Risikobegegnungen in "Grün" und "Rot" - Was uns die Corona-App sagen will

Do 12.11.20 | 13:02 Uhr
Die Corona Warn-App zeigt am 5. November 2020 in Berlin auf dem Display eines Handys "Erhoetes Risiko" und "4 Risiko-Begegnungen" an (Bild: dpa/Zacharie Scheurer)
Bild: dpa/Zacharie Scheurer

Mitunter fühlt es sich an wie beim Quartett: "Ich hab heute neun Grüne", sagt eine Kollegin in der Zoom-Konferenz. "Seit ich beim Hausarzt war, habe ich vier rote Risiko-Begegnungen", kontert ein anderer Kollege. Und nun? Was die Corona-App uns sagen will und wie sie rechnet.

Mit steigenden Infektionszahlen bekommen auch immer mehr Nutzerinnen und Nutzer der Corona-Warn-App angezeigt, dass sie in den zurückliegenden Tagen in Kontakt mit einem positiv Getesteten gekommen sind. Sobald sich eine Person mithilfe des Freischaltcodes des Labors als infiziert meldet, sorgt die Warn-App automatisch dafür, dass in der Vergangenheit erfolgte Kontakte informiert werden.

Rot zeigt "erhöhtes Risiko"

Keine Handlungsbedarf besteht laut App-Anweisung bei grün eingefärbten Begegnungen (deren Datum aus Datenschutzgründen nicht angezeigt wird) mit niedrigem Risiko - auch nicht, wenn es mehrere sind. Außer natürlich, sich an die allgemein geltenden Abstands- und Hygieneregeln zu halten.

Anders sieht es aus, wenn Begegnungen mit erhöhtem Risiko in der App auftauchen. Zeigt die App ein rot eingefärbtes "erhöhtes Risiko" an, so gab es innerhalb der vergangenen 14 Tage eine Begegnung (oder mehrere) mit Corona-positiv-getesteten Personen, "die über dem definierten Schwellenwert" lagen [tagesschau.de]. Per Bluetooth-Technik wird die Dauer einer Begegnung und den Abstand zwischen App-Nutzerinnen und Nutzern gemessen; ab festgelegten Zeiten und Abständen wird ein Kontakt als "Risikobegegnung" eingestuft.

Die App zeigt nach Angaben des Robert-Koch-Instituts auch an, vor wieviel Tagen diese Begegnung stattfand; bei mehreren Begegnungen mit erhöhtem Risiko wird nur die letzte angezeigt. Kontakte, die länger als 14 Tage zurückliegen, sind nach Informationen des RKI nicht mehr für die Risiko-Ermittlung relevant.

Viele Hochrisiko-Begegnungen sorgen für Verwirrung

Wer sich wundert, dass er nach einer ersten Hochrisiko-Begegnung (App färbt sich rot) immer weitere angezeigt bekommt, hat nicht zwangsläufig noch mehr tatsächliche Hochrisiko-Begegnungen gehabt. Denn aktuell wird bei einer Statusanzeige "erhöhtes Risiko" (rot) bei der Art der Risikobegegnungen nicht weiter differenziert. Es ist also möglich, dass nur eine der Begegnungen tatsächlich die Kriterien für ein "erhöhtes Risiko" erfüllt, während die anderen Begegnungen mit "niedrigem Risiko" (grün) waren. Noch vor Weihnachten soll sich das aber ändern und präziser dargestellt werden, so das RKI.

Wenn die App auf Rot springt und im folgenden viele Risikobegegnungen anzeigt, obwohl der Nutzer nach eigenem Wissen keinen Kontakt zu anderen hatte, handelt es sich möglicherweise nicht um verschiedene infizierte Personen, denen man begegnet ist, sondern um eine Person, der man täglich nahe war. Da die App Begegnungen von bis zu acht Meter Entfernung registriert - und das auch durch Wände -, könnte es sich zum Beispiel auch um einen infizierten Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus handeln.

