wertschöpfungskette von sämtlichen Dingen, die hergestellt oder angeboten werden." Idealerweise sollte Hausarbeit oder private Pflege ihrer Meinung nach als Teil des Bruttosozialprodukts gedacht werden. "Tatsächlich ist sie derzeit unterbewertet, was sich auch ausdrückt im Markt der professionell erbrachten Sorgearbeit, in Unterbezahlung und prekären Arbeitsverhältnissen", sagt Asmus und meint damit die Gehälter, die an Pflege- und Putzkräfte oder in Kitas gezahlt werden.

Die Hilfsorganisation Oxfam berichtete im vergangenen Jahr, würden sämtliche dieser weltweit durchgeführten Haushaltstätigkeiten vergütet, hätten sie einen ökonomischen Wert von 10,8 Billionen US-Dollar. Das wäre etwa das Dreifache dessen, was die IT-Branche international an Umsatz erwirtschaftet.

Frauen arbeiten täglich mehr, werden aber seltener bezahlt

Auch das Statistische Bundesamt hat sich bereits mit dem Thema beschäftigt. 2016 schätzte die Behörde, dass der Wert von unbezahlter Arbeit in Deutschland mindestens einem Drittel des Bruttosozialprodukts entspricht [destatis.de]. Allein in Deutschland geht der Wert dieser Tätigkeiten also in die Milliarden.

Die Pandemie dürfte das noch einmal deutlich nach oben geschraubt haben. Als Kitas, Schulen und Betreuungsangebote für Pflegebedürftige geschlossen wurden, sind oft Angehörige eingesprungen. Wie eine Datenanalyse von rbb|24 zeigt, ist während des ersten Lockdowns diese zusätzliche Belastung bei Müttern auf ein besonders hohes Maß angestiegen. Denn schon vor Corona leisteten sie im Schnitt wesentlich mehr Sorgearbeit als Väter. Hier zeigt sich das sogenannte Gender-Care-Gap – also die unterschiedliche Arbeitszeit von Männern und Frauen für Hausarbeit und Kinder.

Im weltweiten Durchschnitt arbeiten Männer sechs Stunden und 44 Minuten pro Tag, so Oxfam. Für fünf Stunden und 21 Minuten davon würden sie entlohnt. Frauen arbeiteten hingegen durchschnittlich sieben Stunden und 28 Minuten pro Tag, erhielten aber nur für drei Stunden drei Minuten Lohn. Dass Hausarbeiten nicht bezahlt werden, führt laut der Organisation zu Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, zu Abhängigkeiten und schlussendlich in die Armut [oxfam.de].

Hausarbeit bezahlen: seit Jahrzehnten gefordert und umstritten

Dies sehe man auch in Deutschland, sagt Antje Asmus, wenn in Beziehungen Sorgearbeit ungleich verteilt ist. "Was in der Folge dazu führt, dass weniger Möglichkeiten bestehen, erwerbstätig zu sein und damit eigenes Einkommen zu generieren." Wodurch auch geringere Beiträge in die Sozialversicherungen eingezahlt werden und schlussendlich auch die Renten niedriger sind. "Auch das Elterngeld wird ja anhand des Nettos berechnet", erklärt sie. "Bei allen Leistungen, die der Staat anbietet und die sich vom Einkommen ableiten, zieht von vornherein den Kürzeren, wer weniger erwirtschaftet." Meist im Nachteil: Frauen. Wobei das Ehegattensplitting [tagesschau.de] die Effekte noch verstärke. Wer im eigenen Zuhause viel leiste, arbeitet wahrscheinlicher in Teilzeit und erhält seltener Chancen, Karriere zu machen.

"Wages for Housework" - also Lohn für Hausarbeit – ist eine Forderung von Frauenrechtlerinnen aus den USA, Großbritannien, Kanada, Italien und anderen Ländern, die das ändern wollen. Seit knapp 50 Jahren wird diese Idee diskutiert. Die Initiatorinnen um die US-Amerikanerin Selma James sehen die Bezahlung von Hausarbeit durch den Staat als einen Schritt, der insbesondere Frauen finanziell unabhängig machen würde. Kritik an der Bewegung kommt insbesondere von vielen feministischen Gruppen. Wenn stärkere Anreize geschaffen werden, Hausfrau zu bleiben, werde das in anderen Bereichen nicht die Karrierechancen von Frauen verbessern, sagen sie.

Gutscheine? Bessere Angebote? Verringerte Vollzeit?

