Unterstützerunterschriften für Parteien - Kurze Frist vor Bundestagswahl "schon fast antidemokratisch"

Mo 20.01.25 | 19:04 Uhr | Von Hanno Christ
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Symbolbild: Der Bundestagswahlkampf für die vorgezogene Bundestagswahl 2025 hat begonnen, VOLT-Partei mit Infostand in München am 14.12.2024. (Quelle: IMAGO/NurPhoto)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 20.01.2025 | Andreas König | Bild: IMAGO/NurPhoto

Parteien, die nicht im Bundestag sitzen, haben teils hohe Hürden zu nehmen, um auf dem Wahlzettel zu landen. Die vorgezogene Bundestagwahl stellt einige vor besonders große Herausforderungen. Von Hanno Christ

  • Gesetz schreibt mindestens 2.000 Unterstützerunterschriften vor
  • Betroffene Parteien klagen über zu kurze Fristen
  • ÖDP legt Widerspruch ein

"Wir sind losgerannt wie die Wahnsinnigen", erzählt Kirsten Elisabeth Jäkel. Die 58-Jährige spricht vom Stimmenfang für die Bundestagswahl. Jäkel ist stellvertretende Landesvorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) in Brandenburg und zudem stellvertretende Bundesvorsitzende.

In den vergangenen Wochen war sie mit Mitstreitern unterwegs auf zugigen Straßen und Marktplätzen, um ausreichend Unterstützerschriften zu sammeln, damit die ÖDP überhaupt in Brandenburg antreten darf. Eine Art Vorwahlkampf, wenn man so will, den Jäkel und ihre Unterstützer aber verloren haben.

ÖDP scheitert an verkürzter Frist und legt Widerspruch ein

Das Gesetz schreibt für Parteien in Brandenburg, die im Bundestag oder im Landtag seit der letzten Wahl nicht mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, mindestens 2.000 gültige, persönliche Unterschriften vor, um zur Bundestagswahl antreten zu dürfen. Bei der ÖDP kamen gerade mal um die 400 zusammen.

Gründe, weshalb es nur so wenige sind, nennt Jäkel so einige: "Wir haben uns in der Kälte die Finger abgefroren, die Menschen hatten keine Lust, und aus wärmeren Räumlichkeiten wie Bahnhofshallen wurden wir weggeschickt, weil wir keine Genehmigung hatten." Die wohl größte Hürde war die kurze Frist, die sie durch die vorgezogene Bundestagswahl hatten. Üblicherweise haben sie mehrere Monate Zeit, diesmal seit der Vertrauensfrage im Dezember 2024 praktisch nur 36 Tage.

Obwohl die ÖDP deutlich unter der 2.000er-Grenze liegt, reicht Jäkel die Stimmen bei der Brandenburger Landeswahlleitung am Montag ein – und legt gleich dazu Widerspruch gegen die widrigen Bedingungen dieser Wahl ein. Die sind für Jäkel schlicht "unfair". Vor allem für Parteien, die nicht auf einen großen Parteiapparat zurückgreifen können, kann die kurze Frist eine Mammutaufgabe bedeuten. Sie haben weniger Mitglieder und weniger Geld als die Parteien, die bereits im Bundestag sitzen.

Die ÖDP lehnt zudem Firmenspenden ab, um unabhängig zu bleiben. Obwohl die 1982 gegründete Partei bei rund 7.000 Mitgliedern bundesweit etwa 500 Mandatsträger habe, müsse sie sich bei jeder Wahl aufs Neue mit Unterstützerunterschriften beweisen, klagt Jäkel.

Tierschutzpartei: Unterschriftenaktion für uns überflüssig

Ähnlich klingt Adrian Bendix von der Tierschutzpartei in Brandenburg. Er ist zwar zuversichtlich, dass seine Partei die 2.000er-Marke knacken wird und gute Chancen auf eine Zulassung hat, doch auch er kritisiert die ungleichen Wettbewerbsbedingungen für die Parteien. "So eine kurze Frist ist schon fast antidemokratisch", schimpft er. Fair wäre gewesen, wenn man auch seine Partei einfach ohne Unterstützerunterschriften als Partei anerkannt hätte. Bei der Europawahl habe die Tierschutzpartei mit einer bundesweiten Mitgliederzahl von 2.400 immerhin mehr als 500.000 Stimmen bekommen. Für Bendix Nachweis genug, dass sie sich die Unterschriftenaktion doch schenken könnten.

Bundesverfassungsgericht sieht Chancengleichheit gewahrt

Die ÖDP war wegen der nötigen Unterschriften bereits vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, dort allerdings gescheitert. Das Gericht sah die Chancengleichheit nicht verletzt. "Das Schlimme ist", so die stellvertretende Bundesvorsitzende Jäkel, "Karlsruhe ist nicht einmal auf eine vorgezogene Bundestagswahl eingegangen." Immerhin verkürzte das Bundesinnenministerium die Frist bis zum Einreichen der Unterschriften von sonst 69 Tagen auf 34 Tage vor der Wahl.

