Kommentar - BVG in der Krise: Mehr Ehrlichkeit, bitte
Bei der U-Bahn fehlen neue Züge, beim Bus das Personal. Dafür kann die derzeitige BVG-Führungsriege nichts – ihr Umgang mit der Krise ist allerdings problematisch, kommentiert Thorsten Gabriel.
Stellen Sie sich mal vor, Sie stünden an der Spitze eines großen Berliner Nahverkehrsunternehmens und müssten der Öffentlichkeit mitteilen, dass auf einer Ihrer wichtigsten Linien, der U1, zwischen Wittenbergplatz und Warschauer Straße, bis auf Weiteres erstmal nichts mehr fährt. Nur noch auf dem kleinen Drei-Stationen-Stummel zwischen Uhlandstraße und Wittenbergplatz. Wie würden Sie das sagen? Vermutlich irgendwie so: "Die Linie 1 muss leider zwischen x und y eingestellt werden, nehmen Sie bitte ersatzweise die parallel fahrende U-Bahn-Linie 3."
Und wie haben es uns die Berliner Verkehrsbetriebe vergangene Woche verkauft? Zitat: "Die U1 wurde heute aus strategischen Gründen auf den Bereich zwischen Uhlandstraße und Wittenbergplatz zurückgezogen." Jawohl: zurückgezogen! Respekt! Das ist Marketing-Blödsinn für Fortgeschrittene. Und es war kein Einzelfall. Erst vor vier Wochen hatte BVG-Chef Henrik Falk an alle Medien hinausposaunt, dass man zwar das Angebot jetzt nicht mehr weiter ausbauen könne, dass trotzdem aber etwa beim Busverkehr so viel gefahren werde "wie noch nie". Das war nicht nur übertrieben, es war schlicht falsch – wie nicht zuletzt eine Analyse des Center Nahverkehr Berlin zeigt, die der rbb jetzt öffentlich machte.
Kampagnen-Slogan bitte ernstnehmen!
Das ist für mich der eigentliche Skandal dieser "BVG-Krise". Dass vor Jahren neue U-Bahn-Züge viel zu spät bestellt wurden, dass Fahrpersonal vorne und hinten fehlt, das alles haben Henrik Falk und sein BVG-Vorstandsteam nicht zu verantworten. Aber diese Schönrederei und dieses Verschleiern ist nicht nur ärgerlich, sondern am Ende auch schädlich. Es stärkt das Misstrauen, dass das BVG-Management angemessen mit den Problemen umgeht. Und es nährt den Verdacht, dass da noch mehr kommen könnte und über das wahre Ausmaß geschwiegen wird.
Ja, die BVG bewegt trotz allem Tag für Tag Millionen Fahrgäste gut von A nach B und nein, diese Krise hat nichts mit der S-Bahn-Krise von 2009 gemein, als fast der gesamte S-Bahn-Verkehr zusammenbrach. Aber offen und ehrlich zu benennen, was ist, ist das Mindeste, was uns die BVG als Fahrgästen schuldig ist. "Weil wir dich lieben", heißt ihre Kampagne. Sehr weit scheint es mit der Liebe zu uns dann doch nicht her zu sein.
Sendung: rbb24 Abendschau, 18.09.2024, 19:30 Uhr