Auf einem Handy zeigt die Corona-Warnapp ein Niedriges Risiko an (Bild: rbb24/privat)Die Corona-App zeigt "heute" 2 Risiko-Begegnungen mit niedrigem Risiko an

Bei Rot besteht Handlungsbedarf

Nutzer werden bei "Rot" von Seiten der App aufgefordert, persönliche Kontakte zu reduzieren [rki.de]. Bei Symptomen sollen Hausarztpraxis, kassenärztlicher Bereitschaftsdienst oder Gesundheitsamt kontaktiert werden. Die Hausarztpraxis oder das Gesundheitsamt entscheiden über einen Test auf das Coronavirus. Zeigt die App "Rot", ist ein Test auch ohne Symptome kostenlos.

Es besteht bei einer roten Meldung in der App weder ein Grund zu Panik noch die Pflicht, sich in Quarantäne zu begeben. Freiwillige Quarantäne wird aber empfohlen. Menschen, die Kontakt mit einer Person mit der App-Anzeige "erhöhtes Risiko" hatten, sind nicht allein aufgrund dessen Kontaktperson I oder II Grades.

So wird das Risiko errechnet

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat als Herausgeber der Corona-App einen komplexen Berechnungsschlüssel entworfen: Begegnungen, die weniger als zehn Minuten gedauert haben, gelten dabei als unbedenklich - egal, wie nah sich die Smartphones dabei gekommen sind. Das gleiche gilt für Begegnungen, bei denen die Smartphones im Durchschnitt mehr als acht Meter voneinander entfernt waren - unabhängig davon, wie lange die Begegnung insgesamt dauerte. In solchen Fällen wird das Risiko als niedrig (grün) angezeigt, auch wenn die Kontaktperson positiv getestet wurde.

Dauerte hingegen der Kontakt mindestens zehn Minuten bei einer Entfernung von unter 1,5 Metern, ist das Risiko, sich infiziert zu haben, recht hoch. Auf der App wird dann "erhöhtes Risiko" in Rot angezeigt. Aber auch eine rote Ampel ist nur ein Hinweis, dass möglicherweise eine Infektion erfolgt sein könnte und kein eindeutiges Indiz.

Kompliziert wird es, wenn Begegnungen zwischen diesen klar definierten Bedingungen stattfanden - wenn man beispielsweise in der Bahn Bus 15 Minuten lang drei Meter von einer Person entfernt saß, die später positiv getestet wurde. Dann fließen weitere Faktoren ein. Etwa wie viele Tage seit der Begegnung vergangen sind - entsprechend unterschiedlich hoch ist die Infektiosität. Oder ob es an einem Tag mehrere solcher vagen Begegnungen mit positiv Getesteten gegeben hat. Die App-Entwickler haben die genaue Risikoermittlung auf dem Online-Dienst "GitHub", wo sie auch den Quellcode der App offengelegt haben, veröffentlicht.

Es kann zu Ungenauigkeiten kommen

Dennoch bleibt eine gewisse Ungenauigkeit in der Berechnung der Risikobegegnungen - zum Beispiel aufgrund der Technik. Smartphones sind nicht originär dafür ausgelegt, exakte Entfernungen im Nahbereich zu ermitteln. Diese geschieht aufgrund der gemessenen Abschwächung des Bluetooth-Signals, das vom Handy ausgesendet wird. Wenn es Hindernisse zwischen zwei Smartphones gibt - beispielsweise durch Wände, Körper oder wenn Handys in Handtaschen liegen - wirkt sich das auf die Signalstärke und damit auf die berechnete Entfernung aus. Ebenso kann nicht erfasst werden, ob bei den Begegnungen ein Mund-Nasen-Schutz getragen wurde. Oder ob sie im Freien oder drinnen stattfanden, was bei der Übertragung durch Aerosole eine große Rolle spielt.

Zudem findet der Austausch zwischen zwei Mobiltelefonen nur in Intervallen statt, die bis zu mehreren Minuten auseinanderliegen können. Darüber hinaus kann es zu Verzögerungen kommen, etwa wenn ein positiv Getesteter das Testergebnis nicht sofort in die App einträgt.

Sofort zu erfahren, dass man just im Moment auf eine infiziert gemeldete Person trifft, ist dabei übrigens technisch nicht möglich. Es ist aber in der Realität auch ein unwahrscheinliches Szenario, denn ab Erkennen der Infektion besteht für den oder die Betroffenen Quarantäne mit komplettem Ausgeh- und Kontaktverbot.

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