Dolmetscher bei Polizei und Justiz - Das Sprachrohr vieler Opfer und Täter

Wenn Zeugen, Opfer oder Straftäter kein oder nur unzureichend Deutsch sprechen, beauftragen Polizei und Justiz professionelle Dolmetscher. Der Druck auf sie ist groß, die Bezahlung oft gering. Zudem hinterlassen manche Einsätze Spuren. Von Juan F. Álvarez Moreno
In einem Berliner Krankenhaus liegt eine junge Frau, die vermutlich Opfer einer Sexualstraftat wurde. Sie spricht auf Englisch und wird von der Polizei vernommen. Was sie erzählt, würde wahrscheinlich viele Menschen sprachlos machen. Mit dabei ist die Dolmetscherin Cornelia Rösel, die die Worte der jungen Frau ins Deutsche übersetzt und wiedergibt. Dank Rösel können die Beamten die Schilderungen der Frau korrekt aufschreiben. "Sie war brutal zugerichtet worden", erinnert sich Rösel an die Szene. "Und sie war in einem ähnlichen Alter wie meine Tochter."
Cornelia Rösel ist eine von vielen freiberuflichen Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die in zahlreichen Sprachen im Auftrag der Polizei und Justiz tätig sind. Ihr Job ist vielseitig: Sie sind bei Tatortbegehungen mit ausländischen Zeugen dabei, dolmetschen für Beschuldigte in Untersuchungshaft oder beraubte Touristen in der Polizeiwache; hören bei Kundgebungen ganz genau hin und flüstern Angeklagten die Worte eines Richters in deren Muttersprache ins Ohr. Nicht selten werden sie nachts von der Polizei für eine Vernehmung angerufen.
Manche Fälle sind psychisch belastend
Manchmal gibt es bei diesen Einsätzen sehr emotionale Momente. Rösel erlebe sie oft bei Aufträgen im Zusammenhang mit Sexualstraftaten. So habe sie auch schon gesehen, dass eine Frau während einer Vernehmung kollabierte und ins Krankenhaus gebracht wurde. "Ich versuche mir dann immer wieder bewusst zu machen, dass ich den Geschädigten keinen Gefallen tue, wenn ich dann ebenfalls emotional werde", sagt die Dolmetscherin. Sie sei da, um professionell zu agieren und den Frauen eine Stimme zu verleihen. "Man kann auch mal Tränen in den Augen haben, muss sich aber trotzdem zusammenreißen und sagen: Du bist jetzt das Sprachrohr."

Nach belastenden Fällen erhalten freiberufliche Dolmetscher von der Polizei keine Nachsorge oder psychologische Beratung. Der Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ), dessen Vorstandsmitglied Rösel ist, bietet in Berlin und Brandenburg deswegen nach solchen Einsätzen Zugang zu einer Psychologin an.
Dolmetscher im Auftrag der Polizei und Justiz müssen auch manchmal Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Dass es auch zu einem physischen Angriff kommen kann, zeigt ein Vorfall im vergangenen Oktober: Bei einer Kundgebung zum Nahost-Konflikt in Berlin wurde laut Angaben der Polizei ein Dolmetscher verletzt.
Polizei gibt Millionen für Dolmetscher aus
Ein weiteres Problem, von dem viele Dolmetscher berichten, ist die ungleiche Bezahlung ihrer Arbeit. Wenn die Polizei in dringenden Fällen selbst einen Dolmetscher beauftragt, wird in Berlin nach den polizeilichen Vergütungsrichtlinien ein Stundensatz von 55 Euro bezahlt, 30 Euro weniger als bei einer Beauftragung durch Gerichte oder die Staatsanwaltschaft. "Da stimmen die Verhältnisse einfach nicht", sagt Dolmetscherin Rösel. Immerhin: Hinzu kommen 45 Euro pauschal für die Fahrzeit und weitere zehn Euro für die Fahrkosten. In Brandenburg zahlen Polizei und Gerichte gleich viel.
Die Berliner Polizei gab zwischen Januar und Mitte Oktober über fünf Millionen Euro für Dolmetscherleistungen aus, wie sie auf Anfrage mitteilte. Hochgerechnet auf das ganze Jahr könnte die Summe etwa doppelt so hoch ausfallen wie noch im Jahr 2018.
Doch das Geld wird offenbar langsam ausgezahlt: Mehrere Dolmetscher im Auftrag der Polizei berichten gegenüber rbb|24, dass es im Vorjahr teilweise acht bis neun Monate dauerte, bis sie für ihre Tätigkeit bezahlt wurden. Ein Dolmetscher habe sogar dagegen vor Gericht geklagt und gewonnen. Inzwischen habe sich die Lage verbessert; nun werde nach etwa drei Monaten bezahlt.
Der BDÜ-Landesverband Berlin-Brandenburg kritisiert, dass der niedrigere Satz für polizeiliche Maßnahmen seit Jahren unverändert sei, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. "Die Polizei hat uns Veränderungen versprochen, diese bislang aber nicht umgesetzt." Auch bei der langsamen Begleichung der Rechnungen gebe es "Luft nach oben."
