TU-Berlin - Pandemie-Modellierer warnen vor viertem Corona-Schub

Lüftungssysteme, Corona-Tests und vor allem impfen: Nur so lässt sich laut einer aktuellen Modellierung von TU-Wissenschaftlern in Berlin ein Anstieg der Infektionen verhindern. Doch vor allem beim Impfen hinken Berlin und Brandenburg hinterher.
Eine Wissenschaftlergruppe der Technischen Universität Berlin (TU) erwartet anhand
von Modellierungen eine vierte Corona-Welle, die auch an Krankenhäusern nicht vorbeigeht. "Laut unseren Simulationen wird im Oktober ein exponentieller Anstieg bei den Krankenhauszahlen starten. Falls die derzeitige Entwicklung anhält, wird dies sogar früher beginnen, und sich im Oktober dann nochmal verstärken", heißt es im neuen Bericht der Gruppe um den Mobilitätsforscher Kai Nagel [tu-berlin.de] an das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Den zuletzt bereits verzeichneten Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenzen wertet das Team wegen hohen relativen Zunahmen als "beunruhigend". Nur wenn die Impfstoffe gegen Delta deutlich besser wirkten als derzeit bekannt oder wenn eine Impfquote von 95 Prozent erreicht werde, bleibe eine vierte Welle in den Simulationen aus. Das Modell ergebe "unter allen derzeit realistisch erscheinenden Bedingungen eine vierte Welle bei den Erwachsenen, welche mit der Verlagerung von Aktivitäten in Innenräume im Herbst verstärkt werden wird."
Steigende Inzidenze in Berlin und Brandenburg
Berlin verzeichnet bei den Corona-Zahlen eine weiter steigende Inzidenz. Innerhalb von sieben Tagen wurden am Samstag 16 Ansteckungen je 100.000 Einwohner gemeldet. Damit lag der
Wert nach Zahlen des Robert Koch-Instituts vom Samstag bundesweit an der Spitze. 132 Corona-Neuinfektionen wurden gemeldet, zwei Todesfälle kamen hinzu. Brandenburg liegt mit einer Inzidenz von 6 im bundesweiten Vergleich im unteren Bereich. Allerdings gibt es auch hier Ausschläge nach oben. So meldet Frankfurt Oder eine Inzidenz von mehr als 17.
Laut Robert Koch-Institut sind in Berlin aktuell 45 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, das ist im bundesweiten Vergleich eher Mittelmaß. Brandenburg liegt mit 42,6 Prozent vollständig Geimpften am Ende der Rangliste. Am schnellsten impfen Bremen und das Saarland. Bundesweit sind rund 38,2 Millionen Menschen oder 45,9 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen Covid-19 geimpft. 59,7 Prozent oder rund 49,6 Millionen Einwohner haben mindestens die erste Impfung erhalten.
TU-Modellierer raten zu Einsatz von Luftfiltern
Die Simulationen der TU-Modellierer zu Schulen zeigen laut dem Bericht, dass Lüftungssysteme und flächendeckender Einsatz von Schnell- und/oder PCR-Tests die Infektionsdynamik verringern könnten. Würden solche Maßnahmen konsequent umgesetzt, seien Schulschließungen oder Wechselunterricht nicht notwendig, hieß es. Die zwei Schnelltests pro Woche, die derzeit typisch seien, halten die Wissenschaftler ohne zusätzliche Maßnahmen allerdings bei weitem nicht für ausreichend.
Würden die Schulen nach den Sommerferien ohne Schutzmaßnahmen geöffnet, ergäbe sich laut Modell eine Infektionswelle bei den Schülerinnen und Schülern, die zu einer Welle bei Erwachsenen führe.
Weltweit arbeiten Wissenschaftler mit verschiedenen Ansätzen an Covid-19-Simulationen. Diese beruhen auf bestimmten Annahmen und sind mit Unsicherheiten behaftet. Das Team um Professor Nagel nutzt anonymisierte Berliner Mobilfunkdaten, um das Infektionsgeschehen zu modellieren. Die Ergebnisse sind ihm zufolge mindestens auf andere Großstädte übertragbar.
Die Kommentarfunktion wurde am 18.07.2021 um 21:20 Uhr geschlossen
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Sendung: Abendschau, 17.07.2021, 19:30 Uhr