Langes Warten auf Corona-Tests - Wie die Pandemie das Berliner Testsystem überlastet

Do 29.10.20 | 06:09 Uhr
Ein Mann lässt sich an einer Corona-Teststelle für einen Test registrieren.
Bild: dpa-Symbolbild/Marijan Murat

Die Pandemie bringt Arztpraxen, Labore und Testsstellen an ihre Kapazitätsgrenzen. In Berlin können Corona-Tests oft nur noch mit tagelangem Vorlauf vereinbart werden. Manche Patienten verzichten darauf, obwohl sie Symptome bemerken. Von Roberto Jurkschat

Wer einen Termin für einen Corona-Test in Berlin haben will, muss sich vielerorts auf lange Wartezeiten gefasst machen. Am Virchow-Klinikum der Berliner Charité werden Termine derzeit mit einer Woche Vorlauf vergeben, wie Charité-Sprecherin Manuela Zingl auf Anfrage von rbb|24 sagt. "Das Angebot im Virchow-Klinikum richtet sich an symptomatische Patienten", erklärt Zingl. Ad hoc sind Besuche mit Corona-Symptomen nicht möglich, die Termine sollten vorher vereinbart werden.

Abgesehen von Anlaufstellen der Kliniken und Bezirke, können Patienten versuchen, bei Hausärzten einen Termin zu bekommen: Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin listet auf ihrer Internetseite die Berliner rund 100 Praxen auf, die Corona-Tests anbieten [kvberlin.de].

Trotz Corona-Symptomen eine Woche Wartezeit

Michel Penke hatte es Mitte Oktober zuerst beim Virchow-Klinikum versucht. Ein Termin sei ihm dort nur mit einer Woche Vorlauf angeboten worden, erklärt er rbb|24. Der 32-jährige Journalist aus Berlin-Wedding hatte zuvor bemerkt, wie er sein Essen und Getränke nicht mehr schmecken konnte. Mediziner schätzen solche Beeinträchtigungen des Geschmacks- oder Geruchssinns als typische Corona-Symptome ein.

Die Senatsverwaltung für Gesundheit empfiehlt Betroffenen in solchen Fällen, durch einen Corona-Test möglichst schnell Klarheit zu schaffen, damit weitere Ansteckungen durch einen Rückzug in Quarantäne vermieden werden können. Patienten mit Erkältungssymptomen sollten sich demnach auch testen lassen und zuhause bleiben, bis ein negatives Testergebnis vorliegt.

"Eine Woche wollte ich mit seinen Symptomen nicht auf einen Test warten, deshalb habe ich bei der Corona-Hotline des Gesundheitsamts in Mitte angerufen", sagt Michel Penke. Der Anschluss sei ständig besetzt gewesen, erst nach etwa 20 Versuchen sei er durchgekommen. Die Beratung sei für ihn dann wenig aufschlussreich gewesen: "Es hieß nur, dass ich mich an eine Arztpraxis wenden soll, die Corona-Tests anbietet", sagt Penke.

Auf den Corona-Test verzichtet

"Ich habe dann die Praxen in Mitte von der Liste der Kassenärztlichen Vereinigung abtelefoniert. Aber auch die haben höchstens Termine mit ungefähr einer Woche Vorlauf angeboten", sagt er. Er habe sich nach unzähligen Versuchen, einen schnellen Termin zu bekommen, einfach selbstständig in Quarantäne begeben - und auf einen Corona-Test verzichtet. Er könne nicht verstehen, weshalb es in Berlin nach den Pandemie-Erfahungen der vergangenen Monate noch immer kein festes Procedere für die Testung von Menschen mit Symptomen gebe.

Wie viele Berliner bei der Terminsuche in den vergangenen Wochen schon resigniert haben, lässt sich nicht genau sagen. Allerdings hängt unter anderem davon ab, welchen Teil der Pandemie die offiziellen Corona-Fallzahlen eigentlich noch abbilden.

Hausärzte machen unterschiedliche Test-Angebote

Eine Sprecherin des Bezirks Mitte räumt gegenüber rbb|24 ein, das Testangebot in Berlin sei für Patienten "verwirrend". Einerseits sind da die Praxen der Allgemeinmediziner. Einige von ihnen vergeben Termine für Corona-Tests telefonisch. Andere bieten Patienten widerum an, einfach vormittags vorbei zu kommen. Das hat in Berlin regelmäßig zur Folge, dass sich am frühen morgen riesige Warteschlangen auf Bürgersteigen bilden. Vor der Praxis der Allgemeinmedizinerin Sibylle Katzenstein in der Neuköllner Bürknerstraße war die Wartereihe schon Anfang Oktober morgens über 100 Meter lang. Mitarbeiterinnen hatten von 300 Tests pro Tag berichtet, manche Patienten sagten, sie hätten für einen Abstrich vier Stunden in der Schlange gestanden. Anfang Oktober lag die sogenannte 7-Tage-Inzidenz in Neukölln bereits über dem kritischen Wert von 50 Infektionen pro Tag, der Bezirk galt schon früh als Risikogebiet.

Inzwischen ist der Inzidenz-Wert auf mehr als 250 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gestiegen, telefonische Nachfragen konnte rbb|24 am Mittwoch keine mehr an die Praxis richten, die Leitung war dauerhaft besetzt.