Oft kommt es auf die Feinheiten der Sprache an
Doch wie so oft gilt auch hier: Billiger geht immer. Denn es gibt auch Dolmetscher, die nicht mal den niedrigeren Satz erhalten. So soll die Polizei manchmal Agenturen beauftragen, die einen Teil der Honorare einbehalten und nach Dolmetschern suchen, die für weniger Geld arbeiten. "Manche Studenten, die das Geld brauchen, machen es", sagt Issa Al-Manssour, der als freiberuflicher Dolmetscher für Arabisch oft im Auftrag der Berliner Justiz tätig ist.
Seit vielen Jahren arbeitet Al-Manssour nicht mehr für die Polizei, da es sich für ihn finanziell nicht lohne. Bei Demonstrationen würde er aus politischen Gründen auch nicht arbeiten wollen. Auf seine Arbeit in Berliner Gerichten ist er stolz, er habe auch bei größeren Fällen mit zwanzig bis dreißig Zeugen gearbeitet.
"Was die Dolmetschertätigkeit interessant, aber auch anstrengend macht, ist, dass man ganz aufmerksam auf die Feinheiten der Sprache achten muss", sagt der Dolmetscher. Denn man müsse von beiden Seiten richtig verstanden werden, damit keine Missverständnisse entstehen und es möglicherweise zu einem falschen Urteil kommt, so Al-Manssour. "Dolmetscher spielen bei der Wahrheitsfindung eine zentrale Rolle."
Dabei müssen Dolmetscherinnen und Dolmetscher laut ihrem Eid das Gesagte treu und unparteiisch von einer in die andere Sprache übertragen. Trotzdem kann es vorkommen, dass ein Angeklagter versucht, den Dolmetscher auf die eigene Seite zu ziehen und von ihm eine Stellungnahme zu bekommen, wie Dolmetscherin Rösel sagt. "Da muss ich sagen: Es tut mir leid, das ist nicht meine Aufgabe, ich bin als Sprachrohr hier." In solchen Fällen werde auch das Gericht informiert.
Dolmetschen mit KI "sehr heikel"
Wie in vielen anderen Berufen könnte künftig künstliche Intelligenz (KI) die Arbeit von Dolmetschern verändern. Bei Übersetzern von Texten ist es bereits üblich, dass für die Arbeit weniger Menschen benötigt werden und diese vor allem maschinell übersetzte Texte überprüfen. In den USA wurde bereits eine Dolmetscher-KI in Asylverfahren von Menschen aus Afghanistan eingesetzt, was zu zahlreichen Fehlern in der Übertragung der Sprache führte.
Cornelia Rösel kritisiert solche Versuche, denn es sei wichtig, dass bei der Sprachmittlung ein Mensch anwesend sei, der Mimik, Gestik und Reaktionen verstehen und auch Nachfragen stellen kann. "Wenn das alles nur noch durch Maschinen geschieht, ist es sehr heikel." Sie könne sich nicht vorstellen, dass in Deutschland eine KI als Dolmetscher eingesetzt wird, wenn das Gesagte medizinische oder rechtliche Konsequenzen hat. Und sie hofft, dass das lange so bleibt: "Ich finde es immer noch einen sehr spannenden und abwechslungsreichen Beruf und denke nicht, dass er sich in absehbarer Zeit ersetzen lässt."
Nächster Artikel
IGEB, BUND und VCD - Fahrgast- und Umweltverbände kritisieren mögliche U7-Verlängerung zum BER
Unfall in Berlin-Wannsee - Zwei S-Bahn-Surfer bei Kollision mit Signalbrücke tödlich verletzt
Elbe-Elster - Reiche ist neuer Bürgermeister von Doberlug-Kirchhain
Demolierte Stadiontoiletten - Klos und Zerstörung
1:1 beim VfL Bochum - Union auf der Suche nach mehr Fußball
Fußball-Bundesliga - Diogo Leites Verletzung überschattet Unioner Punktgewinn in Bochum
Nach Abriss der A100-Brücke - Berliner Ringbahn fährt ab Montag wieder ohne Unterbrechung durch
Regionalliga Nordost - Babelsberg verliert in Zwickau, Spektakel bei Hertha Zehlendorf
3:0-Sieg zum Auftakt - BR Volleys gewinnen erstes Finalspiel gegen Lüneburg
Basketball-Bundesliga - Alba Berlin gewinnt souverän in Chemnitz
Kantersieg gegen Gladbach - Union-Frauen steigen vor Rekordkulisse in die Fußball-Bundesliga auf
11:0 gegen Bischofswerda - Viktoria Berlin setzt elf Ausrufezeichen hinter Aufstiegsziel
Einsatz in Oberhavel - Mehr als 70 Tiere bei Wohnhausbrand in Oranienburg gerettet
Polizeieinsatz - Elf Verletzte durch Pfefferspray in Cottbuser Diskothek
