Neue Netzwerke und viel Einschüchterung - Was aus den Demonstrationen gegen Rechts wurde

Fr 17.01.25 | 07:31 Uhr | Von Simon Wenzel
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Symbolbild: Bei einer Protestkundgebung hält eine Demonstrantin ein Protestschild in die Hoehe am 27.01.2024 in Borkheide, Brandenburg. (Quelle: dpa-Zentralbild/Sascha Steinach)
Bild: dpa-Zentralbild/Sascha Steinach

Das Treffen rechtsextremer Kreise in einem Potsdamer Hotel vor rund einem Jahr löste eine Protestwelle in Deutschland aus. Auch in Brandenburger Orten fanden große Demos gegen Rechts statt. Was wurde daraus? Von Simon Wenzel

Es ist ein Jahr vergangen, seit in mehreren Orten in Brandenburg die Menschen gegen Rechts auf die Straße gingen. Eine Recherche von "Correctiv" hatte Details zu einem Treffen von bekannten Rechtsextremen, AfD-Politikern und Unternehmern bekannt gemacht. Es ging unter anderem um Pläne für sogenannte "Remigration".

Die Enthüllungen lösten Entsetzen und Demonstrationen aus. Auch Menschen, die nach eigenen Angaben vorher nie für etwas auf die Straße gegangen waren, engagierten sich bei Demonstrationen. Der rbb sendete damals eine Reportage über die Proteste. rbb|24 hat ein Jahr später mit einigen Teilnehmern und Organisatoren damaliger Demos gesprochen. Sie berichten von unterschiedlichen Entwicklungen.

Demos in Herzberg führten zu Polarisierung

Stephanie Kammer engagiert sich immer noch für die Demokratie in Herzberg. In dem Ort im Landkreis Elbe-Elster hat sie sich vor einem Jahr an Demonstrationen gegen Rechts beteiligt, später auch mal bei der Organisation unterstützt. Kammer betreibt außerdem einen Buchladen, organisiert dort Lesungen, nicht selten mit politischen Gästen.

Seitdem hat sie immer wieder mit Anfeindungen zu kämpfen. Sie, ihr Laden, die Gäste im Laden - online wird das instrumentalisiert und angefeindet, Kammer teilweise als Kommunistin hingestellt. "Die rote Kammer" habe man sie genannt, sagt sie. Dabei sitzt sie für die CDU-Fraktion im Kreistag, als Teil einer Wählergruppe.

Die Demonstrationen nach den Recherchen von "Correctiv" zum Potsdamer Treffen hätten in ihrer Stadt zu einer Polarisierung geführt, sagt Kammer. "Es haben sich vermehrt politische Gruppen gebildet, die aktiv geworden sind - sowohl aus dem rechten Spektrum, als auch solche, die sich für Demokratie einsetzen und einen Gegenpol setzen", sagt sie. Die Menschen, die sich gegen Rechts engagieren wollten, hätten gemerkt, dass man sich stärker organisieren müsse, dass Aktionen und Initiativen notwendig seien. Seitdem gehe es darum, wer sichtbarer sei auf den Straßen, der Konflikt sei auch offen ausgetragen worden.

Neue Netzwerke machen "Hoffnung" in Südbrandenburg

Christian Nürbchen engagiert sich sich ebenfalls in Südbrandenburg gegen Rechts. In Falkenberg bei Bad Liebenwerda stand er für die SPD-Fraktion zur Wahl. Nürbchen sagt, ihm hätten die Proteste des vergangenen Jahres vor allem "Hoffnung" gegeben. Menschen, die sich engagieren und für demokratische Werte eintreten wollen, seien inzwischen vernetzt und das im ganzen Süden Brandenburgs. So könne man deutlich schneller als früher Gegendemonstrationen organisieren.

Als sich beispielswesie der rechtsextreme Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke zu einer Veranstaltung ankündigte, sei innerhalb von kurzer Zeit eine Gegendemonstration mit rund 350 Teilnehmern organisiert worden. "Das wäre früher undenkbar gewesen", sagt Nürbchen. Er kenne noch Zeiten, da wären 20 Leute zu einem solchen Gegenprotest gekommen.

Mindestens eine Demo-Initiative ist erloschen

Nicht überall sind aber Netzwerke und Demonstrationsbereitschaft geblieben. Eine Person, die vor einem Jahr eine Demo gegen Rechts organisierte, berichtet rbb|24, in ihrer Region sei die Demonstration eine "Eintagsfliege" geblieben. Namentlich genannt werden möchte die Person nicht mehr, auch der Ort in Brandenburg soll unerwähnt bleiben.

