
Der Absacker - Rien ne va plus und trotzdem Stress
Die BVG streikt und Brandenburg lässt Berliner/innen nur noch unter Auflagen rein zum Urlaub machen. Auch sonst fühlt es sich an, als würde jemand die Notbremse anziehen. Und trotzdem weiß Haluka Maier-Borst nicht, wo ihm der Kopf steht.
Heute war einer dieser merkwürdigen Tage, wo sich Nachrichtengeschäft und echtes Leben auf seltsame Weise voneinander entkoppeln. Einerseits kommen Berlin und Brandenburg zum Teil zum Erliegen. Das liegt daran, dass die BVG einen Warnstreik abhält. Das liegt aber auch daran, dass hüben wie drüben die Regeln für das öffentliche Leben verschärft werden. Man wolle "das gesellschaftliche Leben verlangsamen", um auch das Infektionsgeschehen in den Griff zu kriegen, hatte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) vor ein paar Tagen gesagt. Doch von Ruhe war bei uns im Team keine Spur.
1. Was vom Tag bleibt
Das vorerst letzte Kapitel über das besetzte Haus "Liebig 34" ist heute geschrieben worden. Morgens begann die Polizei mit 1.500 Beamtinnen und Beamten das Gebäude zu räumen und ist damit inzwischen fertig. Trotzdem wird es wohl im Nachgang sicher nicht ruhig werden.
Gleichzeitig beschäftigt uns die Corona-Situation in allen Facetten und in allen Gebieten. Im brandenburgischen Bad Saarow gibt es einen Aufnahmestopp für das Helios-Klinikum, nachdem es dort 46 positive Tests gab. In Cottbus sind 120 Schülerinnen und Schüler und nochmal 30 Lehrkräfte in Quarantäne nach einem Ausbruch dort.
Derweil steigen die Fallzahlen in Berlin weiter. So sehr dass die Charité nun schon vorsorglich Betten auf der Intensivstation frei hält. So sehr, dass Brandenburg beschlossen hat, urlaubende Berlinerinnen und Berliner nur in Hotels und auf Campingplätze zu lassen, sofern sie einen negativen Test vorweisen können. Sie können sich also angesichts der Nachrichten vorstellen, was bei uns heute los war.
2. Abschalten.
Ausgangssperren, Reisebeschränkungen – was tun? Die Kolleginnen und Kollegen hatten hier schon mal Serientipps gesammelt. Ich will das Ganze noch ergänzen mit einer lyrischen Übersicht, die – und das ist ja auch die Magie des Internets – heute in meine Timeline gespült wurde, obwohl sie schon von 2019 ist. Der Autor Till Raether hat sich den Spaß gemacht, Serien in Haikus zusammenzufassen und sie zu bewerten [twitter.com].
Und falls Ihnen lieber nur nach etwas für die Ohren ist, heute ging mir der näselnde Sound von einem Jan Delay-Song nicht aus dem Kopf [youtube.com]. Aber irgendwie passt das auch zur Erkältungszeit und dem aktuellen Stillstand.
3. Und, wie geht's?
Unter den Absacker meines Kollegen Efthymis Angeloudis hat sich eine seltene Spezies verirrt. Ein Berliner vierter Generation. Ich habe ja bisher gedacht, dass das reine Fabelwesen sind und fand es entsprechend spannend, was Frank zu schreiben hatte:
Als Berliner mindestens vierter Generation erlaube ich mir das Urteil, dass auch alteingesessene Berliner nicht per se sympathisch sind. Berliner Schnauze im Sinne von Direktheit ist schön, im Sinne von Überheblichkeit und Piefigkeit aber extrem nervig. Auch wenn ich mich gern über Zugezogene mokiere - schon in den 70ern waren die teils liberaler als meine lokale Mischpoke.
Dennoch lebe ich nach einigen bayerischen Jahren gern wieder hier - es scheint mir als das kleinere Übel, vielleicht ist es auch nur Gewohnheit. Dass Berlin endlich nicht mehr wächst, finde positiv. Gerade das kann uns nämlich vor Verhältnissen wie in Manhattan retten.
Neben Ur-Berliner Provinzialität sind es vor allen Gewinnsucht und Bauwut, die in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren sehr viel von dem zerstört haben, was die Stadt einst unverwechselbar gemacht hat. Wenn der Hype jetzt endlich endet, kann das Klischee "Berlin bleibt doch Berlin" vielleicht auch im Positiven wahr bleiben.
Was denken Sie von der Nachricht, dass Berlin aufhört zu wachsen? Momentaufnahme oder Trendumkehr? Und was denken sich Brandenburger eigentlich, wenn so Hauptstadt-Piefkes zu ihnen ziehen? Schreiben Sie uns an: absacker@rbb-online.de.
4. Ein weites Feld...
Berlin, das ist ja auch immer ein wenig Abenteuer. Ich versuche es entsprechend trotz Streik und Chaos aus dem Wedding nach Kreuzberg zum Sport zu schaffen, einigermaßen pünktlich und gesund. Und wenn man vielleicht ein wenig Optimismus verbreiten will: Inzwischen ist das Problem nicht mehr, dass man dafür zwei Mal die Mauer queren muss. Sondern eben nur dass man sich mit Kabelbränden und streikenden U-Bahnen arrangieren muss.
