Corona-Ausbruch in Potsdams größter Klinik - Leitung des Bergmann-Klinikums räumt Versäumnisse ein

So 19.04.20 | 08:20 Uhr
Das Klinikum Ernst von Bergmann (Quelle: imago images/Eberhard Thonfeld )
Video: rbb24 | 18.04.2020 | Tim Jaeger | Bild: imago-images/Eberhard Thonfeld

Nach dem schweren Coronavirus-Ausbruch hat die Leitung des Ernst von Bergmann-Klinikum erstmals Versäumnisse eingeräumt: Die Entwicklung sei nicht ausreichend erkannt worden. Nun steht die Frage im Raum, wie viele der 37 Todesfälle hätten verhindert werden können?

Nach dem schweren Ausbruch von Corona-Infektionen mit zahlreichen Todesfällen im Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann hat die Klinikleitung erstmals Versäumnisse eingeräumt. "Im Zeitraum vom 13. bis 26. März ist im Klinikum Ernst von Bergmann eine kritische Entwicklung im Rahmen der Corona-Pandemie nicht ausreichend erkannt worden", teilte die Geschäftsführung am Samstag nach einer nichtöffentlichen Beratung im Hauptausschuss der Stadtverordnetenversammlung mit.

"Dabei sind tatsächlich nachgewiesene und registrierte Infektionen bei einzelnen Mitarbeitern nicht in einen inhaltlichen Zusammenhang gebracht und tiefgreifend analysiert worden", hieß es in der Mitteilung weiter. Dies betreffe insbesondere die Abteilungen Nephrologie (Nierenkrankheiten), Urologie, Geriatrie und Allgemeinchirurgie. "Damit hätten im Rückblick unter Umständen noch fundiertere Entscheidungen getroffen werden können", räumte die
Klinikleitung ein. "Die Geschäftsführung bedauert dies sehr."

Nach Angaben der Stadt sind im EVB-Klinikum bislang 37 mit Covid-19 infizierte Patienten gestorben.

Potsdamer Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung

Inwiefern die Versäumnisse strafrechtlich relevant sind, prüft gegenwärtig die Potsdamer Staatsanwaltschaft. Man prüfe konkret die Aufnahme von Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Freitag den Potsdamer Neuesten Nachrichten. Eine entsprechende Strafanzeige hatte die deutsche Stiftung für Patientenschutz gestellt. Auch Potsdam Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte die Ermittlungsbehörde eingeschaltet, nachdem er Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen drei Ärzte und die Geschäftsführung eingeleitet hatte. Hier lautet der Verdacht Organisationsverschulden.

"Wir haben für das Misstrauen des Gesundheitsamtes und des Oberbürgermeisters absolut Verständnis - auch für Verfügungen und Anordnungen", erklärte Klinik-Geschäftsführer Steffen Grebner am Samstag dazu. "Wir werden etwaige Versäumnisse - insbesondere im Zeitraum vom 13. bis 26. März - transparent aufarbeiten und aktiv informieren", versprach Grebner.

Klinikleitung lieferte bislang keine lückenlose Dokumentation

Am Freitagabend hatte Potsdams Oberbürgermeister bei einer Aufsichtsratssitzung den Druck auf die Geschäftsführung des Klinikums wegen fehlender Unterlagen erhöht. Die Klinikleitung hatte der Stadt daraufhin eine neue Dokumentation zu den Corona-Infektionen zugesagt, sagte Schubert am Samstag in einer Sondersitzung des Hauptausschusses. Die Stadt hatte erst nach Androhung von Zwangsgeld am Donnerstag eine Dokumentation von der Klinikleitung bekommen. Schubert hatte jedoch erklärt, diese sei nicht vollständig. So gehe aus der Liste nicht hervor, welcher Mediziner mit welchen Patienten zu tun gehabt habe. 

Dazu erklärte Schubert dem rbb-Magazin "Brandenburg aktuell" am Samstag: "Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn wir diese Informationen zu Beginn des Verfahrens, also vor drei Wochen gehabt hätten. Es geht nicht bloß um die Frage: Wann reagiert man? Man hätte die Verunsicherung, die in der Öffentlichkeit entstanden ist, sicherlich anders miteinander besprechen können."

Am Dienstag werde sich der Aufsichtsrat erneut mit den Vorgängen in der Klinik befassen, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow. Für Mittwoch sei eine weitere Sitzung des Hauptausschusses anberaumt. Dabei soll es nach rbb-Informationen auch um die Frage gehen, ob es personelle Konsequenzen geben wird.

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