Kritik am hohen Aufwand: demokratie-unfreundliches Verfahren

Der stellvertretenden ÖDP-Chefin ist aber auch noch ein anderer Punkt wichtig. Sie kritisiert den hohen bürokratischen Aufwand dieser Wahlvorbereitung. "Unser ökologisches Herz blutet", sagt sie und meint damit die vielen Formulare, die ihr zugeschickt worden seien. Viele Blätter, die ausgedruckt und verschickt wurden und nun aber nicht ausgefüllt worden seien. Das sei "Ressourcenverschwendung", ganz zu schweigen von der hohen Arbeitsbelastung der Ämter.

Dass aber Parteien die Zulassungs-Hürden auch locker überspringen können, beweist derzeit Volt. Bundesweit habe man etwa 50.000 Unterschriften eingesammelt, in Brandenburg fast 3.000, so der Co-Kampagnenleiter Robert Koch. Bereits im Dezember habe man alle nötigen Unterschriften beisammen gehabt. Die Partei hatte dafür aktiv auf Social Media um Unterstützung gebeten, dazu Versandaktionen gestartet und viel Zuspruch bekommen. Die Formulare für die nötigen Unterschriften konnten Interessenten direkt auf der Volt-Seite runterladen. "Wir haben einen großen Puffer", sagt Koch. Man müsse sich allerdings fragen, ob das Verfahren in Zeiten so großer Politik- und Demokratie-Verdrossenheit noch angemessen sei. "Hürden müssen sein, wir plädieren aber dafür, sie niedriger zu machen", so Koch, auch weil Behörden in zu großem Umfang gefordert seien.

Die Ämter haben die eingereichten Unterschriften bereits auf Korrektheit überprüft. In Brandenburg mussten insgesamt zehn Parteien Unterstützerunterschriften bis Montag, 18 Uhr, sammeln. Welche davon die Mammutaufgabe dieser vorgezogenen Bundestagswahl gelöst haben und welche nicht, wird der Landeswahlleiter allerdings erst am Freitag verkünden. So viel Zeit muss sein.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.01.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

36 Kommentare

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  1. 36.

    Kann es sein, dass Sie in einer eigenen Blase leben? Selbstverständlich sind die , die die Bevölkerung derzeit am meisten interessieren.

  2. 35.

    Auf der "hohen Kante" was zu haben ist vernünftig, und ein verantwortungsvoller Unternehmer der "verpulvert" die Gewinne nicht,sondern legt ein beträchtlichen Teil auf die besagte "hohe Kante".

    Im kleinem, gilt dies für einen venünftigen Ottonormalverbraucher auch, sofern er kann, sorgt er vor.

  3. 34.

    Es wird nicht verteidigt, sondernn auf die übliche Zusammensetzung des Vermögens von Milliardären hingewiesen, die sind gewöhnlich auch Unternehmer, und das Firmenvermögen etc. mit erfasst wird.
    Kein Milliardär hierzulande hat seine Milliarden auf seinen Konto "gebunkert"
    Übrigens Aktienpakete sind risikoreiche Bargeldinvestitonen in Fonds oder Einzelfirmen, da das Geld ist erst mal "fufsch" ist, in der Hoffnung auf eine satte Dividende, von der Bange diese investierte Summe zu verlieren begleidet wird..
    Übrigens ohne Aktionäre gäbe es keine nennenswerte Wirtschaft mehr, da diese Summen sind von Einzelpersonen selten aufzubringen!
    Das auf Kapitalerträge eine Steuer fällig ist, das wissen Sie, oder?

  4. 33.

    Genau! Versteh nicht, weshalb da immer von ,,Flucht ins Ausland'' gewarnt wird. Man muß es einfach machen, dann können sie immer noch ,,ins Ausland (wohin?) gehen!

  5. 32.

    Das stimmt so nicht. Außer den Immobilien, haben Sie auch neben großen Barvermögen auf den Konten auch Aktienpakete und virtuelle Vermögen in Größenordnung! Da wäre schon eine riesige Menge zu holen! Warum verteidigen Sie die denn?

  6. 31.

    Das Märchen glauben auch nur Sie - von wegen, alles Vermögen steckt in der Firma! Ansonsten haben die natürlich nichts auf der ,,hohen Kante''. Klar!

  7. 30.

    Dann informieren Sie sich mal lieber selbst erst mal korrekt. Nahezu alle dieser Milliardäre haben ihr "Vermögen" in Firmenwerten gebunden, das ist nicht frei verfügbar. Das zu besteuern würde somit Kapital aus den Unternehmen ziehen, was wirtschaftlich und gesellschaftlich Nonsens wäre. Das Vermögen, welches man dann noch mit einer Steuer belegen könnte, wäre extrem übersichtlich und mit Verlagerung des Wohnsitzes auch ganz schnell weg. Vermögenssteuer ist vor allem ein riesiger bürokratischer Aufwand, so dass am Ende weniger hängen bleibt, als der Staat aufgewendet hat.

