Jobcenter übernehmen Versorgung - Berlin rechnet mit 60.000 Ukrainern mit ALG-II-Anspruch
Ab Juni soll es bei der Versorung Geflüchteter aus der Ukraine einen Systemwechsel geben - weg von den Sozialämtern, hin zu den Jobcentern. Zwar ist dies noch nicht durch alle Parlamentsgremien, Berlins Arbeitsagentur aber arbeitet bereits am Vollzug. Von Stefan Ruwoldt
Öffentlich angekündigt und von Bundes- und Landespolitik genau so verbreitet: Geflüchtete aus der Ukraine sollen ab dem 1. Juni über die Jobcenter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch erhalten, also Arbeitslosengeld II (Hartz IV) oder Sozialhilfe. Damit soll der Bund die Finanzierung der Versorgung der Geflüchteten übernehmen.
"Sollen" muss es ausdrücklich heißen, denn bislang ist das noch nicht durch Bundestag und Bundesrat beschlossen. Beschlossen sei lediglich der Entwurf für die Regelung durch Bundesregierung, wie Andreas Ebeling, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit Berlin-Brandenburg gegenüber dem rbb betont.
Doch auch wenn die parlamentarische Entscheidung noch aussteht, administrativ werde bereits alles vorbereitet, so Ebeling: Ab Juni würden die Jobcenter Ansprechpartner für die Geflüchteten - bisher waren es die Sozialämter. Die Vorbereitungen zur Übergabe zwischen dem Land, den Berliner Bezirken und den Jobcentern sei "in vollem Gang" und werde "regelmäßig abgestimmt", erklärte Ebeling.
Bislang erfolgen die Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz; Anträge dazu müssen bei den Sozialämtern gestellt werden.
Rund 60.000 Anspruchsberechtigte - Zugang zu Sondererstattungen
Grundsätzlich rechne die Agentur für Berlin mit rund 60.000 Anspruchsberechtigten, erläutert Ebeling rbb|24 und bestätigt damit eine Schätzung des Senats von Ende April. Zwar könnten auch schon jetzt durch die Geflüchteten Anträge gestellt werden, Stichtag für die Leistungen aber sei der 1. Juni. Berlin trägt hier die Hauptlast bei der Versorgung. Bundesweit wurden in Deutschland bereits 600.000 Geflüchtete aus der Ukraine erfasst (Stand 5. Mai 2022), wobei die wirkliche Zahl der Geflüchteten allerdings wohl deutlich höher ist aufgrund der gesonderten Registrierungsregelungen.
Agentursprecher Ebeling zufolge besteht ab 1. Juni mit der Neuregelung für die Geflüchteten in Zusammenhang mit dem Anspruch auf ALGII auch etwa die Berechtigung auf die Erstattung oder Teilerstattung von Kosten für Unterkunft und Heizung, für Bildung und Teilhabe. Auch könnten die registrierten Geflüchteten aus der Ukraine sogenannte Sonderbedarfe, etwa Kindergeld, beanspruchen.
Bürokratische Voraussetzungen bei der Antragstellung ist laut Ebeling die Aufenthaltserlaubnis, oder ein gestellter Antrag darauf, hinzu komme der Beleg für die erkennungsdienstliche Behandlung und der Eintrag ins Ausländerzentralregister. Keine Pflicht - aber empfehlenswert - sei ein vorhandenes, also bereits eröffnetes Konto, auf das die Leistungen überwiesen werden könnten. Hinzu komme die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse, auf die sich die Geflüchteten zuvor festlegen müssten.
Alexander Fischer, Staatssekretär für Arbeit in der Berliner Sozialverwaltung, hatte in der vergangenen Woche betont, dass durch diesen "Rechtskreiswechsel" keine "Leistungslücken" entstehen dürften. Niemand dürfe Einbußen oder Zahlungsausfälle haben beim Wechsel von der Versorgung nach Asylbewerberleistungsgesetz hin zur Grundsicherung. Um das sicherzustellen, habe die Sozialverwaltung mit den Berliner Bezirken und den Jobcentern eine gemeinsame Arbeitsgruppe gebildet.
Für die Beratung und Vermittlung in Arbeit und Ausbildung der Geflüchteten sind die auch Jobcenter zuständig. Die Arbeitsagentur habe eine Dolmetscher-Hotline eingerichtet, über die dann die Mitarbeiter der Agentur und die Antragsteller Hilfe auf Ukrainisch erhielten, sagte Ebeling. Arbeitgeber mit Interesse an Mitarbeitern aus der Ukraine müssten sich bei den Arbeitgeber-Services der Agentur wenden.