Moorflächen in Brandenburg - Oderbruch streitet über Wiedervernässung von Mooren

Do 12.12.24 | 17:03 Uhr
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Morgennebel über den Wiesen und und Auen, leuchtende Sonnenstrahlen, Schlepzig, Spreewald, Brandenburg (Quelle: dpa/Bernd Bieder)
Audio: Antenne Brandenburg | 12.12.2024 | Philipp Gerstner | Bild: dpa/Bernd Bieder

Sollen bestimmte Moorflächen wieder vernässert werden? Im Oderbruch wid genau das geplant. Während Naturschützer auf Vorteile für Klima und Biodiversität hinweisen, sehen Anwohner und Landwirte Risiken für ihre Lebensgrundlage.

Im Oderbruch ist man sich über die Zukunft der trockenen Moore nicht einig: Ein geplantes Projekt im Biosphärenreservat Schorfheide zur Wiedervernässung bestimmter Flächen stößt auf Widerstand von Politikern, Anwohnern und Landwirten. Am Mittwoch stimmten mehrere Fraktionen des Kreistags Märkisch-Oderland einem Antrag zu, der den Landkreis auffordert, das Vorhaben abzulehnen. Dieser Beschluss hat zwar keine rechtlichen Konsequenzen, sendet jedoch ein klares politisches Signal.

Kritiker: Projekt gefährde Landnutzung

Die Fraktion der Bauern und des ländlichen Raums positionierte sich gemeinsam mit CDU, SPD und FDP gegen das Projekt in seiner jetzigen Form. Bisherige Formen der Landnutzung seien "stark gefährdet", hieß es in dem Antrag. Schäden an der Infrastruktur seien nicht auszuschließen. Zudem sei unklar, wie sich das Vorhaben auf den Hochwasserschutz auswirken könnte. Auch eine finanzielle Absicherung für potenzielle Spätfolgen fehle, so die Kritik.

Das geplante Naturschutzgroßprojekt "Niederoderbruch und Unteres Finowtal" wurde vom Biosphärenreservat Schorfheide Chorin in Zusammenarbeit mit der Umweltorganisation WWF Deutschland und der Nabu-Stiftung Nationales Naturerbe entwickelt. Ziel sei, die hydrologischen Bedingungen und die Biodiversität in der Region zu verbessern. Die Kosten werden auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt, finanziert aus Mitteln des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz des Bundes.

Es geht um etwa 1.500 Hektar

Laut Landesumweltamt umfasst das Projekt 7.000 Hektar, von denen maximal 1.500 Hektar wieder vernässt werden sollen. Welche Gebiete das sind, soll in einer dreijährigen Prüfungs-, Beteiligungs- und Planungsphase geklärt werden. Dabei sollen die Wasserstände "so bodennah wie für die Landwirtschaftsbetriebe möglich" angehoben werden, jedoch ohne eine Überflutung der Flächen. Auf den restlichen 5.500 Hektar sollen unter anderem Steppenrasen wiederhergestellt und verrohrten Mühlenfließen renaturiert werden.

Rund 95 Prozent der früheren Moorflächen in Brandenburg wurden trockengelegt und zu Weiden oder Äckern umfunktioniert. Albert Wotke, WWF-Programmleiter für Flächennaturschutz, warnt vor den Folgen des Moorabbaus. So wachse der Moorkörper etwa einen Millimeter pro Jahr, wenn die Fläche mit Wasser gut versorgt wird, trocken verliere er aber im selben Zeitraum eins bis zwei Zentimeter. Das Einsacken und die Zersetzung des Torfs verursachen den Ausstoß von CO2, das im Moor gespeichert ist. "In Brandenburg ist der CO2-Austoß aus den Mooren größer als der Ausstoß im Verkehrssektor", so Wotke. Laut dem Greifswald Moor Centrum geht es um 7,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.