Berliner Behörden - Was Katzen im Tierheim mit der Verwaltungsreform zu tun haben
Kein Frühjahrshochwasser - Elbdeiche in der Prignitz leiden unter der Trockenheit
Bildergalerie | Invasive Tierarten in der Region - Diese Tiere gehören hier nicht her – und breiten sich trotzdem aus
Hassnachrichten im Netz - Brandenburger Anglerkönigin erhält nach Fang von XXL-Wels Morddrohung
Passbilder, Namensrecht, Extra-Feiertag - Das ist neu im Mai
Neue Regelung - Digitale Passbilder ersetzen ab Mai Passfotos aus Papier
Drittelmarathon in Potsdam - Staffel von Team Brandenburg jubelt beim Jubiläum des rbb-Laufs
Bauarbeiten ab Juni - Marx-Engels-Forum in Berlin-Mitte wird umgestaltet
CDU und SPD - Was die Brandenburger Basis vom schwarz-roten Koalitionsvertrag hält
1:1 beim Absteiger - Cottbus stolpert in Unterhaching
Berlin-Keuzberg - Polizei nimmt bewaffneten Mann vor Jugendzentrum fest
Rund 30 Höfe und Gärten - Baumblütenfest in Werder hat begonnen
Berliner Entertainer - Möbel von Harald Juhnke für fast 14.000 Euro versteigert
Regionalliga Nordost - BFC und Viktoria spielen unentschieden, Hertha II besiegt Meuselwitz
Bezahlbare Wohnungen - Wie Berlin den Großteil seiner Sozialwohnungen verlor
Angaben von Bausenator Gaebler - Berlin verfehlt Ziel für Wohnungsneubau erneut deutlich
Nord-Süd-Strecke in Berlin - Stellwerkstörung führt weiter zu Einschränkungen bei der S-Bahn
Die Meisterschaft der Eisbären in der Analyse - Ein Titel für Tobias Eder
Elbe-Elster - Gedenken an Opfer des NS-Regimes in ehemaligem KZ-Außenlager
150 Fahrzeuge - Bundeswehr-Konvoi auf Brandenburger Straßen unterwegs
Wetter in der Region - Sonnige Aussichten für die letzten April-Tage
Wartungsarbeiten - Elsenbrücke in Berlin-Friedrichshain am Wochenende gesperrt
Interview | Sopranist Bruno de Sá - "Ich kann mich gut mit Don Elviros gebrochenem Herzen identifizieren"
Premiere am Deutschen Theater - Ein Mann ist ein Mann
#Wiegehtesuns? | Geflüchtete aus Afghanistan - "Ich wünsche mir einen unbefristeten Aufenthaltstitel"
Landkreis Teltow-Fläming - Vermisste Zwölfjährige gefunden - Polizei ermittelt gegen Mann
1.000 Prozent Erhöhung - Streit um die Grundsteuer: Berliner Clubs vor dem Aus?
Meisterschaft verteidigt - Eisbären Berlin bejubeln gegen Köln elften DEL-Titel
Zweite Fußball-Bundesliga - Fünf Erkenntnisse aus Herthas Unentschieden gegen Magdeburg
Zweite Fußball-Bundesliga - Hertha mit glücklichem Punktgewinn gegen Magdeburg
Kommentar zum Abstieg aus der Bundesliga - Turbine Potsdam droht der Absturz in die Bedeutungslosigkeit
Nextbike - Aus für öffentliches Leihradsystem in Berlin
"Baum des Jahres" - Ist die Roteiche nun gut oder schlecht für Brandenburgs Wälder?
Neue BVG-Nutzungsordnung - Mutwilliges Offenhalten von Bus- und Bahn-Türen kann zu Geldstrafe führen
Mehrere Verkehrsverstöße - Zu schnell gefahren: Kultursenator Chialo musste Führerschein abgeben
Fußball-Bundesliga - Union Berlin vor brisantem Wiedersehen mit dem VfL Bochum
Berlin-Kreuzberg - Mann mit Reizgas besprüht, verfolgt und niedergestochen
Brandenburg - Dietmar Woidke längster amtierender Regierungschef in der Mark
"Halte an Einschätzungen fest" - Senatorin verteidigt umstrittene "Nazi"-Äußerung zu Tesla
Sparmaßnahme gekippt - Becken bestimmter Berliner Sommerbäder werden jetzt doch geheizt
Strausberg (Märkisch-Oderland) - Wie kann Brandenburg seine Kliniken für den Kriegsfall vorbereiten?
Drogenpolitik - Altlandsberg soll keinen Cannabis-Shop bekommen – vorerst
Uckermark - Verdacht auf Tierquälerei in Milchviehbetrieb: Ermittlungsverfahren eingeleitet
Berliner Nahverkehr - Kabeldiebstahl führt bis Sonntag zu Einschränkungen bei der S-Bahn
Ansage in Zug - Fahrgäste überfüllter Regionalbahn sollten keine Radfahrer mehr reinlassen
Bundesnetzagentur - Zahl der Ladepunkte für Elektroautos wächst in Berlin und Brandenburg
Gründungszentrum K.I.E.Z. in Berlin - Hilfe! Wie gründe ich ein Startup?
Berlin-Neukölln - Kondolenzbuch für Papst Franziskus in Apostolischer Nuntiatur ausgelegt