#Wiegehtesuns? | Der Künstler - "Der Staat wird mich nicht durch die Krise schleppen"

So 09.08.20 | 09:15 Uhr
Der Kunststudent Felix Becker in seinem Atelier (Quelle: Privat)
Bild: Privat

Felix Becker, Kunststudent an der UdK, hat bereits erfolgreiche Ausstellungen hinter sich. Durch Corona platzen Folgeprojekte, finanzielle Sorgen beschäftigen ihn. Aber auch kreative Ideen nehmen Form an - ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Felix Becker, 32, studiert Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin. Erste erfolgreiche Einzelausstellungen und viele Gruppenausstellungen liegen hinter ihm. Mittlerweile hängen seine Bilder auch in den USA. Corona brachte finanzielle Sorgen und viele Fragen rund um die Soforthilfe. Doch nicht nur. Gerade beteiligt er sich an einer "Ausstellungsreihe in der Kiste". So geht es Felix:

Bis Anfang März dieses Jahres habe ich ein Auslandsemester in Marseille gemacht. Auf dem Heimweg nach Berlin erreichte mich die Nachricht, dass ich mein Atelier in der UdK nicht wiederaufbauen kann, da die Kunsthochschule aufgrund von Corona komplett zugemacht wurde.

Gemessen an dem, was ich sonst so in Nachrichten beobachte, was beispielsweise in Brasilien oder den USA passiert, hat mich Corona nahezu gar nicht tangiert. Aber natürlich betrifft es mich dennoch in mehrfacher Hinsicht: Nachdem mein Atelier in der Uni geschlossen wurde, habe ich eines in unserem Wohnzimmer eingerichtet. Jedoch konnte ich dort nur eingeschränkt arbeiten. Reihenweise Veranstaltungen auch in der Kunst-Szene wurden abgesagt: Mein Abschluss wird sich mindestens um ein halbes Jahr verschieben.

Ich habe die Soforthilfe beantragt. Ich hatte am Anfang gar keine Zweifel, dass mir das Geld zusteht. Ich sehe mich als Soloselbstständiger, ich zahle Umsatzsteuer und einen normalen Krankenkassensatz. Ich habe zu dieser Zeit auf Bezahlung von Sammlern gewartet, Messen und Ausstellungen sind ausgefallen, ich brauchte die 5.000 Euro. Und ich hoffe sehr, dass mir die IBB nicht nochmal aufs Dach steigt und das Geld zurückverlangt.

Für das kommende Förderprogramm Neustart Kultur der Stiftung Kunstfonds brauche ich mich erst gar nicht zu bewerben, da Studierende (auch in Teilzeit) von vornherein ausgeschlossen sind. Einmal mehr ist der Studentenstatus für mich nur hinderlich.

Meine Freundin hat es dennoch härter getroffen als mich. Ihre Bewerbungen waren ohne Erfolg, als wir aus Marseille zurückkamen. Also haben wir uns dazu durchgerungen, das Jobcenter anzurufen. Das Ergebnis, nachdem wir einem Antrag für Grundsicherung gestellt hatten: Meine Freundin bekommt einen Zuschuss zur Miete, der längst nicht ihren Anteil deckt. Da wir zusammenwohnen, sind wir eine Bedarfsgemeinschaft. Ich soll also von dem IBB-Zuschuss, der ja eigentlich meinen Betrieb am Leben erhalten soll, meiner Freundin die Miete bezahlen.

Was ich nun mache? Ich muss weiter Kunst verkaufen. Das ist ja aber auch mein Plan für mein Leben. Der Staat wird mich nicht durch die Krise schleppen. Es heißt ständig, keiner soll in dieser Krise leiden. Dass das nicht funktionieren kann, ist ja klar.

Ich bin kein Künstler, der 6-stellige Preise aufruft. Ich kann mir vorstellen, dass solche Verkäufe in so hohen Segmenten zurückgegangen sind. Aber eine kleine Arbeit zu verkaufen ist noch möglich. Für Musiker, die momentan keine Konzerte geben können, ist es wohl gerade deutlich schwieriger.

Wir Künstler müssen uns auch ohne Corona ständig neue Ideen einfallen lassen und mit finanziellen und räumlichen Fragen kämpfen. In der Zeit des Shutdowns hat sich ein Projekt realisieren lassen, das sich der Künstler Fabian Hub schon länger überlegt und u.a. mich dazu eingeladen hatte: eine Ausstellungsreihe in der Kiste. Beteiligt sind sechs Künstler*innen aus Helsinki, Frankfurt und Berlin. Jeder hat eine Einzelarbeit für eine eigens gebaute Kunstkiste angefertigt. Und jede Kiste ist für uns eine eigenständige Ausstellung. Insgesamt haben wir 15 Kisten gebaut, die über die Galerie Heike Strelow in Frankfurt erworben werden können.

Wir haben also an 15 verschiedenen Ausstellungen gleichzeitig gearbeitet – kommuniziert via Skype. Es gab anstrengende Videokonferenzen dank technischer Störungen, wie sie wohl gerade jeder kennt. So entstand auch der übergeordnete Titel zur Ausstellungsreihe: "Can you hear me? No, but can you see me?"

Mittlerweile konnte ich mein Atelier in der UdK wieder beziehen. Wir dürfen da wieder arbeiten, natürlich unter strengen Auflagen. Wieder ins Atelier gehen zu können, Raum zum künstlerischen Arbeiten zu haben, wieder größere Formate machen zu können, das fühlt sich gut an.

Gesprächsprotokoll: Alke Lorenzen

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