Früheres Nachtleben unter Brachfläche - Das ist die Unterwelt von Cottbus

Do 28.11.24 | 17:34 Uhr
  17
Blick auf die Brachfläche in der Cottbuser Innenstadt (Bild: Stadt Cottbus)
Stadt Cottbus
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.11.2024 | Bild: Stadt Cottbus

Seit vielen Jahren liegt eine Fläche in der besten Cottbuser Innenstadtlage brach. Früher pulsierte hier im Keller das Nachtleben. Nun gewährte die Stadt erstmals seit Jahren einen Blick in den Untergrund. Von A. Anders-Lepsch und F. Ludwig

Mitten in der Cottbuser Innenstadt bietet sich Einheimischen und Besuchern ein seltsames Bild: in bester Lage befindet sich hier, zwischen Stadthalle und dem Einkaufszentrum Blechen Carré, eine Brachfläche. Nachdem die Stadt die Fläche im letzten Jahr gekauft und begrünt hat, ist der Schandfleck etwas kleiner geworden.

Doch noch immer stehen Bauzäune auf der Fläche. Sie schützen den Zugang zu etwas, das bis heute die Sanierung und Wiedernutzung erschwert. Unter dem Unkraut und dem Beton ist die Fläche unterkellert. Nach Jahren hat die Stadt nun erstmals Journalisten einen Zugang ermöglicht - und die haben einen wahren "Lost Place" sehen können, den Untergrund von Cottbus.

Zugang zur ehemaligen Garderobe (Bild: rbb)
Zugang zur ehemaligen Garderobe | Bild: rbb

Alter Glanz ist längst verschwunden

Oberirdisch waren einst Einkaufsmöglichkeiten zu finden. Auch die beliebte Milch-Eis-Mokka-Bar befand sich hier - bei den Cottbusern wegen ihrer ikonischen Dachkonstruktion meist einfach als "das Sternchen" bekannt. Die oberirdischen Pavillons sind bereits vor Jahren abgerissen worden, als ein Investor auf dieser Fläche ein zweites Einkaufszentrum errichten wollte. Aus den Plänen wurde letztendlich nichts, jahrelang war die Fläche ungenutzt.

Mittlerweile hat die Stadt aus einem großen Teil der Fläche eine Grünanlage gemacht. Der Fußweg entlang der Straßenbahnschienen wurde erneuert und verbreitert, ein Spielplatz errichtet. Der Zugang zur Unterwelt wird allerdings noch immer von Bauzäunen geschützt. Wer hier nach unten will, muss über eine ungesicherte Treppe, Geländer gibt es keine mehr.

Die ehemalige Discothek (Bild: rbb)
Die ehemalige Discothek | Bild: rbb

Emotionale Erinnerungen an die Jugend in der DDR

Es ist eine Welt aus Erinnerungen, die sich im Keller nach der bröckeligen Treppe ausbreitet.

"Ich sehe mich vor allem in der Schlange stehen und mehrfach abgewiesen werden", erzählt der Cottbuser Journalist Heiko Portale. "Wenn du damals als junger Stürmer dort vorbeigekommen bist, dann musstest du immer ein Mädel dabeihaben, die sich am besten auch auskannte. Dann ist man reingekommen, an der langen Schlange vorbei", sagt Portale. Die Regeln an der Clubtür waren offenbar damals nicht anders als heute. Noch heute, so zeigt es eine Umfrage des rbb, sind die Erinnerungen an die Bowlingbahn und die Disco bei den Cottbusern frisch. Und es ist immer wieder zu hören - so etwas fehlt in der Innenstadt.

Zur Wahrheit gehört aber auch: die Pavillons inklusive Sternchen waren 1997 unter anderem geschlossen worden, weil die Nachfrage einfach zu gering war.

Kein "blinder Abriss" mehr

Seit 1997 wird hier nicht mehr getanzt oder gebowlt - nichts geschieht mehr hier. Das ist auch deutlich zu sehen. Schutt, Geröll, Unrat, Müll liegen überall herum. Teile der einst gelben Discowände platzen ab, im Tanzsaal ist ein Teil der Decke samt Belüftungsanlage heruntergekommen. Das wirkt bedrückend - und nicht besonders stabil.

Die ehemalige Bowlinganlage ist wiederum überraschend aufgeräumt. Viel Platz gibt es hier - allein unterirdisch rund 3.000 Quadratmeter. Muffig riecht es nicht, obwohl sich der Novemberregen seinen Weg in den Untergrund bahnt.