Deswegen sei wichtig, etwa ein Viertel der Moore wieder zu vernässen, sagt Wotke. Aktuell werde im Niederoderbruch viel Wasser aus dem Boden abgepumpt, so dass die oberen 50 Zentimeter trockenbleiben. Mit dem Projekt soll der Wasserstand angehoben werden, fast bis zur Bodenfläche. Dabei soll die Hochwassergefahr nicht steigen, denn funktionierende Moore könnten Wasser schneller aufnehmen. Für Folgeschäden sollen die Projektträger die Haftung übernehmen, außerdem beruhe alles auf freiwilliger Basis. Nichtstun habe schwere Konsequenzen: "Irgendwann ist das Moor zu Ende und es kann nicht mehr Landwirtschaft betrieben werden, dann ist alles kaputt."

Landesbauernverband kritisiert Vorhaben

Doch damit können die Projektinitiatoren viele Menschen im Oderbruch nicht überzeugen. Der Anwohner Andre Werner befürchtet "massive Wertverluste" durch die Wiedervernässung. Er wohnt in einer Doppelhaushälfte in Neutrebbin. "Diese Grundstücke werden nicht mehr kreditiert, die Gebäude werden nicht mehr gegen Elementarschäden versichbar sein, es werden keine Hypotheken mehr dafür möglich sein, was die Grundstücke unverkäuflich macht", kritisiert Werner.

Auch die Landwirte haben Angst um ihre Zukunft. Sollten die Pegel auf etwa 20 Zentimeter unter Flur angehoben werden, müssten sie ihre Betriebe komplett umstellen, so die Kritik. "Wie geben dieses Land in den Händen von Stiftungen, die erstens nicht ortsansässig sind, zweitens der Bewirtschaftung fremd sind – das sind keine Landwirte, die hier Flächen erwerben werden – und sie werden den Nutzern und Landwirten entzogen", kritisiert Henrik Wendorff, Vorsitzender des Landesbauernverbands. Das führe zu einer großen Unsicherheit und Ablehnung, so Wendorff.

Projektträger: "Wir werden mit allen reden"

Anderer Meinung ist Tobias Rohrberg, Mitglied der Grünen-Fraktion im Kreistag: "Es ist wichtig, nicht nur auf die wichtigen Sorgen zu schauen, sondern auch auf die Chancen", sagt er. Seine Fraktion hatte in einem Änderungsantrag den Kreistag aufgefordert, sich kritisch und konstruktiv in der Planungsphase einzubringen. Denn es gebe offensichtliche Probleme wie die Sommertrockenheit, die bewältigt werden müssen. "Es ist schade, dass diese Argumente nicht durchdringen", sagt Rohrberg.

Die Wiedervernässung des Oderbruchs sorgt weiterhin für viel Diskussionsstoff. Bis auf die drei Abgeordneten der Grünenfraktion und zwei Enthaltungen stimmten alle anderen Kreistagsabgeordnete gegen die Vernässung des Oderbruchs. Die dreijährige Planungsphase wollen die Abgeordneten nicht abwarten, denn schon mit Projektstart sollen Flächen angekauft werden.

"Wir werden die ersten drei Jahren planen und mit allen reden. Ich würde mir wünschen, dass die Bevölkerung, die Landwirte, die Eigentümer offen mit uns diskutieren", sagt Albert Wotke vom WWF. Nur wenn die Betroffene einverstanden sind, werde zu Maßnahmen kommen, sagt der Programmmleiter.

Sendung: Antenne Brandenburg, 12.12.2024, 15:40 Uhr

Mit Material von Philipp Gerstner

24 Kommentare

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  1. 24.