Die Organisation der Demo habe Probleme mit sich gebracht im privaten Umfeld, berichtet die Person. Keine physische Gewalt, aber unangenehme Situationen auf der Straße oder im Umfeld, bei der Arbeit oder in der Schule habe es anschließend gegeben.

Die Menschen, die sich hier vor rund einem Jahr an der Organisation der Demonstration beteiligt hätten, hätten sich allesamt von solchen Aktivitäten zurückgezogen. Man versuche jetzt, auf andere Art im kleinen Rahmen einzuwirken, in Gesprächen populistischen Aussagen zu widersprechen und trotzdem nicht die Dorfgemeinschaft zu gefährden, so die durchaus behutsam gewählte Formulierung.

rbb Reportage "Die Mutbürger"

Blumen mit Drohbotschaft, Kuhdung am Laden

Auch Christian Nürbchen wurde nach den Demonstrationen gegen Rechts bedroht, wie er sagt. Im Februar, zum Valentinstag habe er einen Blumenstrauß mit Karte bekommen. Die Absender hätten eine subtile aber eindeutige Drohung in der Botschaft verpackt. "Obwohl wir in der Distanz getrennt sind, sei man doch ganz nah bei mir und das jederzeit", sagt Nürbchen. Er hat das als Drohung verstanden.

Einmal erstattete er wegen eines anderen Vorfalls Anzeige bei der Polizei, wie er erzählt. Ziemlich schnell seien anschließend in ihm bekannten Chats rechter Gruppen Nachrichten ausgetauscht worden, die deutlich gemacht hätten, dass man von der Anzeige wisse. Ein Unsicherheitsgefühl sei das gewesen.

In den letzten Monaten haben die Drohungen etwas abgenommen. "Ich würde sagen: Die Bedrohungslage ist allgegenwärtig. Nichtmehr so schlimm wie damals, wir müssen nichtmehr dauernd mit Polizei und Verfassungsschutz reden, aber es gibt immer noch Blicke und Sprüche, die man wahrnimmt, zum Beispiel beim Einkaufen", sagt er.

Stephanie Kammer hat ebenfalls Situationen erlebt, die durchaus eine Bedrohung gegen ihre Person sein könnten. "Vor allem in den Sozialen Medien wurde das ausgetragen", sagt sie. Im Ort habe es einige "seltsame Situationen" gegeben. An ihrem Ladengeschäft habe man etwas an die Scheibe geworfen, was Kuhdung ähnelte - das könne ein "dummer Streich" sein, aber eben auch als Bedrohung gemeint.

AfD mit erfolgreicher Brandenburg-Wahl und Umfragehoch

Der AfD haben die Demonstrationen und der Aufschrei nach dem Bekanntwerden des Potsdamer Treffens nicht nachhaltig geschadet. Das zeigen die Wahlergebnisse in Brandenburg bei den Landtagswahlen im September und die aktuellen Umfragen für die Bundestagswahl. In Liebenwerda (Elbe-Elster) beispielsweise erhielt die AfD im September die meisten Stimmen. Auch im Landkreis Elbe-Elster und in Herzberg sah es so aus, mit teilweise noch deutlicherem Abstand.

"Von der anfangs beeindruckenden und breiten Mobilisierung ist wenig geblieben", sagt der Leipziger Sozialwissenschaftler Johannes Kiess [tagesschau.de]. "Die Politik ist nicht auf die Forderungen der Demonstrationen eingegangen." Seiner Beobachtung nach habe das schnell zu Frustration bei Beteiligten geführt. Die Parteien der Mitte hätten sich zwar zunächst auf die Seite der Proteste gestellt. Ein gefordertes Demokratiefördergesetz zur Stärkung der Zivilgesellschaft aber gebe es bis heute nicht. Auch das Bestreben nach einem AfD-Verbotsverfahren sei kaum vorangekommen.

Stephanie Kammer und Christian Nürbchen wollen es nicht so sehen. Trotz der Anfeindungen gegen ihre Person. Stephanie Kammer sagt: "Es ist die Frage, ist das Glas halb leer oder halb voll und was wäre gewesen, wenn wir uns zurückgezogen hätten?" Christian Nürbchen glaubt es zu wissen: Er ist sich sicher, dass die Demos, die Menschen wie sie organisiert haben geholfen haben, einen Wahlsieg der AfD in Brandenburg gerade noch so zu verhindern.