Fünf Teststellen jenseits von Arztpraxen

Abgesehen von den Hausarztpraxen können Patienten in Berlin noch fünf sogenannte Corona-Untersuchungsstellen aufsuchen [berlin.de]. Dazu zählen die DRK-Kliniken in Köpenick und das Virchow-Klinikum, wo symptomatische Patienten grundsätzlich aus allen Bezirken getestet werden können. Die anderen drei Teststellen stehen nur für bestimmte Gruppen zur Verfügung.

Das "Drive By" in Reinickendorfer Teichstraße dürfen nur Anwohnern des Bezirks nutzen, die Kontakt zu einer infizierten Person hatten.

In das Abstrichzentrum in der Neuköllner Riesestraße können Menschen kommen, die in Neukölln arbeiten, wenn ihr Arbeitgeber vorab einen Termin vereinbart.

Der Bezirk Mitte hat am Rathaus Wedding einen Testplatz eingericht für "symptomatische enge Kontaktpersonen von nachgewiesenen Corona-Erkrankten". Getestet werden hier auch Bürger aus Mitte, die in sogenannten systemrelevanten Berufen arbeiten, wie etwa Pflegepersonal, Mitarbeiter von Apotheken, Polizei und Feuerwehr.

Notaufnahmen für Notfälle freihalten

Die DRK-Kliniken in Köpenick testen grundsätzlich auch ohne vorherige Anmeldung, immer montags bis freitags zwischen 9 und 12 Uhr. "Enstprechend groß ist deshalb auch der Andrang", sagt DRK-Sprecherin Brita Mathes rbb|24. Die Klinik wolle niemanden nach Hause schicken. Allerdings sei es für einen Abstrich am selben Tag wichtig, nicht zu spät in die Teststelle zu kommen.

Patienten, die Fieber haben, sich abgeschlagen fühlen, Kopfschmerzen haben oder eine Beeinträchtigung ihres Geruchs- oder Geschmackssinns bemerken, empfiehlt Oberärztin Ulrike von Arnim vom DRK-Klinikum in Berlin-Mitte, zuerst bei einem Hausarzt abzuklären, ob eine Testung erforderlich ist.

"Sind Hausarzt oder Hausärztin nicht erreichbar oder ist man gar nicht ambulant ärztlich angebunden, empfiehlt sich der Anruf beim Ärztlichen Bereitschaftsdienst der KV unter 116117", sagt die Fachärztin für Innere Medizin. Es sei für Patienten häufig nicht leicht zu entscheiden, ob die Symptome auf eine Grippe oder auf das Coronavirus zurückgingen. "Vereinfachend kann man festhalten, dass eine echte Grippe, also Influenza, in den meisten Fällen mit hohem Fieber einhergeht, welches ziemlich rasch auftritt. Ist das nicht der Fall, ist eine echte Grippe eher unwahrscheinlich."

Nach einer Ersteinschätzung erfolge eine Empfehlung zur weiteren Versorgung, gegebenenfalls eine Terminvergabe zur ärztlichen Vorstellung oder über den Hausbesuchsdienst. "Notaufnahmen sollten nur in absoluten Ausnahmefällen, bei ausgeprägter Symptomatik wie etwa Luftnot, schwerer Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes in Anspruch genommen werden nehmen", sagt von Arnim.

Bezirksverwaltung in Mitte setzt auf Schnelltests

Als Nadelöhr in der Berliner Corona-Diagnostik gelten die begrenzten Kapazitäten der Testlabore. Nach Angaben des Verbands der "Akkreditierten Labore in der Medizin" (ALM) wurden dort aus dem gesamten Stadtgebiet zuletzt mehr als 66.000 Proben pro Woche zur Analyse eingeschickt. Ausgewertet werden könnten derzeit rund 59.000 Proben in einer Woche, sagte ALM-Geschäftsführerin Cornelia Wanke rbb|24 am Mittwoch. "Jeder Materialengpass und ein weiterer Anstieg von Laborproben kann derzeit zu Verzögerungen der Ergebnisse führen. Mehr PCR-Tests können wir nicht durchführen, wir erhoffen uns aber Entlastung durch die Verbreitung von Antigen-Schnelltests."

Vor dem Hintergrund der begrenzten Corona-Testkapazitäten hatte die Bundesregierung Mitte Oktober eine neue Teststrategie beschlossen. Seither sind neben den Corona-Tests, die in Laboren analysiert werden, auch sogenannte Schnelltests erlaubt, die innerhalb weniger Minuten vor Ort ein Ergebnis liefern können. Laut dem Verband der Diagnostica-Industrie VDGH entsprechen diese sogenannten Antigentests in ihrer Genauigkeit den vom Paul-Ehrlich-Institut und vom Robert-Koch-Institut festgelegten Kriterien. Die Bundesregierung erklärt auf ihrer Internetseite [bundesregierung.de], dass diese Tests zunächst in Pflegeheimen, Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen zur Verfügung stehen und dazu beitragen sollen, eine vollständige soziale Isolation von Bewohnern und Patienten zu vermeiden.

Wie eine Sprecherin der Bezirksverwaltung in Berlin-Mitte rbb|24 bestätigte, ist der Einsatz solcher Schnelltests auch in den Einrichtungen des Bezirks geplant.

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