Gesundheitswesen - Brandenburger Pflegeschulen schlagen Alarm wegen hoher Abbrecherquote
Fast jeder Zweite, der in Brandenburg eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf beginnt, bricht diese ab. Der Pflegeschulbund kämpft seit Jahren darum, den Auszubildenden sozialpädagogische Begleiter an die Seite zu stellen - bislang vergeblich.
Sarah Wüsteneck steht kurz vor der Prüfung zur Pflegefachfrau. Einen Job hat sie in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) in einer ambulanten Pflege schon sicher. Doch immer wieder quälen sie Zweifel, ob das alles so richtig ist: anstrengende Praxiswochen in der Pflege, hohe Anforderungen in der Gesundheitsschule. Aber niemand sei da, dem sie ihre Ängste und Sorgen anvertrauen kann, klagt die Pflegeschülerin: "Die Lehrer haben nicht wirklich viel Zeit für uns. Dann hat ein Betrieb um die sechs, sieben Auszubildende und dann kann sich die Praxisleitung auch nicht um jeden Einzelnen so spezifisch kümmern. Es fehlt halt einfach die Vertrauensperson, zu der wir jedes Mal gehen können. Wo wir wissen, sie weiß bis jetzt alles über uns."
Sarah ist nicht allein mit ihren Zweifeln. Andere Mitschüler denken bereits darüber nach, die Ausbildung abzubrechen - vor allem auch jetzt vor der Prüfung, wo die Versagensangst wächst.
Aktuelle Zahlen des Pflegeschulbundes Brandenburg zeigen das Ausmaß des Problems: Seit 2021 haben 4.239 junge Menschen in Brandenburg eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf begonnen, doch 2.149 von ihnen haben die Ausbildung vorzeitig abgebrochen. Damit liegt die Abbrecherquote in Brandenburg bei 50,7 Prozent. Zum Vergleich: Im Handwerk liegt die Abbrecherquote laut der Handwerkskammer Ostbrandenburg bei weniger als 14 Prozent.
Neuer Paragraph sollte sozialpädagogische Betreuung sichern
Um die hohe Abbrecherquote zu senken, sollte die Brandenburger Schulverordnung für die Gesundheitsschulen geändert und eine sozialpädagogische Begleitung und Beratung ermöglicht werden. Darauf hätten sich das Land, die Krankenkassen, die Krankenhausgesellschaft und der Pflegeschulbund bereits 2022 geeinigt, sagte Gregor Weiß, Vorsitzender des Pflegeschulbundes, dem rbb. Das Land sollte diese Maßnahme mit rund neun Prozent fördern, die restlichen 91 Prozent hätten die Krankenkassen übernommen, so Weiß.
Ein entsprechender Paragraf (4a) zur Einführung dieser sozialpädagogischen Begleitung war bereits in den Entwurf der neuen Gesundheitsberufe-Schulverordnung aufgenommen worden. Voraussichtlich im Januar 2025 sollte die neue Verordnung in Kraft treten. Doch Ende September kam die überraschende Absage vom Finanzministerium. Demnach wolle das Ministerium der Verordnung nur zustimmen, wenn der Paragraf wieder gestrichen wird, erklärt Weiß.
Auf Anfrage von rbb|24 verweist das Finanzministerium an das Gesundheitsministerium als zuständige Behörde, die wiederum mitteilt: "Im Rahmen des Verordnungsverfahrens ist dieses Vorhaben durch das Finanzministerium aus Kostengründen aktuell abgelehnt worden." Es sei aber auch nichts zugesagt gewesen, so Gabriel Hesse, Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Das Gesundheitsministerium verweist zudem darauf, dass es sich momentan nur um Planungen handle und konkrete Aussagen erst nach der Bildung der neuen Landesregierung möglich seien.
Angespannte Situation in der Pflege könnte sich weiter zuspitzen
Derzeit finanziert das Land nach eigenen Angaben jährlich zwei Vollzeitstellen zur Umsetzung der sozialpädagogischen Begleitung in der Altenpflegehilfe-Ausbildung [lasv.brandenburg.de].
Seit Jahren kämpft der Pflegeschulbund Brandenburg für eine solche sozialpädagogische Unterstützung auch für Auszubildende in anderen Gesundheitsberufen, sagt Jaqueline Böttcher, Leiterin der Gesundheitsschule Eisenhüttenstadt und ebenfalls Vorsitzende des Pflegeschulbundes. Deswegen sei die Absage vom Land eine große Enttäuschung: "Wir waren sehr erschüttert, weil wir so lange drauf hingearbeitet haben, und wir wissen um die Notwendigkeit dieser sozialpädagogischen Betreuung", erklärt Böttcher.
Pflegeschulverband warnt vor dramatischen Folgen
Sie warnt vor dramatischen Folgen, wenn der Personalmangel im Gesundheitswesen nicht bekämpft wird. Probleme gebe es dadurch auch bei der Behandlung von Schwerstkranken auf der Intensivstation. Als Beispiel nennt Böttcher die Physiotherapie. "Wenn das nicht stattfindet - auch da wird es, auf lange Sicht, sehr viel Leid geben", erklärt die Schulleiterin.
Mit einem Brandbrief hat sich Pflegeschulbund am 21. November an verschiedene Fraktionen im Landtag gewandt. Doch bislang herrscht Stillstand in der Debatte, erklärte Gregor Weiß am Mittwoch gegenüber rbb|24.
Alternativen, die Abbrecherquote nachhaltig zu senken, sieht Jaqueline Böttcher nicht. Sie befürchtet, dass sich nun die Lage weiter verschlechtert, und nennt als Beispiel die pharmazeutisch-technischen Assistenten: "Wir sind die einzige Schule in Brandenburg", sagt Böttcher. "Wir fangen mit 24 an. Wenn davon 16 rauskommen, sind wir toll. Aber ganz ehrlich: Wir brauchen über 80 allein in Brandenburg."
Sendung: Antenne Brandenburg, 27.11.2024, 15:00 Uhr
Mit Material von Michael Lietz