Fünf Wochen schulfrei - Dienstag kommt Emil, Mittwoch kommen Julian und Jonathan

Mo 16.03.20 | 13:28 Uhr | Von Sabine Krüger
Archivbild: Kinder beim Fußballspiel auf einem Bolzplatz in Berlin-Mitte. (Quelle: dpa/Karl-Heinz Spremberg)
Bild: dpa/Karl-Heinz Spremberg

Fünf Wochen schulfrei. Was der Traum aller Schüler ist, kann sich zum Angstgegner für Eltern entwickeln. Insbesondere, wenn sie ein energiegeladenes Kind haben und selbst arbeiten müssen. Deshalb bekommt Ben wider besseres Wissen Besuch. Von Sabine Krüger

Was Sie jetzt wissen müssen

Am Dienstagmorgen um acht Uhr kommt Emil zu uns. Am Mittwoch stoßen außerdem noch Julian und Jonathan dazu. Denn die Schule ist dicht, und wir Eltern haben uns abgesprochen, unsere – vornehmlich Einzelkinder – gemeinsam zu betreuen. Damit sie und wir nicht verrückt werden.

Ben braucht Bewegung - am besten mit Gleichaltrigen

Mein Sohn Ben* ist neun Jahre alt und hat keine Geschwister. Das war nicht so geplant, aber immer in Ordnung. Jetzt fällt es uns erstmals vor die Füße. Denn wenn jetzt keine Schule mehr stattfindet, was natürlich sinnvoll ist, um das Coronavirus nicht weiter zu verbreiten, beginnt für Ben eine Zeit der sozialen Isolation. Und die wird ihm besonders schwerfallen, denn Ben ist außergewöhnlich energetisch. Nein, er hat keine ADHS-Diagnose und ist auch kein Zappelphilipp. Aber wenn er sich nicht mindestens zwei bis drei Stunden am Tag möglichst spielerisch bewegen kann, ist er unausstehlich.

Die Bewegung holt er sich normalerweise selbst - am liebsten mit Gleichaltrigen. Er hat glücklicherweise einige Freunde, die genauso sportbegeistert sind wie er. Doch Fußballtraining und -spiele sind, genau wie der Tischtennis-Kurs, schon seit letzter Woche ausgesetzt.

Am Wochenende haben die Eltern ja Zeit

Das Wochenende hat mein Kind auf seinem relativ neuen Fahrrad verbracht. Ein kicherndes "Los, ihr lahmen Enten", war wohl das, was mein Mann und ich am meisten von ihm gehört haben bei unseren Ausfahrten. Sobald er – uns vorausfahrend – an einer Wiese vorbeikam, auf der Fußball gespielt wurde, hat er das Rad an den nächsten Baum gelehnt und hat enthusiastisch gefragt, ob er mitspielen darf. Ich mag das am Fußball normalerweise. Es bringt Menschen so unkompliziert zusammen. Doch kontraproduktiv in Sachen Corona-Schutz ist genau das ja dieser Tage durchaus.

Meinem Sohn fiel es schwer, das einzusehen. "Die anderen spielen doch auch alle." Stimmt, überall tummelten sich Berliner, die gemeinsam Sport trieben. Am Ende haben mein Mann und ich dann nicht nur viel mehr Fahrradkilometer geschrubbt als geplant, sondern auch noch Torwart und Gegner für das Kind gestellt. Dann kam noch Richard, ein Kindergartenfreund von Ben, zufällig vorbei und hat ohne groß zu fragen einfach mitgespielt. Das war eigentlich ziemlich schön.

Zuhause waren wir später alle ausgepowert, hungrig und zufrieden. Und auch unser Sohn hat sich dann mit einem Buch aufs Sofa gesetzt und eine ganze Weile gelesen.

Nun beginnt die Zeit ohne Schule

Aber nun beginnt die erste Woche ohne Schule. Ohne Hort. Ohne Nachmittagsangebote. Was das Lernpensum betrifft, mache ich mir keine großen Sorgen. Das Kind hat sehr engagierte Lehrer und ich fand Home-Schooling als Idee immer schon spannend. Nur muss ich neben Home-Schooling auch Home-Office hinkriegen. Mein Chef und meine Kollegen bauen auf mich. Ich arbeite schon seit mehr als einer Woche im Home-Office. Mein Mann ist auch zuhause. Er ist selbständig in einem Medienberuf und froh, wenn überhaupt noch Aufträge eintröpfeln, die er dann unverzüglich bearbeitet, um zu signalisieren, dass er präsent ist.

