Zwei Wochen vor Stichtag - Mitarbeitende im Berliner Gesundheitswesen sehen bei Impfpflicht noch offene Fragen

Di 01.03.22 | 06:18 Uhr | Von Franziska Hoppen
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Eine Pflegefachkraft geht mit einer Bewohnerin durch ein Seniorenheim (Quelle: DPA/Sina Schuldt)
Audio: Inforadio | 28.02.2022 | Franziska Hoppen | Bild: DPA/Sina Schuldt

Zwei Wochen noch, dann soll sie kommen: Die Impfpflicht für Mitarbeitende in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder bei der Feuerwehr. Doch in Berlin scheinen nach wie vor entscheidende Fragen offen zu sein. Von Franziska Hoppen

Was Bärbel Arwe, Geschäftsführerin der Caritas Altenhilfe in Berlin, dem Gesundheitsausschuss berichtet, klingt besorgniserregend: Sie fürchtet mit der Impfpflicht ab dem 15. März Engpässe in der Pflege. Von ihren 1.200 Mitarbeitenden seien gut zehn Prozent nicht geimpft. "Wir steuern schon jetzt in eine systematische Überlastung und einen Versorgungsnotstand in der Pflege", sagt Arwe. An einer ihrer Sozialstationen seien 27 Prozent der Mitarbeiter nicht geimpft – 14 Personen. Könnten sie ab Mitte März nicht mehr arbeiten, müsste die Caritas zwischen 40 und 50 der Klienten dort kündigen.

Ähnlich düster ist das Szenario, das Lars Wieg von der Berliner Feuerwehr zeichnet. Dort sei das Personal ohnehin "auf Kante genäht". Dürften die acht Prozent der ungeimpften Mitarbeiter nicht mehr zur Arbeit erscheinen, hätte Berlin ein echtes Problem, so Wieg. "Irgendwann kommt dann nach dem Notruf schon ein Auto", sagt Wieg, "nur eben später."

Viele Fragen offen

Der Gesundheitsausschuss hat mehrere Gäste aus dem medizinischen und pflegenden Bereich geladen. Und sie alle sorgen sich: Was, wenn bis zum 15. März die Impfskeptiker unter ihren Mitarbeitenden nicht überzeugt werden können? Wer ersetzt sie? Und überhaupt - wie soll die Umsetzung funktionieren? Wer meldet den Impfstatus der Mitarbeitenden wann wohin? Wer verhängt die Strafen und wie sollen die aussehen? Fragen über Fragen an die Gesundheitsverwaltung.

Die Linke-Abgeordnete Stefanie Fuchs fasst die Kritik, die darin mitschwingt, so zusammen: Seit Dezember hätte man in Berlin von der Impfpflicht gewusst. Sie sei erschüttert, dass die hier geladenen Gäste so kurz vor knapp trotzdem noch maximal in der Luft hingen.

Zentrale Meldestelle beim Lageso geplant

Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) kann diese Kritik nicht ganz nachvollziehen. Hätte man andere Gäste geladen, hätten sie wohl ein anderes Bild gezeichnet. Es sei keinesfalls so, sagte sie, dass nichts bekannt und geplant sei, im Gegenteil. Dass es länger gedauert habe, liege daran, dass einige Vorgaben vom Bund erst sehr spät kamen. Es habe intensiven Austausch gegeben, Krankenhäuser und Gesundheitsstadträte seien im Detail involviert gewesen. Nun stimmen Verbände und Träger nach intensivem Austausch noch über die konkreten Schritte ab.

Bei einem Punkt seien sich jedoch alle einig, betont Gote: Berufsverbote werden nicht ausgesprochen, wenn die Versorgung von Menschen gefährdet ist. Das Szenario, dass ein Schlaganfall-Patient nicht schnell genug versorgt werden könne, das "werde nicht passieren. Genau das meinen wir: Die Versorgungssicherheit darf nicht gefährdet sein!"

Zudem habe man sich geeinigt, dass es beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) eine zentrale Meldestelle geben soll. Diese Frage war lange offen. Das heißt nun: Mitarbeitende sollen bis zum 15. März ihren Einrichtungen ihren Impfstatus mitteilen. Die Einrichtungen leiten die Infos dann an das Lageso weiter. Das wiederum prüft sie priorisiert - zuerst die Meldungen der Krankenhäuser, zuletzt die der ambulanten Pflegedienste.

Richtig konkret ist der Plan der Verwaltung noch nicht

Danach haben die Gesundheitsämter das Sagen: Sie sollen laut Gote die Sanktionen für Ungeimpfte aussprechen, also etwa Bußgelder oder Betretungsverbote erteilen. Und weil dieser ganze Prozess dauert, könnten zwischen Meldung und Verbot mindestens drei Monate vergehen. Auch das ist also eine Entwarnung vor der Angst vor einem Versorgungsengpass ab Mitte März.

Gotes Fazit ist, ihre Gesundheitsverwaltung sei keineswegs unvorbereitet: Sie handele viel mehr mit Augenmaß. "Wir setzen die Impfpflicht bedachtsam um", so die Senatorin, "von heute auf morgen werden die Einrichtungen nicht auf eine Situation gestellt, dass sie nicht mehr handlungsfähig sind."

Dennoch, ein paar Fragen werden weiterhin offenbleiben, mindestens bei den Gesundheitsämtern. Denn diese hatten sich in der Vergangenheit dagegen ausgesprochen, die Impfpflicht umzusetzen. Es gebe nicht genug Personal, das Ganze sei nicht ihre Aufgabe. Richtig konkret ist der Plan der Gesundheitsverwaltung zwei Wochen vor Beginn der Impfplicht also nicht.

