Müller kritisiert Bund - Berlin und Brandenburg ringen mit den Impf-Abläufen

Mi 13.01.21 | 23:07 Uhr
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Mehrere ältere Menschen sitzen im Wartebereich des Impfzentrums am ehemaligen Flughafen Schönefeld (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: Abendschau | 13.01.2021 | Jörn Kersten und Anja Herr | Bild: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Brandenburg will seine Impfkapazitäten erhöhen und bittet die Bürger um Geduld. Berlin hingegen sieht Handlungsbedarf beim Bund: Es brauche klare Angaben bei den Impfstoff-Lieferungen.

Berlin und Brandenburg kämpfen zurzeit mit Problemen bei den Impf-Abläufen. Während Brandenburg sich um eine bessere Organisation im Land bemüht, mahnte am Mittwoch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), die Bundesregierung zu mehr Verlässlichkeit.

So forderte Müller von der Bundesregierung klare Aussagen zu den weiteren Impfstoff-Lieferungen. Gesundheitsminister Jens Spahn habe große Hoffnungen gemacht, dass es voraussichtlich bis Sommer für alle ein Impfangebot geben wird, sagte Müller als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch im Bundestag.

Um bis zum Sommer alle Willigen zu impfen, müssten in Berlin jeden Tag 28.000 Menschen geimpft werden. Diese 28.000 Impfdosen seien zurzeit aber die Wochen- und nicht die Tageslieferung, kritisierte Müller. Es sei katastrophal, wenn vulnerable Gruppen zum Impfen eingeladen würden und dann sei kein Impfstoff da, warnte Müller.

Die Bundesländer seien auf die Organisation der Impfungen vorbereitet. Es brauche aber verlässliche Informationen über die Impfstofflieferungen.

Brandenburg will Tempo machen

Brandenburg bemüht sich derweil auf Landesebene, die bisher schleppend angelaufenen Impfungen zu beschleunigen. Am Mittwochabend verständigten sich Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) mit den Landkreisen und kreisfreien Städten auf eine Ausweitung der Impfkapazitäten. Wie Regierungssprecher Florian Engels auf Anfrage mitteilte, wurde vereinbart, die Zahl der Impfzentren von 11 auf 18 zu erhöhen.

Inzwischen hat Brandenburg im Ländervergleich etwas aufgeholt: Bei den Impfungen pro 1.000 Einwohner lag das Land mit 7,8 nach Zahlen des Robert Koch-Instituts vom Mittwoch besser als Thüringen, Baden-Württemberg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Den letzten Platz beim Impfen von Pflegeheimbewohnern gab Brandenburg an Thüringen ab. In der Mark sind bisher knapp 20.000 Menschen geimpft - 0,8 Prozent der Bevölkerung von rund 2,5 Millionen. Zunächst sind Bewohner und Personal von Pflegeheimen, Medizinpersonal und über 80-Jährige an der Reihe - das sind 280.000 Menschen.

"Das ist schwer auszuhalten"

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) verteidigte die bisherige Strategie und bat um Geduld. "Das nimmt etwas Fahrt auf, so dass ich hoffe, dass wir auch da bald besser werden", sagte sie über die Zahl der Impfungen bei einer Videokonferenz des Landtags-Gesundheitsausschusses. Bis Mitte Februar sollten alle Pflegeheimbewohner wenn gewünscht einmal geimpft werden, die Hälfte davon bereits zweimal. Sie forderte, die Reihenfolge wie vom Bund vorgegeben einzuhalten. "Ich werde permanent bestürmt: Könnt ihr nicht den noch mitimpfen? Das ist schwer auszuhalten."

Die Impfungen in ländlichen Regionen werden Nonnemacher zufolge eine Herausforderung. "Die Fläche ist natürlich ein Problem", sagte sie. "Da wird es noch ein bisschen dauern." Es werde geprüft, ob Krankenhäuser oder Reha-Kliniken auch zu Impfzentren werden können und wie diejenigen besser in die Impfzentren kommen, die schlecht mobil sind. Auch das Problem von Transporten zu den Zentren werde besprochen. "Die Decke ist halt einfach im Moment zu kurz."

Mehr Annahmen bei der Impf-Hotline

Nach dem chaotischen Start der Terminvergabe für Corona-Impfzentren über die Rufnummer 116117 sehen die Kassenärzte inzwischen eine Besserung. "Wir sind immer noch unzufrieden mit der Hotline, aber wir können in den letzten Tagen eindeutig erkennen, dass das besser wird", sagte der Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Brandenburg, Peter Noack, der Deutschen Presse-Agentur.

Am ersten Tag hätten rund 23.000 Menschen die Hotline angerufen, unter zehn Prozent der Anrufe seien angenommen worden. Das habe sich eingependelt auf bis zu 3.700 Anrufe pro Tag bei einer Annahmequote von 85 bis 90 Prozent. Noack forderte mehr Impfstoff vom Bund. "Wir können nur so viele Termine vergeben, wie gesichert Impfstoff vorhanden ist."

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22 Kommentare

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  1. 22.