Und: Trotz der Drohungen fühlt sich Christian Nürbchen heute sicherer als vor den Demonstrationen, wie er sagt. Die erlebte Solidarität, das Netzwerk in dem man sich schnell über mögliche Bedrohungen informiert - all das habe ihm geholfen.

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Beitrag von Simon Wenzel

88 Kommentare

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  1. 88.

    Sie müssen das nicht. Meinungsaustausch heißt ja nicht, dass ich mit meiner Meinung rein komme und mit ihrer rausgehe.
    Meinungsaustausch kann aber nur stattfinden ,wenn beide Seiten frei kommunizieren können. Das ist hier nicht der Fall, also gehen die Leute zu X von Herrn Musk und lernen dort erst recht die Narrative der Rechten kennen. Typischer Schuss ins eigene Knie.

  2. 87.

    Ich kenne die hiesigen Strukturen und habe sie auch verstanden. Sie ganz offensichtlich nicht, sonst würden Sie nicht von "Staatsmedien" schreiben. Aber Sie haben hier Ihre Faktenresilienz nun mehrfach nachgewiesen und auch, dass Sie an einem sachlichen Diskurs keinerlei Interesse haben.

  3. 86.

    "Ich sprach von Cancelculture, vom Weglassen von Informationen,
    von der willkürlichen Entscheidung von Mächtigen welche Informationsquellen ich nutzen darf und welche nicht."

    Ja, Sie fabulieren herum, natürlich ohne in irgendeiner Weise konkret zu werden und Belege anzuführen. In Kommentar #81 machen Sie dann noch deutlicher, dass Sie Ihnen nicht genehme Fakten nicht akzeptieren ("Nun das mit dem Faktencheck, so beweist es die Praxis ist eben inzwischen auch zu einem Manipulationsmittel verkommen."). Sie posaunen hier regelmäßig Ihre rechtsextremen Ansichten heraus, verweigern sich aber konsequent der Sachebene.

  4. 85.

    "Ansonsten kann man Desinformation als solche erkennen, wenn man eine Behauptung einem Faktencheck unterzieht. "
    Sehr richtig, dazu müsste man aber die Ausgangsinformation, die die sie als Desinformation charakterisieren, erstmal kennen.
    Schlecht möglich wenn eine Informationsquellen abgeschaltet wird. Da war die DDR in ihrem letzten Jahrzehnt eben schon weiter.

  5. 84.

    mal ehrlich, Ihre Beiträge fand ich die zutreffendsten und klarsten hier. Bitte machen Sie weiter.

  6. 83.

    Da fragt man sich doch tatsächlich, wie Sie es geschafft haben angesichts der von Ihnen so plastisch beschriebenen Tendenzen in den Öffentlichen Ihren entlarvenden Beitrag zu veröffentlichen?

  7. 82.

    Ich schrieb ja, dass ich Ihrer Argumentation nicht folgen kann.
    Deswegen sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich Sie missverstanden habe.

  8. 81.

    Nun das mit dem Faktencheck, so beweist es die Praxis ist eben inzwischen auch zu einem Manipulationsmittel verkommen.
    Welche Haltung ich zur DDR habe ist eigentlich meine Sache. Sie werden kaum bestreiten können, dass die BRD Tendenzen zum
    Polizei- und Überwachungsstaat erkennen lassen und genau davon mit ihrer gebetsmühlenartigen DDR - Verteufelung genau davon ablenken will.
    Dazu bedarf es Fakten, die zu erwähnen in den ÖRR - Medien nahezu aussichtslos ist. Das nenne ich Staatsräson und die lässt sich mit einer freiheitlichen Grundordnung nicht vereinbaren siehe
    Art 5 GG.

  9. 79.

    Gehören Sie auch zu denen, die meinen, wenn ihnen widersprochen wird, dass sie ihre Meinung nicht sagen dürfen?
    Lesen sie mal meinen Beitrag ganz in Ruhe.
    Ich sprach von Cancelculture, vom Weglassen von Informationen,
    von der willkürlichen Entscheidung von Mächtigen welche Informationsquellen ich nutzen darf und welche nicht.
    Das hat nun so gar nichts mit ihren Unterstellungen bezüglich einer Gegenmeinung zu tun.

  10. 78.

    Bei gesunden Menschenverstand ist einem klar, wo kein Kläger da kein Richter
    Der normale Ottoverbraucher, der wird sich eine Klage nicht antun wollen.

  11. 77.