    Ich würde politischen Entscheidungsträger*innen und deren Vorfeld empfehlen, die jeweiligen wissenschaftlichen Dienste der Landtage bzw. des Bundestags anzurufen, Fachausschüssen beizuwohnen oder deren Protokolle zu lesen und allgemein die Expertise an öffentlichen Hochschulen zu den jeweiligen Themengebieten anzurufen. Stattdessen herrschen plumpe Panikmache, Polarisierung und eine Unfähigkeit mit Herausforderungen umzugehen. Landwirtschaft und Wiedervernässung von Mooren stehen sich eben nicht entgegen. Ohne den Abfluss von Wasser aus Tagebauen werden ganze Flüsse trocken fallen im Hochsommer. Es braucht für den Wasserhaushalt eigene Ressourcen, so viel Wasser wie möglich halten zu können. Dafür sind Moore bereits unerlässlich, für die CO²-Speicherung und nicht -emission, wie der Bericht fälschlich behauptet, ebenso. Kleinliche und teils rechtsextrem vernetzte WIrtschaftslobbys, s. "Bauernproteste", die ein 'Früher' erhalten wollen, das es nie gab, sind keine gute Beratung.

  2. 23.

    Äh, haben Sie sich mal mit der Geschichte des Bruchs auseinandergesetzt?

  3. 22.

    jein.

    Sie haben recht dass ein feuchter Boden eine bessere Wasseraufnahme zulässt. Allerdings nur bis dahin wo das Wasser steht. Wenn die Wasserkante wie bisher bei -50cm liegt, ist die mögliche Durchtrockenheitsschicht sowieso vergleichsweise schmal, dh. der Boden ist sowieso schon ziemlich feucht in Vergleich zu manch anderen Brandenburger Böden. Wenn die Wasserkante bei -20cm liegt, wird das Aufnahmevolumen stark verringert, weil dann, modulo ein bisschen mehr hydrostatischen Druck, einfach nur noch 20 cm aufgefüllt werden können.

  4. 21.

    Vielen Dank! Hier auf Seite 20: https://lfu.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Machbarkeit-Moorschutz-BB.3995074.pdf
    habe ich noch folgendes gefunden:
    "In der gemeinsamen Diskussion bestand fachlicher Konsens, dass ein Großteil der Fläche des Na-
    tionalparks keine Torfe im Untergrund aufweist und es sich daher nicht um ein Moor im boden-
    kundlich definierten Sinn handelt. Herr Tautenhahn verwendet jedoch den Begriff „Auen-
    Überflutungsmoor“ zur Kennzeichnung der wasserwirtschaftlich und hydrologisch speziellen Be-
    sonderheit der regelmäßig überfluteten Niederungsgebiete innerhalb des Nationalparks und verwies
    auf diese landesweit einmalige Situation"
    Kommentar 8. habe ich nicht geschrieben.

  5. 18.

    Ja, wenn man Überschwemmungsflächen zu Baugrundstücken macht um diese gewinnbringend verkauft, ist dort das Problem zu sehen. Mir ist nicht klar wie man in ein ursprüngliches Überflutungsgebiet ziehen kann und sich dann aufregt, wenn es da zu Überflutungen kommt oder die Flächen wieder für die Umwelt freigegeben werden. Es müsste doch mittlerweile jeder verstanden haben das wir solche renaturierte Flächen brauchen. Immerhin geht es hier um einen Bruchteil vom ursprünglichen Gebiet. Auch für die Bauern ist Biodiversität wichtig.

  6. 17.

    Ja, bitte die Moore wieder renaturieren.

  7. 16.

    Erzählen sie doch keinen Quatsch.
    Das Vernässen des Oderbruchs verschlimmert nicht die Schäden von Hochwassern, sondern im Gegenteil vermindert sie.
    Das kommt daher, dass durch die Vernässung die Böden mehr Wasser aufnehmen kann. Dadurch kommt es seltener beziehungsweise wenn doch dann zu Hochwasser deren Auswirkungen weit weniger schlimm sind als es mit entwässerten Mooren wäre.
    Daher macht es schon Sinn das man bei den Deichen kürzt, weil die Moore jetzt die Funktion des Hochwasserschutzes mitübernehmen, was man relativ einfach am Konzept der Ökosystemdienstleistung verstehen kann.
    Das es dann aber durch den höheren Wasserspiegel natürlich zu mehr Kellerüberschwemmungen kommen könnte ist eine legitime Sorge.
    Der Punkt mit den Gewerbegebieten ist einfach hahnebüchen, weil Deutschland bis 2030 nur 30ha pro Tag verbrauchen will aber selbst jetzt 55ha verbraucht.
    Da ist nun mal jetzt Effizienz und nicht Breite der König auch wenn die Kommunalpolitik sich schwertut damit.