Ab Dienstagmorgen ist unser Sohn dann ebenfalls hier. Und wir reden von mindestens fünf Wochen. Spätestens um 6 Uhr ist Ben morgens wach. Eine Weile kann er dann noch lesen oder Hörspiele hören. Aber dann hätte er gern Gesellschaft und auch Betreuung. Er ist vom Typ her kein Kind, das stundenlang malt oder bastelt oder vor sich hinträumt. Und man kann ihn auch nicht dorthin erziehen. Das haben wir inzwischen akzeptiert und unser Alltag sieht entsprechend aus. Normalerweise.

Wissentlich unterminieren wir die Corona-Maßnahmen

Doch was tun in Corona-Zeiten, wenn nichts mehr geht? Unser Kind wird uns ohne Kindergesellschaft in der Pfanne verrückt. Zu viel Mediennutzung tut ihm auch nicht gut - und wir müssen arbeiten. Also kommt am Dienstagmorgen Emil, ein Schulfreund, zu uns. Ähnliches Kaliber, alleinerziehende Mutter. Zusammen werden sich die beiden gut beschäftigen können. Sie können ja Fahrradfahren, Fußballspielen in unserem Hof oder eine Höhle bauen im Zimmer. Am Mittwoch, da habe ich frei, kommen dann auch noch Julian und Jonathan dazu. Ich werde mit den Jungs in unseren Garten nach Brandenburg fahren. Dort können sie auf dem Trampolin springen und durch den Wald rennen.

Am Donnerstag geht Ben dann zu Emil, am Freitag hat Julians Mutter für die Bande Zeit. Die Nachmittage, wenn die Freunde wieder weg sind, und ich fertig bin mit meinem Arbeitspensum, haben wir für den Schulstoff vorgesehen. Damit ist die erste von fünf Wochen schulfrei zumindest theoretisch durchgeplant. Immer vorausgesetzt, keine Corona-Quarantäne wirft alles über den Haufen. Und dieser Fall ist ja gar nicht so unwahrscheinlich.

Denn natürlich ist uns Eltern allen klar, dass wir, indem wir die Kinder zusammen betreuen, die Maßnahmen, um Covid-19 an einer Ausbreitung zu verhindern, ein Stück weit unterminieren.

Kinder brauchen doch soziale Kontakte

Doch ganz ehrlich: Wir Erwachsenen können das hinkriegen. Keine Freunde mehr zu treffen, nicht ins Kino zu gehen und auch nicht ins Fitness-Studio. Die Oma rufen wir täglich an, statt einmal in der Woche hinzufahren. Aber wenigstens Kinder, insbesondere kleinere, brauchen doch soziale Kontakte. 

* Ben heißt im wahren Leben nicht Ben. Der Name wurde geändert, damit der Sohn der Autorin später selbst entscheiden kann, welche Informationen über ihn das Internet preisgibt. 

FAQ zum Umgang mit dem Coronavirus

  • Ich fürchte, infiziert zu sein. Was tun?

  • Was passiert mit möglichen Infizierten?

  • Was passiert mit Kontaktpersonen?

  • Welche Kapazitäten haben die Kliniken?

  • Welche Reisebeschränkungen gibt es?

  • Wie viele bestätigte Fälle gibt es?

  • Ist das Virus meldepflichtig?

  • Was ist das Coronavirus?

  • Woher kommt das Virus?

  • Wie kann ich mich anstecken?

  • Wie ansteckend ist das Virus?

  • Wer ist besonders gefährdet?

  • Wie funktioniert der Test?

  • Was sind die Symptome?

  • Wie kann ich mich schützen?

  • Welche Behandlung gibt es für Infizierte?

  • Gibt es Immunität gegen das Virus?

  • Wie hoch ist die Sterberate?

Beitrag von Sabine Krüger

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Pal Dardai
IMAGO/Matthias Koch

Hertha empfängt den Club - Topspiel im Tabellen-Niemandsland

Hertha und der 1. FC Nürnberg zeigen bislang einen ähnlichen Saisonverlauf. Nach Aufs und Abs stecken beide jungen Teams im Mittelfeld der Tabelle fest. Doch nach dem furiosen 5:2-Sieg gegen Schalke schöpfen die Berliner nun Hoffnung, ihren Aufschwung zu bestätigen.

Symbolbild: Neuhardenberg (Brandenburg) - Ein Mitarbeiter einer Gartenbaufirma richtet im Schlosspark im brandenburgischen Neuhardenberg mit letzten Handgriffen ein riesiges Osterei. (Quelle: dpa/Pleul)
dpa/Pleul

Osterfeierrituale - Erst Stock im Feuer, dann Ei im Gras

Es wird gebrannt, gebadet und hinter rollenden Eiern hergelaufen - all das findet bei vielen in Berlin und Brandenburg ganz ohne Kerzen und wie selbstverständlich ohne Gebet und Andacht statt. Einfach nur Ostern eben. Von Stefan Ruwoldt