    Wollen Sie damit etwa andeuten, dass man aus Erfahrung hätte wissen können, dass deutsche Behörden nicht besonders gut für eine extreme Überlast aufgestellt sind?
    Kein Vorwurf an die Menschen in den Amtsstuben oder sind Baumann und Clausen gar keine Satire?

  2. 21.

    Ich finde es schon dreist, wenn sich Herr Spahn hinstellt und die Schuld am Impfstoffmangel dem Hersteller zuschiebet. Hätte die EU unter Vorsitz Deutschlands die angebotene Menge bestellt, wäre sie jetzt auch da. Also schreckt man auch vor Unwahrheiten nicht zurück um das eigene Versagen zu vertuschen.
    Eine andere Frage, warum sind die Flughäfen noch auf, wenn ich nicht einmal meine Kinder und Enkel besuchen darf?

  3. 20.

    Das hat man davon, wenn es der EU -Ebene überlassen wird, wo es auch um Empfindlichkeiten und Eigeninteressen der einzelnen Länder geht, und nicht auschließlich um die SACHE.

  4. 19.

    Ich kann immer noch nicht verstehen, warum Spahn weniger Impfdosen als möglich bestellt hat. Das war ein grober Fehler!

  5. 18.

    Fakt ist das unsere Politiker die Pandemie perfekt meistern.
    Die Umfragewerte bezüglich der Parteien bestätigen das.
    Wenn man kaum Tote hätte dann wäre die dramatik raus. Das will derzeit bestimmt keiner der führenden Parteien.
    Also warum dann die Hauptgruppen schützen.
    Geht ja auch so.
    Viele Worte und nichts dahinter.

  6. 17.

    Also, ich darf da mal dezent an den Sommer 2015 erinnern, das überforderte LaGeSo. Auf der KFZ-Zulassungsstelle ist auch immer ordentlich Betrieb. Man könnte das Dauerstress nennen ;-)

  7. 16.

    Hat die Kantine noch offen? Sollten die nicht auch inzwischen schließen?

  8. 15.

    Ist wie in unserer Kantine: jeden Tag ist mittags völlig überraschend Mittagspause - und das Essen nicht fertig... Wie auch jedes Jahr überraschend Weihnachten ist. Völlig überraschend wurde klar, dass eine Impfung kommt und völlig überraschend stellte sich heraus, dass Brandenburg ein überaltertes Flächenland mit vielen kleinen Altenheimen ist. Und vielen bettlägrigen, dementen über 75jährigen. Und zu wenig Pflegekräften. Tja...

    Wenn man sein Land kennen würde und seine Bevölkerung, hätte man keine Impfhotline errichtet, die mehrere jüngere Familienmitglieder dazu zwingen, mehrere Tage Urlaub zu nehmen, um Termine für die alte Verwandtschaft zu ergattern.

    Noch schlimmer: wenn die Leutchen dann da sitzen, wie auf dem Foto - und es ist kein Impfstoff da!

    Verlass ist da auf nix, außer auf den Tod. Im Altenheim. Toll. Brandenburg - es könnte so einfach sein...

  9. 14.

    Genau, da müssen Leute ran die nix anderes machen als an Hand exakter Menge/Zeit Vorgaben arbeiten und denken.
    Projektleiter, Bauleiter, Produktionsleiter, Logistiker, Katastrophenschützer
    Die merken wenn es klemmt und wissen sofort wer den Knoten löst. Das ist die Stärke der deutschen Industrie. Durch gute Organisation 120% aus dem System rausholen.
    Aber um Himmels Willen keine Beamten und Behördenangestellten, die nie unter Dauerstress arbeiten mussten. Kein Vorwurf an diese Leute. Die haben einfach andere Stärken.

  10. 13.

    Das ist der entscheidende Weg zur Lösung in einem Flächenland. Da muss man auch von Anfang an in die Fläche gehen. Ja ist aufwändiger als große zentrale Lösungen. In Potsdam sollte man doch wissen, dass die Landräte und OBs mit den jetzigen Strukturen gut leben und eben keine Zentralisierung wollen. Kann man in Potsdam noch so enttäuscht sein, ist aber nun mal Fakt. 10 oder 11 große Impfzentren bedeutet lokale Unterstützung von 10 oder 11 Bürgermeistern.
    20—30 oder noch mehr kleine und noch einiges mehr an mobilen Impfmöglichkeiten ergibt eine breitere Front.
    Momentan ungenutzte Sporthallen Gaststätten gibt es einige die ein Bürgermeister innerhalb kurzer Zeit auch für ein paar 1000 Impfungen in seinem Umfeld herrichtet. Lokale Helfer mit einbinden, FFW etc. die wissen auch wer am drannsten ist. Pensionierte Ärzte gibt es noch einige auf dem Lande.
    Die Krise wird verwaltet und nicht gemanagt. Es wird geprüft ob Kliniken zum Impfen taugen? Man muss prüfen wie und nicht ob!

  11. 12.

    Bei der Bundeswehr gibt es doch auch so eine Logistikeinheit ("Nachschubtruppe"), oder? Und die verteilen das doch. Also müssten se's eigentlich draufhaben.

  12. 11.