Ähnlich sieht das auch der Deutsche Frauenrat. Er wirbt zum einen für eine gerechtere Verteilung zwischen den Geschlechtern und fordert den Staat auf, mehr Angebote zu schaffen, die für Entlastung sorgen. Ganztagsschulen, mehr Tagespflegestellen für Angehörige, Bereitschaftsdienste. "Das wären alles Maßnahmen, die man bereitstellen könnte, um die Sorgearbeit insgesamt anders zu verteilen", sagt Asmus – also auch das Gender-Care-Gap zwischen Frauen und Männern zu verringern.

Auch ein Modell wie in Belgien könne sie sich vorstellen, sagt Asmus. Dort vergibt der Staat seit 2004 unter bestimmten Voraussetzungen Gutscheine, die sie zum Beispiel bei Putzdiensten oder Haushaltshilfen eingelöst werden können. Für Familien bedeutet dies eine Entlastung. Gleichzeitig werde so Schwarzarbeit bekämpft und Branchen unterstützt, in denen die Beschäftigten – überwiegend Frauen – traditionell nur sehr niedrige Löhne erhalten, sagt Asmus. Auch Alleinerziehende würden von solchen Angeboten unmittelbar profitieren können.

Auch die 37-jährige Janina hält nichts von einer direkten Bezahlung von Sorgearbeit. "Wir sollten eine verringerte Vollzeitarbeitszeit haben", sagt sie. "Eine Alleinerziehende mit zwei Kindern würde vier Stunden pro Kind angerechnet bekommen und bekäme dennoch für diese 32-Stunden-Woche den Vollzeitlohn." Aufgestockt werden sollte der Lohn vom Staat. Gleichzeitig würde die Alleinerziehende auf ihr Gesamteinkommen Steuern zahlen, aber vor allem auch in die Rentenkasse einzahlen - und so die Gefahr von Altersarmut verringern.

Auch für Antje Asmus vom Frauenrat ist eine Öffnung hin zu neuen Arbeitszeitmodellen ein längst überfälliger Schritt. "Es darf kein Tabu sein, dass es viel mehr Angebote an Teilzeit gibt auch für Männer." Wenn Männer in Beziehungen die Möglichkeit hätten, einige Stunden weniger zu arbeiten, entlaste das auch ihre Partnerinnen. Sie müssten dann nicht mehr so stark reduzieren, sagt Asmus. "Aber die Männer, die das wollen, stoßen ja auch auf Hürden."

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Beitrag von Oliver Noffke

90 Kommentare

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  1. 90.

    Wenn man die ganzen Kommentare hier liest, hat man schon ein wenig den Eindruck, einer Hexenjagd auf Alleinerziehende beizuwohnen. Sehr peinlich und beschämend! Und, dies vielleicht auch nur mal als Idee, nicht jeder kann von vorne herein in seinem Leben alles mit Bestimmtheit bis zum Schluss auswählen. Es ist ja schön das es Leute gibt, die mit Anfang 20 schon genau wissen was sie wollen. Ich fürchte aber die sind in der Minderheit. Fast alle Menschen machen Fehler, und dazu gehört auch, dass man sich den falschen Partner oder das falsche Leben aussucht. Schön, dass die meisten hier Kommentierenden offenbar ohne Fehl und Tadel sind.

  2. 89.

    Naja, alleinerziehend zu sein, ist ja bei den meisten Betroffenen nicht der ursprüngliche Plan. Wenn die Beziehung zerbricht oder Partner stirbt, kann man die Kinder nun mal nicht mehr zurück geben.

  3. 88.

    Psychisch stabil bleiben, die Coronavirus-Pandemie stellt uns alle vor große Herausforderungen und verändert unsere Lebenssituation in besonderer Weise. Was gestern noch selbstverständlich war, ist heute nicht mehr möglich. Dies betrifft alle Lebensbereiche: Freizeit, Familie und Arbeit.

  4. 87.

    Heute wird nur noch gejammert aber nicht angepackt. Klar kann man auch als alleinerziehendes Elternteil Vollzeit arbeiten. Warum auch nicht?

    Vielleicht sollte man sich vorher überlegen, Kinder in die Welt zu setzen.

  5. 86.

    Wenn die Kinder ganz klein sind, wird es aber schwierig mit der Kita, oder? Da wäre dann ja die Krippe dran. Dazu schreiben Sie nichts.
    Davon abgesehen: Hut ab vor Ihrer Leistung! Aber das als Grund zu nehmen, anderen Müttern, die nunmal auch anders sind als Sie, das gleiche abzuverlangen ist schon ein bisserl krass selbstbezogen.

  6. 85.

    Dies nennt sich garantiert nicht Demokratie und auch nicht ein freies Leben.
    Die Gefangenen seiner Selbst gibt es überall auf der Welt.

  7. 84.

