#Wiegehtesuns? | Die Kiezcafé-Betreiberinnen - "In der Krise brauchen wir Solidarität - und guten Kuchen"

So 19.04.20 | 09:12 Uhr
Kiezcafé Pomeranze in Berlin-Neukölln (Quelle: rbb/D. Backhaus)
Bild: rbb/D. Backhaus

Wer in Corona-Zeiten in der Berliner Gastroszene überleben will, muss anpassungsfähig sein. Ein Jahr nach der Eröffnung müssen Marlene M. und Katharina H. ihr Kiezcafé unter völlig neuen Bedingungen weiterführen. Protokoll zweier findiger Unternehmerinnen.

Das Coronavirus stellt unser Leben auf den Kopf. In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.

Marlene M. (34) und Katharina H. (35) haben sich im Mai 2019 ihren Traum erfüllt und in Neukölln ihr eigenes Kiezcafé eröffnet. Dann kam Corona.  

Derzeit verkaufen wir unseren Kaffee und Kuchen, Gerichte aus regionalen und saisonalen Zutaten sowie Balkonbedarf ausschließlich mit Abstand und zum Mitnehmen beziehungsweise über unseren Onlineshop. Das war so nie der Plan: Es ging uns stets darum, einen einladenden Ort zu schaffen, an dem sich Menschen aus dem Kiez treffen können. In unserem Café fanden Konzerte, kreative Workshops und Kleidertausch-Veranstaltungen statt; Lesungen und größere Feste waren in der Planung. Jetzt müssen wir auch unsere liebsten Kunden vertrösten und unsere Laufkundschaft dazu auffordern, mehr Abstand zu halten.

Dass unsere Gäste uns in Zeiten der Krise Geschenke bringen, Unterstützung anbieten und uns auch mal ein Geburtstagsständchen vor der Tür singen, freut uns natürlich sehr. Wir hätten niemals gedacht, dass wir uns ein Jahr nach der Eröffnung komplett neu organisieren müssen. Aber wie so viele andere auch, müssen wir uns an die sehr speziellen Gegebenheiten des Wirtschaftens in der Pandemie anpassen. Eigentlich hatten wir geplant, eine Teilzeitkraft einzustellen. Stattdessen können wir nichtmal unsere drei Minijobber weiter beschäftigen.

Als sich die Krise zuspitzte, konnten wir es moralisch nicht mehr vertreten, weiterhin GästInnen in unseren Laden zu lassen. Als öffentlicher Ort tragen wir eine Verantwortung und haben das Café noch vor dem offiziellen Erlass des Senats geschlossen.

Durchatmen, verstehen, was da gerade passiert und wie die neuen Gesetze lauten.

Als entschieden wurde, dass der Außer-Haus-Verkauf weiterhin gestattet ist, haben wir uns den neuen Gegebenheiten angepasst. Natürlich gibt es einen Konflikt zwischen dem Ziel, die Ausbreitung der Infektion zu verlangsamen und dem Appell, kleine Unternehmen zu unterstützen. Das ist uns bewusst.

Ursprünglich haben wir uns für die Selbständigkeit entschieden, um selbst über unseren Laden und über die Gestaltung unserer Arbeit entscheiden zu können. Jetzt unterliegen wir ganz anderen Gesetzmäßigkeiten und Ausnahmeregelungen, die wir nicht kontrollieren können. Wir begegnen der Situation mit kreativen Lösungen und ziehen Energie daraus, dass wir weiter unsere eigenen Entscheidungen treffen können – innerhalb der Rahmenbedingungen.

Glücklicherweise helfen uns unsere GästInnen, indem sie in unserem Webshop fleißig Balkonbedarf kaufen, denn zum Gärtnern in den eigenen vier Wänden haben ja nun viele Zeit. Wir haben derweil unser Sortiment um noch mehr To-Go-Produkte erweitert, etwa karamellisiertes Popcorn und selbst gemachtes Chutney für den Abend auf dem Sofa. Wir improvisieren stetig weiter. Die Menschen brauchen Struktur, soziale Nähe, Solidarität und guten Kuchen, um durch die Krise zu kommen. Für uns geht es jetzt geht erst mal darum, mit Unterstützung unserer Stammkunden und der Hilfe durch das Land Berlin alles zu überstehen. Wir sind optimistisch.

Gesprächsprotokoll: Victor Buzalka

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