#Wiegehtesuns? | Berliner Intensivpfleger wirft hin - "Du stehst mit dem Rücken zur Wand. Und es ist niemand da. Niemand."

Mo 27.12.21 | 15:47 Uhr | Von Thomas Rostek
Intensivpfleger Arin (Quelle: upward/Rostek)
Bild: upward/Rostek

Arin ist 24 Jahre alt und hat erst vor zwei Jahren seine Ausbildung als Pfleger abgeschlossen. Jetzt ist für ihn klar: Unter den aktuellen Arbeitsbedingungen hält er den Job nicht mehr aus. Bald will er den Pflegeberuf aufgeben. Ein Gesprächsprotokoll.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Vor zwei Jahren ist Arin als frisch ausgebildeter Pfleger aus Niedersachsen nach Berlin gezogen und hat begonnen, an der Charité als Intensivpfleger zu arbeiten. Er wollte seinem Anspruch an den Job gerecht werden, schaffte das aber nur in seltenen Fällen. Die vierte Welle war für Arin wie ein Weckruf: Er möchte unter den aktuellen Bedingungen nicht länger als Pfleger arbeiten. Seine Schichten hat er bereits auf ein Minimum reduziert und will in naher Zukunft ganz aus dem Beruf ausscheiden, um sich umzuorientieren.

Im Regelfall ist montags und Anfang der Woche nie ein Tag, wo du sagen kannst: Ich gehe mit einem guten Gewissen nach Hause. Das ist wirklich selten der Fall. Wir arbeiten immer knapp an der Grenze. Und das wird heute, glaube ich, nicht anders sein. Ich mache mir auch immer ein Stück weit Sorgen, was ich heute schaffe. Ob ich das hinkriege oder nicht, ob die Zeit reicht oder ob ich nicht doch irgendwas falsch mache, gerade auch wegen der Arbeitsbelastung.

Man wurde der Arbeit in keiner Weise gerecht, die man hätte machen müssen. Du hast teilweise Patienten wochenlang begleitet und du hast alles getan. Und manchmal hast du sie betreut und betreut, kamst nach einer Woche wieder, weil du in einem anderen Zimmer warst oder auf einer anderen Ebene - und dann sind sie dir weggestorben, reihenweise.

Du musst ja auch abwägen: Was mache ich zuerst, was mache ich nicht? Und wenn du fast eine Handvoll Patienten hast, die alle Hilfe brauchen, die alle schwerstkrank sind und du überlegen musst: Was tue ich jetzt zuerst oder wo gehe ich als erstes hin? Da piept was und da macht was - du bist an so einem Punkt, du stehst mit dem Rücken zur Wand und es ist niemand da. Niemand.

Es braucht mehr Pflegekräfte! Pflegekräfte, die für diese Berufung einstehen. Die am Bett stehen, die mitarbeiten, die zusammen im Team arbeiten und die sich genauso wie ich wünschen, glücklich zu sein, mit dem was sie tun. Das passt eigentlich nicht zusammen! Aber so kann ich nicht weiterarbeiten. Ich kann’s nicht. Wirklich nicht.

Anmerkung

Die Charité wurde auf Arins Schilderungen angesprochen. Ein Sprecher hat uns folgendes geantwortet:

"Die adäquate Versorgung von Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen der Charité-Universitätsmedizin Berlin ist gewährleistet. Einzelbetrachtungen kann ich nicht bewerten und kommentieren. Die geltenden Personaluntergrenzen sind Durchschnittsbetrachtungen. Die aktuelle Pandemielage führt dazu, dass punktuell angespannte Situationen entstehen können."

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Beitrag von Thomas Rostek

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