    "So forderte Müller von der Bundesregierung klare Aussagen zu den weiteren Impfstoff-Lieferungen." Da muss ein Mißverständnis vorliegen. Merkel: Insgesamt haben wir mehr als genug Impfstoff.

    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/merkel-lobt-spahns-impfstrategie-mehr-als-genug-corona-impfstoff-17143031.html

  13. 10.

    Ich kann es immer wieder nur betonen
    Kommunen/ Behörden...können das nicht
    Eine Planung zum verimpfung (geknüpft an einen Termin mit einem Dritten, in Abhängigkeit zur terminierten Lieferung des Impfstoffs, ist für Mitarbeiter der Behörden einfach zu kompliziert. Das haben die nicht gelernt, wie soll das funktionieren???

    Solange es keinen Lieferungs- und Verteilungsplan hinsichtlich Umfang und Datum gibt, braucht man nicht einen Termin machen. Kann irgendwo jemand in der Regierung / Kommunen einen solchen Plan vorlegen?

    Das ist echt lächerlich was da abläuft, das kann vermutlich jeder Mitarbeiter einen Produktionsbetriebes besser, vermutlich sogar jeder BWL-Student. Vielleicht kann VW & Co., ihre Mitarbeiter aus dem Bereichen Planung/ Lager und Produktionen ausleihen .

  14. 8.

    "So forderte Müller von der Bundesregierung klare Aussagen zu den weiteren Impfstoff-Lieferungen. " Dazu hat Müller allen Grund, insbesondere wenn Merkel millionenfach Impfstoff abgibt.

    https://www.merkur.de/welt/corona-impfstoff-angela-merkel-deutschland-biontech-spahn-impfdosen-eu-strategie-90161026.html

    Das kostet mindestens ein halbes Jahr längeren Shutdown.

  15. 7.

    Irgendwo hakt es mächtig mit den Impfdosen. Warum wird im Pflegeheim alles gut vorbereitet und dann soll nur die Hälfte der benötigten Impfdosen geliefert werden. D.h. es werden nicht alle Bewohner geimpft, die Pflegeleitung muss nun sortieren und entscheiden wer geimpft wird. Sehr bedenklich!!

  16. 6.

    Ich schließe mich dem an.
    Es scheint jetzt wirklich aus dem Ruder gelaufen zu sein und die Ampeln stehen auf dunkelrot. Die weitaus gefährlicheren Mutationen weiten sich extrem aus und könnten geplante Strategien zunichte machen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit und hoffentlich wirken die Impfstoffe. Wir sind im Ausnahmezustand und wirklich Alle müssen jetzt an einem Strang ziehen. Ellenlange Diskussionen und gegenseitige Schuldzuweisungen bringen nur weitere Querdenker auf den Plan. Jetzt sind Sonderregelungen und strengere Maßnahmen angesagt!

  17. 5.

    Es bleibt die Frage, warum nicht von Anfang an die Landkreise und Kommunen mit ins Boot geholt wurden. War es die Arroganz im Ministerium. Anders ist nicht zu erklären, dass Frau Nonnenmacher Mitte Dezember Betriebsbereischaft der Impfzentren verkündet hat. Bemerkenswert ist auch, dass Herr Woidke, zwar zu spät, aber immerhin die LK und Kommunen einbezieht. Es wäre Frau Nonnenmachers Aufgabe gewesen. Sie hatte offensichtlich keine Lösung anzubieten. Herr Woidke sollte jetzt konsequent sein, denn die Unfähigkeit von Frau Nonnenmacher hat er durch sein Eingreifen zugegeben, und einen neuen Gesundheitsminister berufen.

  18. 4.

    Seit Monaten ist bekannt, dass die Impfungen die (bislang) vielversprechendste Lösung ist, um uns alle aus dieser Krise zu holen. Monatelang hätten Vorbereitungen getroffen werden können und dennoch ist es zum Chaos bei der Terminvergabe gekommen. Meine Mutter hat für Impftermine für drei unserer älteren Verwandten (über 80 bzw. 90) 45x vergeblich angerufen (Brandenburg). Jedes Mal sah das so aus: Erst wählen, dann über die Tastatur 1, dann 2, dann PLZ eingeben ... um dann ist sie immer wieder aus der Leitung geflogen. Wir fragen uns nun, wie das ältere Menschen bewerkstelligen, die keine Hilfe von Angehörigen haben. Fast unmöglich!
    Ich habe sehr viel Verständnis für die Einschränkungen und Einschnitte in mein Leben durch die Corona-Krise und halte mich an die Vorgaben, aber ich kann dieses Unvermögen einfach nicht nachvollziehen - zumindest nicht nach der Vorbereitungszeit. Israel zeigt zum Beispiel, dass es auch besser geht.

  19. 3.

    Ab Morgen gibt es ja das Vakzin von Moderna. Da kann Brandenburg weitere 1200 Pflegeheimbewohner impfen, um nicht wieder auf dem letzten Platz zu landen. MP Woidtke sollte Druck machen bei der EMA, damit der britische Impfstoff so schnell wie möglich grünes Licht bekommt. Bei Biontech war der Druck ja von Erfolg gekrönt.

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