    Das ist bei den Wahlergebnissen ganz genauso. Volkes Wille? Ignorieren.
    zu:
    Keine Demo bringt etwas, wenn die Politik einfach nicht darauf reagiert und weiter so macht, wie bisher, obwohl die Umfragewerte ein Handeln dringend fordern.

  12. 76.

    Der postulierte Wille ist Ihrerseits Behauptung. Unbelegt bis hierhin. Die Folgerung danach erschließt sich daher erst recht nicht. Unabhängig davon hat die Folgerung "Mehrheit = Recht" doch in der deutschen Geschichte auch ihre Grenzen gezeigt mit Folgen, die zu verdrängen demnach auch gerade wichtiges Anliegen der Rechten ist.

  13. 75.

    Demokratie ist doch gerade der Austausch von Ideen, das Streiten um die besten Ideen und Wege. Mir scheint, 80 J. BRD haben bei so manchem das Demokratieverständnis ausgewaschen zu "maximal GroKo (2 Parteien), mehr Spektrum zählt nicht".

    Das Streiten um die besten Ideen und Wege haben die Dt. anscheinend verlernt/nie geübt. Siehe Scheitern der 3-Parteien-Variante und undifferenzierte Blöcke-Demos statt offener Streitkultur im besten demokratischen Sinne.

    Wie man sein Kreuz macht, trägt man es dann auch.

  14. 74.

    AFD bei 20% – so wie andere Parteien der Mitte auch. Die AfD ist keine Randnotiz, keine kleine Randpartei, sondern gesellschaftliche Mitte wie andere Parteien, andere Meinungen auch.

    Sie entstammt ganz wesentlich aus dem Versagen der früheren Mitteparteien angesichts wichtiger aktueller Problemstellungen. Keine Einheit, kene Verlässlichkeit, kein gesellschftlicher Konsens mehr. Rente ohne Strategie, Bildung ohne Strategie, Migration ohne Strategie, Wirtschaft ohne Strategie, globales Handeln ohne Strategie …

  15. 73.

    Aha. Daraus lese ich, dass Sie die DDR für keine Diktatur hielten, die heutige Bundesrepublik aber schon.
    Ansonsten kann man Desinformation als solche erkennen, wenn man eine Behauptung einem Faktencheck unterzieht. Aber das werden Sie ja auch nicht gelten lassen, weil Sie ja fragen werden, WER diesen Faktencheck macht bzw Sie offensichtlich der Meinung sind, dass es aufgrund diverser Interessen keine zweifelsfreie Fakten gibt. Ganz schön paranoid.

  16. 72.

    Das Problem ist nicht(nur), dass die AfD das fordert, sondern auch die Art und Weise inklusive Wortwahl, mit der sie dieses tut. Sehr oft spaltend, aggressiv, diskriminierend und abwertend.

  17. 71.

    "Es gibt allen Grund, auch dem ÖR zu misstrauen."

    Solange Fehler oder Nachlässigkeiten in der Berichterstattung gefunden, aufgedeckt und ebenso veröffentlicht werden, ist mit diesem Land alles in Ordnung. Die Leute sollen also nicht so jammern und was von Meinungsdiktatur schwafeln.

  18. 70.

    Öffentlich rechtliche Medien haben zwar staatsfern zu sein, aber das gelingt mehr schlecht als recht. Immerhin werden die Kontrollorgane nach den politischen Mehrheitsverhältnissen besetzt. Auch gibt es einen natürlichen "linksdrall" durch den Beruf des Journalisten an sich. Die reine statistische Auswertung von einer medialen Sichtbarkeit gibt den Protagonisten die Möglichkeit zu manipulieren. Wenn ich 5 x negativ (sachlich) über Partei X berichte und 5 x positiv über Partei Y dann auch noch mit Beiträgen Programmkontext erzeuge, ist von Staatsferne und Neutralität nicht mehr viel übrig

  19. 69.

    Natürlich kann ich "Neutral". Vielleicht eher im Sinne der Allparteilichkeit. Solange die Positionen nicht rechtswidrig sind. Soll jeder rechts, links oder was auch immer sein. Ist so in einer Demokratie. Hüten sollte man sich vor Verallgemeinerungen - "die" "ihr" "alle". Die Gesellschaft besteht aus vielen Individien. Derzeit will offensichtlich eine gesellschaftliche Mehrheit weniger Migration. Das die AFD dieses schon lange fordert zeigt doch nur, dass hier eher eine Gefahr von "links" droht, wenn dem "Volkswillen" nicht von der politische Mitte gefolgt wird.

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