Ob Berliner oder Brandenburger, ob Zugezogener oder Alteingesessener, passen Sie auf sich auf, sagt:
Haluka Maier-Borst
7 Kommentare
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Naja das mit dem einmotten der Maske wird nur wegen 3 Möglichkeiten eintrete.
1. es gibt einen Impfstoff
2. es haben sich so viele infiziert das es herdenimmunität gib
3. die Menschen tragen einfach keine mehr
Es bleibt nur die Frage welches der drei Szenarien tritt als erstes ein.
Icke bin ja auch son alter Baliener und verändere mal nen Plakatspruch. Berlin ist schön, wenn man es in Richtung Brandenburg verlässt! Oder vielmehr verlassen kann! Icke würde mir dit nisch einfallen lassen meene Heimat zu valassen. Jeht nisch, irjendwie! Och wenn die Politik anscheinend nur rumdokterd, die Stadt vermüllt und beschmiert wird, bleibe icke meinem Berlin treu! Partytourismus braucht eigentlich oooch Keiner!
Ich bin weder süß, ängstlich oder naiv. Ich bin realistisch und optimistisch.
Ja, es wird eine Zeit nach SarsCoV2 geben und es wird eine Zeit geben, in der die Masken eingemottet werden können.
Aber dank so manchem Partyvolk, Verkaufenden von flüssigen Suchmitteln, Hochzeitsgesellschaften und sonstigen Unvernunftbegabten wird es leider länger dauern.
Nach dem Ende der Pandemie, ach wie süß, selten so ein Mix aus ängstlich und naiv gelesen.
sie glauben doch nicht ernsthaft dass diese Angst Masche irgendwann aufgegeben wird, ich denke wir werden die Maske nicht mehr los und unser schönes Leben wird komplett heruntergefahren, bis wir nur noch wie Zombies zum arbeiten gehen und sonst nichts weiter machen dürfen.
Serien- und Filmtipps brauchen wir Eltern bald nicht mehr, wenn nach den Ferien wieder Doppelschicht angesagt ist: Tags Home-Office und ab 18 Uhr Homeschooling... Danke dafür, liebe Hochzeitspaare *~*
Mein Droschken-fahrender Kumpel prägte für Berliner x.-ter Generation den Satz "Schnauze ohne Herz" in Umkehrung zum bekannten Spruch ;-) der oben Zitierte scheint das zu kennen... Wer hätte das gedacht?
Wenn Berlin nicht mehr wächst, gar schrumpft, dann konzentriert man sich vielleicht wieder auf das alte, nicht-Glasfassaden-Westberlin. Nicht gentrifiziert. Gehört weder Zalando noch irgendwelchen Schweden. Kuschelig wie ein Kissen. Jaja, träum weiter ;-)
Ergänzen möchte ich noch, dass der von mir benannte alteingesessene Berliner dem Brandenburger ja ohnehin sehr ähnlich ist - was sich in Sprache und Duktus ebenso wie vielfach an den Ansichten zeigt. (Wobei ick meene Heimatsprache weder von Zujezogene noch von piefje Berlina madich machen lasse.) Und auch sonst ist 1 Berlin 49 (ebenso wie meine schreckliche alte Heimat 47) deutlich näher an Brandenburgs grausig zersiedelten EFH-Vierteln wie etwa Falkensee dran als an allen Mittes, Kreuzhains oder Pankows. Wen es also stört, dass z.B. mal Anstrengungen unternommen werden, dass man ohne Lebensgefahr durch Berlin radeln kann oder dass auch Bottom-Verdiener* eventuell noch in der Innenstadt wohnen können, den erinnere ich an einen einst in Ost wie West beliebten Spruch: "Jeh' do' rüba!" - Haupsache, et kommt denn nich wieda eena uff die Idee, die beeden Bundesländer zusammenlejen zu wollen. Brandenburger, dass Ihr das damals abgelehnt habt, dafür bin ich Euch ewig dankbar!
Auch ich bin ein solches Fabelwesen, gesichert sind vier Generationen von in Berlin geborenen Jören.
Allerdings würde ich sofort meinen letzten Koffer packen und aus Berlin wegziehen, wenn ich die finanziellen Mittel dafür hätte.
Hauptursache ist dieser "wunderbare" RRG-Senat, aber auch das erschreckend rücksichtslose Verhalten so mancher während dieser Corona-Pandemie.
Ich muss leider immer wieder um Abstand bitten, weil ich Sorge habe, Sars CoV2 zu meiner pflegebedürftigen Mutter nach Hause zu bringen. Leider gibt es Supermärkte, in die man ohne Einkaufswagen gehen kann, diese geben immerhin einen gewissen Abstand zwischen den Kunden an der Kassenschlange.
Eure Absacker sind immer wieder lesenswert, macht weiter so, vielleicht auch nach dem Ende der Pandemie.