    @Gerry: Danke für Ihren Kommentar. Die Frage einer Familiengründung sollte nicht mit den Massstäben der Gründung eines Start-Ups verglichen werden. Da sollten schon noch andere Werte vorliegen. Geldwerter Ausgleich schafft nicht mehr Nächstenliebe.

  8. 83.

    Ihre Mutter war wahrscheinlich eine Frau mit dem Motto, nicht quatschen, machen.

  9. 82.

    Ganz einfach, früh aufstehen, den Tag durchorganisieren. Kita, Schule, Hort machte die Arbeit möglich. Die Zeit nach der Arbeit für die Kinder und wenn die im Bett waren, war halt bügeln und putzen dran. Als meine Kinder klein waren, gingen sie noch nach dem Sandmann schlafen und sprangen nicht noch spät abends rum. Es geht, wenn man die Energie, die zum Jammern verschwendet wird, sinnvoll nutzt.

  10. 81.

    Wenn man das liest frage ich mich wie hat es meine Alleinerziehend Mutter, Vollzeit arbeitend 45 Jahre nur geschafft hat ohne zu jammer und zu klagen und heute es keiner mehr hinbekommt.

  11. 80.

    "Ich frage mich, wie können Menschen die Alles und Jedes in Euros und Cents umrechnen, überhaupt ein glückliches und zufriedenes Leben führen? ..."

    Die Frage stellt sich mir auch.
    Ist dies unsere neue Gesellschaft?
    Geld regiert die Welt?
    Wer nicht mithalten kann, ist raus!
    Dies nennt sich dann Demokratie und ein "freies" Leben ... schon irgendwie recht traurig!

  12. 79.

    Dann hat Ihr Mann vielleicht Ihre Arbeit mehr zu schätzen gelernt. Was ich aber auch oft beobachte: viele Frauen und Mütter trauen ihren Männern von vornherein nix zu, sie reißen Haus- und vor allem die Erziehungsarbeit an sich, beklagen sich aber gleichzeitig über ihre davon befreiten Männer. Ich vermute, das ist einfach auch ein Machtbereich"Haus+Kinder", den Frauen oft nicht aus der Hand geben bzw. teilen wollen. So wie Mutterschaft auch mitunter schlicht eine Rechtfertigung dafür ist, sich beruflich nicht ins Zeug zu legen. Das ist alles nachvollziehbar, aber wird kaum eingestanden. Dadurch wirken Klagen sehr oft irgendwie nicht glaubwürdig.

  13. 78.

    Interessant. Dann erzählen Sie doch mal wie sie allein, Vollzeit arbeitend, mit 4 Kindern (kleinen?) ihren Alltag organisiert haben. Davon kann man doch lernen.

  14. 77.

    Ich frage mich, wie können Menschen die Alles und Jedes in Euros und Cents umrechnen, überhaupt ein glückliches und zufriedenes Leben führen?
    Davon abgesehen übeträgt sich solch eine Gemütslage unweigerlich auf das Kind, diese Kinder empfinden sich dann eher als ungeliebt, und an den Ganzen schuldig.
    Die Psychologen, die können darüber " unzählige Lieder singen".

  15. 76.

    Oh, dann haben sie ihm offensichtlich zu lange die Pantoffeln hingestellt. Ich kenne ausreichend Frauen, die meinen allein im Haushalt alles richtig zu machen. Da würde ich als Mann auch nichts mehr machen, dann kann nämlich nix falsch werden.
    Ich war mit 4 Kindern allein und voll berufstätig. Damals gab es im Winter vor der Arbeit noch 4 Kachelöfen zu heizen. Alles eine Frage der Organisation. Heute sind alle nur noch am jammern.

  16. 75.

    Muss schmunzeln…..darf ich ihr Alter erfragen? Stimme nämlich voll zu!

  17. 74.

    Motte..danke für diesen tollen „Männerkommentar“! Ich bin bald 60 Jahre, emanzipiert und selbständig. Immer berufstätig. Mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen reduziert und übernehme überwiegend den häuslichen Bereich. Mit totaler Unterstützung meines Mannes, wo es geht. Ich bin nicht weniger wert deswegen. Es entscheidet sich doch jedes Paar für eine Lebensform. Wenn dies nicht mehr passt, muss man neu überlegen und „verhandeln „. Nur dieses dauernde Anklagen nervt. Es gehören doch immer zwei dazu. Scheint aber zunehmend der Ton der Gesellschaft zu werden…..traurig, denn eigentlich geht es den wenigsten wirklich schlecht. Ausnahmen bestätigen immer die Regel.

  18. 71.

    Wir sind im Dezember 38 Jahre verheiratet, so schlecht kann meine Hilfe also nicht gewesen sein, zu mal meine Frau immer mehr Einkommen hatte als ich!!!

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