Sendung: Abendschau, 28.02.2022, 19.30 Uhr

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Beitrag von Franziska Hoppen

15 Kommentare

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  1. 15.

    Die Impfung biete auch keinen Schutz vor Ansteckung. Dieses Märchen ist bereits lange auf dem Tisch.

  2. 14.

    Die Impfpflicht wurde zu Delta Zeiten beschlossen.
    Durch Omikron ist der Schutz vor Infektion rapide gesunken aber an der Entscheidung wird weiter festgehalten.
    Gäbe es morgen eine Variante bei der die Impfung keinen Schutz vor Ansteckung bieten würde, würde man auch dann an dieser Entscheidung festhalten.

  3. 13.

    „Also in meiner Ausgabe des Grundgesetzes steht etwas vom Recht auf körperliche Unversehrtheit“

    Vielleicht sollte das auch mal jemand dem Virus erzählen …

    Kein Grundrecht des Pflegepersonals ist es hingegen, die zu Pflegenden einem unnötigen Risiko auszusetzen. Wer das nicht kapiert, ist in der Pflege leider vollkommen falsch.

  4. 12.

    Meine Tochter ist im DRK klinikum Westend beschäftigt...dreimal geimpft um ihren Job zu machen. Was für eine Diskussion.
    Ich bin dreimal geimpft weil ich meinen Spaß will...

  5. 11.

    Also in meiner Ausgabe des Grundgesetzes steht etwas vom Recht auf körperliche Unversehrtheit, vielleicht sollten Sie da nochmal genauer nachlesen. Ich halte es nicht nur für ein Grundrecht, es ist tatsächlich wirklich eins.

  6. 10.

    Gerne erinnern wir uns auch an die 500 Toten von Herrn L., der leider nicht darlegen wollte, wie er darauf kam ...

    Sollte Deutschland jetzt lockern, drohen laut Gesundheitsminister Lauterbach 400 bis 500 Corona-Tote pro Tag. Wie kommt er auf diese Zahl? Das Ministerium schweigt zur Berechnung.

    https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-lauterbach-500-tote-lockerung-100.html

  7. 9.

    Und was sagen sie den Angehörigen, die auf der ganzen Welt Menschen durch Corona (das sind übrigens fast 6 Millionen inzwischen) verloren haben?!
    Pech gehabt?!
    Ihre Erklärung ist zu einfach. Da haben sie nicht genug über den Tellerrand geschaut…wie man so schön sagt…

  8. 8.

    Schade, dass Sie Demokratie und Grundrechte lustig finden"
    Ach, lustig ist es schon ab und an, was so alles für Demokratie und Grundrechte gehalten wird.

  9. 7.

    Finde ich nicht. Stimme dem Schreiber vollumfänglich zu.

    Schade, dass Sie Demokratie und Grundrechte lustig finden.

  10. 6.

    Laut Herrn Lauterbach sind im März alle Menschen geimpft, genesen oder leider tot. Aus meine Sicht ist ab heute für alle noch Lebenden die Pandemie vorbei. Ungeimpfte gelten doch ab jetzt als Genesene.

  11. 5.

    Ich habe so gelacht in diesen schweren Tagen, Ihr Kommentar macht es möglich. Infantiler Quatsch mit Soße.

  12. 4.

    Wende: Gewerkschaft lehnt Impfpflicht für Polizisten ab

    Der Berliner Landeschef der GdP sagt: Für eine Impfpflicht gäbe es aus seiner Sicht keine Grundlage – weder für die Polizei, noch für die allgemeine Pflicht. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nimmt Abstand von ihrer ursprünglichen Forderung nach einer berufsbezogenen Impfpflicht für Polizisten und Ordnungsämter.

    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/gewerkschaft-der-polizei-will-keine-impfpflicht-mehr-fuer-ihre-mitarbeiter-li.214389

  13. 3.

    Also ich finde es einen Skandal egal wie man darüber denkt, es sollte jedem selber überlassen sein sich zu impfen oder nicht und so steht es im Grundgesetz .
    Wir leben in einer Demokratie wo ein jeder frei entscheiden kann und sollte.
    Wenn das geändert wird ist die Demokratie hinfällig.
    Darüber sollte jeder mal nachdenken.
    Abgesehen seit 2 Jahren gibt es soviele Widersprüche die bis heute nicht offen diskutiert werden auch das ist wenig transparent und dadurch merkwürdig. Freies Gedanken Gut?

  14. 2.

    Als die Impfpflicht beschlossen wurde, gab es wissenschaftliche Gründe die dies rechtfertigten. Diese sind nun weggefallen.
    https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/corona-impfung-omikron-schutz-1.5504324
    Aber wieder einmal hält die Politik stur an einmal beschlossenem fest.

  15. 1.

    Die Impfpflicht naht und alle werden nervös. Ich halte die Durchsetzung der Impfpflicht für sehr fragwürdig, wenn vielleicht aus medizinischer Sicht sinnvoll. Die Politik beschließt ein solches Gesetz, ist aber weit vom Schuss bei der Durchsetzung. Die Pflegeeinrichtungen sind am beschissensden dran. Sie haben die Pflegebedürftigen an der Backe und müssen das Gesetz durchsetzen und das bei einer eh schon dünnen Personaldecke. Ich glaube das Einige Impfgegner nun mal abwarten was passiert.

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