Doch was soll mit dem ganzen Platz passieren? Einfach zuschütten und die Ruine so beerdigen, das wolle niemand, sagt Marco Laske von der Stadtentwicklung und Koordinator des kommunalen Entwicklungsbeirats. "Das ist in der Vergangenheit genug passiert, das wir blind abgerissen haben", sagt er. "Und wenn es am Ende auch nur Lagerflächen werden würden", ergänzt er.

Beirat gibt Vorschläge ab

Der erste Kuss, der erste Korb - die Erinnerung an die Synthie-Musik der 1980er Jahre: Es besteht die Gefahr, dass all diese Erinnerungen verschüttet werden. Der Stadtverwaltung wäre damit der Ärger einer ganzen Cottbuser Generation sicher. Die Fülle an Erinnerungen hemmt laut Laske aber eine offene Diskussion über die Zukunft. "Wir können alle unfassbar schlecht finden, was hier passiert ist. Deswegen kommt es aber nicht wieder."

Die Verwaltung sei sich mit dem kommunalen Entwicklungsbeirat einig. Es soll geprüft werden, was hier machbar ist, wie der Keller in der Innenstadt noch irgendwie sinnvoll genutzt werden kann. Eine Nutzung für alle schwebt Laske vor.

Im kommenden Jahr will der kommunale Entwicklungsbeirat seine Empfehlungen vorstellen und dem Oberbürgermeister und den Stadtverordneten überreichen, sagt Laske. Wichtig sei eine Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Denn es ist auch gut möglich, dass der Zustand der ehemaligen Bowlinganlage und Diskothek zu schlecht ist.

Seit die Stadt Cottbus 2023 die Fläche offiziell übernommen hat, ist spürbar Bewegung in den ganzen Entwicklungsprozess gekommen. Doch bei einem Blick durch die zerbrochenen Glasbausteine bei der alten Garderobe stellt sich die Frage: Was wird von diesem hochemotionalen Ort zukünftig noch übrig bleiben?

Vergnügungsstätte unter der Cottbuser Innenstadt

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.11.2024, 16:10 Uhr

17 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 17.

    Cool war es, als diese "Ecke" von Cottbus noch belebt war.
    Ich persönlich bevorzugte die "neue Mok" wie sie bei uns hieß (denn es gab ja noch die alte Mok, in der Marktsraße), die Sitzgelegenheiten waren stylisch. Komisch empfinde ich die heutige Bezeichnung vom ehemaligen "Sternchen". In meiner Clique war das die "MOK" oder "Moki". Wie geschrieben, es war einmal. Das Bowlincenter war ebenfalls kultig, war es doch Bowling und kein Kegeln. Sonntag Vormittag war Einzug incl. Pilsner Bier. Und was die Disco betraf: man musste eben "Frau Emmy" kennen ( so wie Frau Helga in der Mentana)und so war die lange Schlange nur Attrappe. Mega schöne Abende (keine Nächte) haben wir dort verbracht. Aber auch dieser "Kulturtempel" musste weg. Die architektonisch stylische Brücke mit Uhr (Dank an Herrn Kettlitz für deren Erhalt bis heute) war ein Eyecatcher, aber weg damit. Das Cottbuser Stadtzentrum mutierte dank WEST(?)"Experten" zu einem Rudiment ohne Anziehungskraft. :-((

  2. 16.

    Der allergrößte Schandfleck sind und bleiben aber immer noch scheußliche Einkaufszentren, die überall Städte und Landschaften verschandeln und die Menschen zum Konsumterror anstacheln sollen.

  3. 15.

    Ich glaube, dass Sie -- eventll zu sehr -- in der Vergangenheit leben? Die beliebte Eisbar (Man denke an den wirklich sehr beliebten Musiktitel in der Mokka-Milch/Eisbar...)-- CB hatte eine! - geriet in der Wendezeit, aber sicher auch mit einer Vorgeschichte, in Schwierigkeiten. Denn die Wände im Inneren und im Keller waren etwas muffig riechend, Feuchtigkeit oder so etwas. Das konnte ein Barbetrieb unter den neuen marktwirtschaftl. Bedingungen nicht stemmen. Weil man auch nicht weiß Baufehler??? In den Würfel-"Pavillons" befanden sich ein Stoffladen mit Nähbedarf, der ab 1990 sehr kämpfen musste, eine Art Galerie mit Bilddrucken, PLatten und später CD-Verkauf. Die CDs gingen, für die LPs sah es damals schlimm aus. Dann noch der Bleikristall- /Porzellanladen mit(später/ausschließl ?)Schmuckladen. Wer kaufte in der Wendezeit edles Porzellan? Ich würde sagen, die Zeit ging darüber hinweg, o. haben Sie nach 1990 etwa Bleikristall gekauft? Trotzdem, es war besser als die jetzt Brache ü 20!