  8. 15.

    Das ist ähnlich wie in küstennahen Gebieten. Informationen für den Oderbruch hinsicht Schöpfwerke und Wassermanagement erhalten sie unter https://www.gedo-seelow.de/schoepfswerke.html

  9. 14.

    Tja, wie so oft eine Entscheidung zwischen Nutz- und Wirtschaftsflächen oder Natur. Fast immer wird für ersteres entschieden.

  10. 13.

    Ich kann die Betroffenen gut verstehen, ich wohne zwar nicht im Oderbruch, sondern in Bad Liebenwerda, aber hier soll ebenfalls "vernässt " werden. Mein Eigenheim hätte dann öfter als so schon, Wasser im Keller. Die Maßnahme sollte im Oktober beginnen, ruht aber immer noch. Ich hoffe noch sehr lange, denn das Geld ist knapp.
    Der letzte Satz im Bericht hat mir besonders gefallen, wenn so gehandelt würde, dürften solche Projekte kaum noch realisierbar sein.

  11. 12.

    Als Anwohner wird mein Haus, dass gut 150 Jahre alt ist, nicht trocken bleiben, so wie viele andere Häuser auch. Somit ist langfristig ein Leben nicht mehr möglich oder ich müsste mein Haus auf Stelzen setzen.
    Anstatt die Moore wieder zu vernässen sollte lieber dafür gesorgt werden, dass der ÖPNV wieder bzw. besser aktiviert wird. Dann würde auch ich mein Auto stehen lassen und CO2 einsparen. Aber bei 5 Busverbindungen, außerhalb der Schulzeit, nicht möglich.

  12. 11.

    Nach diesem Artikel hier wurden bereits im 18. Jhd. durch eine Änderung des Laufes der Oder in sehr kurzer Zeit 32500 ha Ackerland neu gewonnen. Kürzerer, begradigter Flußlauf bringt schnelleren, stärkeren Wasserabfluß:

    https://radtouren.info/trockenlegung-des-oderbruchs/

    Was an Wasser heutzutage wohin abgepumpt wird, konnte ich auf die Schnelle nicht erfolgreich recherchieren.

    Gruß
    Navan

  13. 10.

    Es werden verschiedene Dinge vermischt.
    1.) Die Moorwiedervernässung
    betrifft den Abfluss des Oderbruchs. Dieser wird durch die Vermoorung verhindert und führt bei Hochwasser im Oderbruch zu Schäden.
    2.) Uberschwemmungsgebiete im Oderbruch Die Ausschreibung von Wohn-und Gewerbegebieten sowie landwirtschaftlichen Flächen, zu Überschwemmungsgebieten, die über Nacht wertlos werden.
    3.) Mittelkürzung der Deicherhaltung von 400T€ /Jahr
    Bitte mehr Sorgfalt!

  14. 9.

    Der Alte Fritz wird sich in seinem feuchten Grabe umdrehen.

  15. 8.

    Diese großflächige Schrumpfen der brandenburger Dörfer und Kleinstädte, hängt aber erwiesener Maßen auch am Erstarken dieser sogenannten ,,AfD'' und ihre Ziehkinder, JA und dritter weg, sowie den vielen Reichsbürgern hier! Dieses Klientel, möchte kein vernünftiger Bürger als Nachbarn haben!

  16. 7.

    Ich gebe Ihnen völlig recht. Seit Jahrhunderten bedrängen die Menschen das Oderbruch, legen es trocken, versiegeln die Flächen, deichen es ein. Das muss ein Ende haben!

    Gruß
    Navan

  17. 6.

    Sollen unsere keller wieder volllaufen wie vor ein paar Jahren beim grossen Binnenhochwasser
    Oder ist geplant, dass wir alle wegziehen

  18. 5.

    Wo kein Wasser, da kein Leben.

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