  8. 29.

    Nun ja, wirklich undemokratisch ist es nicht. Wer als Kleinstpartei keine 2.000 Unterschriften innerhalb weniger Tage zusammen bekommt, hat realistisch ohnehin keine Chance, in den Bundestag einzuziehen. Von daher ist das Problem zwar in der Realität gegeben, aber in der Konsequenz bei den Wahlen vernachlässigbar.

  9. 28.

    Wir sind nicht in der Lage eine funktionierende Infrastruktur im eigenen Land zu finanzieren, also das hat die oberste Priorität!

  10. 27.

    Nun diese Milliardäre , das Vermögen beinhaltet auch Werte die in Firmen und Immobilien etc. stecken, und nicht nur Bares auf dem Konto.

  11. 26.

    Wer soll das finazieren? Genau jene, die demnächst auch Klimafolgemaßnahmen finanzieren dürfen. Wir alle. Gerne jene mehr, die viel haben und in den letzten Jahren immer nur entlastet wurden. Jene können sich leider auch am ehesten mit den Folgen des Nichtstuns arangieren. Und ihr letzter Spruch: Warum tut es vielen so weh, mal Vorreiter zu sein und nicht im gestern steckenzubleiben.

  12. 25.

    Das ist falsch!
    Es gibt mehr als 130 Milliardäre bei uns - da kämen eine Menge an Milliarden zusammen, mal nachrechnen!

  13. 24.

    Sie sind nicht informiert. In Deutschland gibt es sage und schreibe 130 Milliardäre! Znd deren Vermögen steigt täglich durch Zinszahlungen um ca. 1 Million Euro. Ihre Angabe ist grundfalsch, bei der Vermögenssteuer kämen nicht ,,Millionen“ zusammen, sondern viele Milliarden. Und das wäre für die nur Portokasse, weshalb sie deswegen auch nicht Deutschland verlassen würden!

  14. 23.

    Die weltweite Probleme, die kann Deutschland nicht lösen,
    Die lösbaren Probleme des eigenen Landes haben immer Priorität, und die Verhinderung von Problemen kommt an die zweiter Stelle der Wichtigkeit, übrigens, die beste Prävention um eine Spaltung der Gesellschaft zu verhindern.

  15. 22.

    Wer das glaubt, der hat in Mathe nicht aufgepasst, da die Anzahl der Superreichen in Deutschland sehr übersichtlich ist, so kämen "nur" Millionen zusammen, und außerdem hätte das "Schröpfen" schnell ein Ende gefunden, da eine wundersamme Geldvermehrung noch nicht erfunden wurde.
    Übrigens, man verlegt seinen Wohsitz, und gut ist.

  16. 21.

    Die Klimaveränderung ist ein weltweites Problem, genauso wie Fluchtbewegungen von Menschen, und beide Probleme kann Deutschland nicht lösen.

  17. 20.

    Das beantworte ich Ihnen gern. Es soll ja endlich die Vermögenssteuer kommen. Die betrifft nur die Superreichen, bringen aber Milliarden Einnahmen!

  18. 19.

    Stimmt doch nicht!? An erster Stelle steht immer noch die Klimaveränderung, aus Gründen.

  19. 18.

    Ach wenns danach geht, was der Alltag so an Merkwürdigkeiten in Gesellschaft und unter den Menschen bietet, dann sollten wir keine Parteien wählen, sondern eine Auswahl an Gesellschaftssystemen.
    Das was Sie beschreiben aus dem Alltag, sind gesellschaftliche Fragen, die sowieso nicht in einer Legislaturperiode zu ändern sind. Das sind Generationenaufgaben. Genauso wie es nur 1 Generation (ca 25 Jahre) gebraucht hat, um uns hierhin zu bringen, wo wir heute sind mit all den Unzulänglichkeiten. Wissen Sie... das Verhalten untereinander kann Politik nicht verbessern, das müssen wir als Gesellschaft schon machen. Zu diesem Verhalten zählt auch Kriminalität, Solidarität, Empathie usw. Gesellschftliches Leben halt. Vieles hängt natürlich auch an der Wirtschaft. Und hier setzt die wählbare Politik an mit der Frage: Wollen wir 60 Mio in auskömmlich bezahlten Jobs und Geld für Sicherheit oder 100000 Schwerreiche, die nur mit Geld jonglieren? Mal simpel schwarz-weiß ausgedrückt....

  20. 17.

    Es sind in Berlin 25 Parteien, die zur BTW 2025 antreten. Das ist doch jede Menge Auswahl.

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