  4. 14.

    Und nicht nur dort, auch am Alex und im gedamten Ostberliner Raum wurden und werden Architekturdenkmäler von ,,Experten“ zerstört.

  5. 13.

    Ich weiß noch, wie ich zum Studienbeginn 2003 halb nackt über die ehemalige Fußgängerbrücke gehüpft bin. Im Stuk (Studentenkeller) waren wir oft feiern. Schade, dass sich diese Ecke nicht weiter entwickelt hat.

  6. 12.

    Hoffentlich macht man endlich wieder was daraus

  7. 11.

    Ähnliches gibt es auch Ffo, das Blaue Gewölbe in Neuberesinchen im WK I.

  8. 10.

    Die Pavillons waren nicht mehr "in", die Kellerräumlichkeiten schon.

  9. 9.

    Der Pächter der Teestube Lipezk wollte bleiben. Dem wurde gekündigt. Klingt komisch, ist aber so.

  10. 8.

    Ja es ist schade das der gesamte Bereich abgerissen wurde, einschließlich der Fußgängerbrücke und der Uhr. Die Pavillons, das Sternchen und der Springbrunnen waren ein „Erbe“ der DDR Baukultur und mussten weg, wie so viele andere Dinge auch. Das Problem, danach kam nix mehr.

  11. 7.

    Ich find die These auch fragwürdig. Wir waren als Gymnasiasten kurz nach der Wende gern unterwegs im Bowling, ebenso wie im nahegelegenen Stuk. An Leere kann ich mich nicht erinnern. Das war im Sternchen anders.

  12. 6.

    Vielen Dank für den Beitrag. Ich hatte mich bei Besuchen in Cottbus schon immer mal gefragt, was da wohl früher auf der Brache war.

    Das Schicksal des "Sternchen" schmerzt. Laut wikipedia stand diese Hyperbolische Paraboloidschale sogar unter Denkmalschutz. Kommt doch dem Berliner bekannt vor. Stichwort: Großgaststätte Ahornblatt auf der Fischerinsel in der Nähe vom Alex ... Hyperbolische Paraboloidschale ... Denkmalschutz ... Abriß im Jahr 2000 ... trotz vieler Proteste.

  13. 5.

    So ähnlich ist es meinem alten Studentenklub auch gegangen. "Meinem" deshalb weil ich dort, lange nach der Wende natürlich, einige Jahre Vorstand war.
    Heute sollen da "digitale Startups" und "Co-working-Spaces" einziehen, also wahnsinnig wichtiges Zeugs mit, ich vermute, sehr hoher Mieterfluktuation, weil sich kaum was davon lange halten wird.
    Aber das ist der Zeitgeist und ich bin noch nicht alt genug um darüber zu jammern.
    Nur ein bisschen schade finde ich es für die jetzige Studierendengeneration, die heute einen Ort zum Feiern weniger hat.
    Aber die haben auch viel weniger Zeit für Zerstreuungen als wir damals Anfang der 2000er.

  14. 4.

    Das ist keine steile These, sondern schlicht Fakt. Denken Sie etwa, florierende Unternehmen wären (zwangsweise) geschlossen worden?
    Ich kann es aus eigenem Erleben bestätigen: Die Pavillons waren einfach nicht mehr gefragt. Selbst das „Sternchen“ stand leer und verfiel. Heute tun immer alle so, als ob dort das blühende Leben tobte. Das Gegenteil war Mitte der 90er Jahre der Fall!

  15. 3.

    Sehr schade, das sah mal wirklich schön aus!

  16. 2.

    Wenn ich das jetzt so sehe, tränen mir die Augen. Ich selbst war Stammgast dort. Ich habe dort meine ersten Bowling Stunden verbracht oder auch nur gegessen, zur Disco war ich auch, solange es meine Zeit erlaubte. Im Schmuck Pavillon habe ich 1983 meine Eheringe gekauft, im Schallplatten Laden Klassik LP für West Bekannte und im Lipezk konnte man auch gut essen. Natürlich nicht zuvergessen , den Stern. Entweder Eisbecher oder Gin Tonic an der Bar.

  17. 1.

    "Zur Wahrheit gehört aber auch: die Pavillons inklusive Sternchen waren 1997 unter anderem geschlossen worden, weil die Nachfrage einfach zu gering war."

    Lieber RBB24: Haben Sie belastbare Daten bzw. Quellen zu dieser steilen These?

Nächster Artikel