Erster offizieller Corona-Fall - So geht es dem Berliner "Patient Null"

Sa 28.03.20 | 08:47 Uhr
Berlins erster offiziell bestätigter Corona-Fall "Patient Null" (Quelle: Youtube/Strg_F)
Audio: Inforadio | 27.03.2020 | Marcus Groß | Bild: Youtube/Strg_F

Vor nicht einmal vier Wochen, am 2. März, wurde Berlins erster Corona-Fall bekannt. Der 22 Jahre alte "Patient Null" wird auch einen Monat später noch immer in der Charité behandelt. Er appelliert, die Bedrohung durch das Virus ernst zu nehmen.

Was Sie jetzt wissen müssen

Hinter einer hohen Mauer liegt die Klinik für Infektiologie und Pneumologie der Berliner Charité. Die Mediziner dort sind spezialisiert auf komplexe Infektions- und Lungenerkrankungen. Berlin hat die größte derartige Isolierstation des Landes. Streng abgeschottet ist dort seit mehreren Wochen der "Patient Null" untergebracht - Berlins erster offiziell positiv auf das neuartige Coronavirus getesteter Mensch. Es ist ein 22-jähriger Mann, der im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Videokanal "STRG_F" anonym bleiben möchte. Sich selbst beschreibt er als "jung, fit und gesund". Eigentlich - denn das Coronavirus erwischte ihn nach eigenen Angaben trotzdem mit voller Wucht.

"Beispiel dafür, dass es jeden treffen kann"

Anfang März war der Student in seinem WG-Zimmer zusammengebrochen, mit starken Grippesymptomen. Er schob es zunächst auf Komplikationen nach einer Reiseimpfung, erzählt er im Videointerview über sein Handy. "Da habe ich zwei Wochen vorher schon die ganze Zeit eine Erkältung gehabt", sagt er. Er ging in diesen zwei Wochen als Praktikant jeden Tag ins Großraumbüro, zehn Kollegen saßen dort in seiner Nähe - mindestens einer wurde ebenfalls mit dem Coronavirus infiziert. Vorwürfe, das betonten die Kollegen im Gespräch mit rbb|24, mache ihm in der Firma niemand.

Testergebnis: positiv

"Ich bin natürlich die ganze Zeit davon ausgegangen: Ist nur eine Erkältung, ich bin Praktikant, ich gehe weiterhin zur Arbeit. Ich kann mir das nicht wirklich aussuchen, ich will mich auch nicht 'anstellen'", beschreibt er seine damaligen Gedanken gegenüber "STRG_F". In einem Corona-Risikogebiet sei er nicht gewesen - deshalb brachte er die Symptome auch nicht in Verbindung mit dem Virus. Seine beiden Mitbewohnerinnen fanden ihn schließen auf dem Boden seines Zimmers liegend und riefen den Rettungswagen. Dieser brachte ihn in die Notaufnahme des Virchow-Klinikums in Wedding.

Zu diesem Zeitpunkt war es in der Charité bereits Routine, bei Influenza-Anzeichen auch auf Corona zu testen. In der Rettungsstelle nahmen sie einen Abstrich und schickten ihn ins Labor. Der 22-Jährige durfte erstmal wieder nach Hause. Am Abend klingelte sein Telefon: Testergebnis positiv. 20 Minuten später holte man ihn wieder ab und brachte ihn auf die Isolierstation. "Ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass es jeden treffen kann", sagt der 22-Jährige.

"Die Schleuse geht auf, die Schleuse geht zu"

Dem jungen Mann ging es auch im Krankenhaus lange richtig schlecht, sagt der junge Patient: Schwäche, Fieber, Husten, Halsschmerzen. Inzwischen fühle er sich besser. Seine Virusbelastung ist aber immer noch hoch. Deshalb dürfe ihn auch niemand besuchen. "Es gibt mehrere Schleusen: Die Schleuse geht auf, die Schleuse geht zu, dann ziehen sie sich um und kommen in ihren Schutzanzügen herein. Währenddessen darf keiner die andere Tür aufmachen", erzählt er. Sogar der Außenbereich hinter der Station für die täglichen, zehnminütigen Ausgänge sei komplett abgesperrt, damit niemand mit den Infizierten in Kontakt komme. "Die machen das hier echt super", sagt der Patient.

Woher er das Virus habe, könne er sich nicht erklären, sagt er. Verreist war er in den Wochen vor der Erkrankung nicht. Weil er mitbekommen hat, wie schnell es gehen kann, appelliert er jetzt an sein Umfeld: "Bleibt zu Hause, habe ich denen gesagt. Es geht gerade nicht um dich. Es geht gerade um alle anderen außer dir."

Auch Mitbewohnerinnen infiziert

Wann der junge Mann wieder rauskommt, weiß er nicht. Er bleibt weiterhin aus Sicherheitsgründen isoliert. Ein Patient ist erst dann geheilt, wenn er komplett symptomfrei ist und mehrmals negativ auf das Virus getestet wurde. Das erklärt die Virologin Regina Heilbronn von der Charité: "Was noch wichtiger ist: Nachzuweisen, ob der Patient Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Das ist ein Zeichen dafür, dass er wirklich genesen ist."

Die beiden Mitbewohnerinnen haben sich ebenfalls mit dem Virus infiziert, aber ihnen ist es nicht so schlecht ergangen, wie dem 22-Jährigen. Sie sind zu Hause in Quarantäne, ihre Wohnung dürfen sie seit Wochen nicht verlassen. Weder zum Einkaufen, noch zum Spazierengehen. Der Einkauf wird ihnen zurzeit an die Tür gebracht und davor abgestellt. Wenn keiner mehr da ist, holen sie die Tüten rein. 

Das Interview geben sie am Wohnungsfenster. "Wir hatten tatsächlich keine typischen Symptome, also dieses Fieber, Husten und so weiter. Wir hatten ein bisschen Kopf- und Gliederschmerzen", erzählt eine der beiden. Sie seien aber nach dem positiven Testergebnis ihres Mitbewohners davon ausgegangen, dass sie sich angesteckt hätten. Auch sie warnten davor, das Virus zu unterschätzen - gerade weil viele Infizierte kaum oder milde Symptome zeigten.

Vorerst in Quarantäne

Mit ihrem Mitbewohner stehen sie telefonisch in Kontakt und erkundigen sich immer wieder, wie es ihm geht. "Wir haben das Glück, dass wir zu zweit in Quarantäne sitzen und uns gegenseitig haben. Andere Leute sitzen alleine, da ist es, glaube ich, nochmal schwieriger", sagt eine der beiden. Für sie und den "Patienten Null" in der Charité bleibt die Quarantäne weiter bestehen. Wie lange, das hängt von dem jeweiligen Immunsystem ab.

26 Tage nach dem ersten positiven Testergebnis in Berlin melden die Gesundheitsämter mehr als 2.000 Fälle in der Stadt - die meisten Betroffenen sind zwischen 20 und 39 Jahre alt. Wie viele Berlinerinnen und Berliner infiziert sind, ohne es zu wissen, kann niemand sagen.

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