Unterstützerunterschriften für Parteien - Kurze Frist vor Bundestagswahl "schon fast antidemokratisch"

Parteien, die nicht im Bundestag sitzen, haben teils hohe Hürden zu nehmen, um auf dem Wahlzettel zu landen. Die vorgezogene Bundestagwahl stellt einige vor besonders große Herausforderungen. Von Hanno Christ
- Gesetz schreibt mindestens 2.000 Unterstützerunterschriften vor
- Betroffene Parteien klagen über zu kurze Fristen
- ÖDP legt Widerspruch ein
"Wir sind losgerannt wie die Wahnsinnigen", erzählt Kirsten Elisabeth Jäkel. Die 58-Jährige spricht vom Stimmenfang für die Bundestagswahl. Jäkel ist stellvertretende Landesvorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) in Brandenburg und zudem stellvertretende Bundesvorsitzende.
In den vergangenen Wochen war sie mit Mitstreitern unterwegs auf zugigen Straßen und Marktplätzen, um ausreichend Unterstützerschriften zu sammeln, damit die ÖDP überhaupt in Brandenburg antreten darf. Eine Art Vorwahlkampf, wenn man so will, den Jäkel und ihre Unterstützer aber verloren haben.
ÖDP scheitert an verkürzter Frist und legt Widerspruch ein
Das Gesetz schreibt für Parteien in Brandenburg, die im Bundestag oder im Landtag seit der letzten Wahl nicht mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten sind, mindestens 2.000 gültige, persönliche Unterschriften vor, um zur Bundestagswahl antreten zu dürfen. Bei der ÖDP kamen gerade mal um die 400 zusammen.
Gründe, weshalb es nur so wenige sind, nennt Jäkel so einige: "Wir haben uns in der Kälte die Finger abgefroren, die Menschen hatten keine Lust, und aus wärmeren Räumlichkeiten wie Bahnhofshallen wurden wir weggeschickt, weil wir keine Genehmigung hatten." Die wohl größte Hürde war die kurze Frist, die sie durch die vorgezogene Bundestagswahl hatten. Üblicherweise haben sie mehrere Monate Zeit, diesmal seit der Vertrauensfrage im Dezember 2024 praktisch nur 36 Tage.
Obwohl die ÖDP deutlich unter der 2.000er-Grenze liegt, reicht Jäkel die Stimmen bei der Brandenburger Landeswahlleitung am Montag ein – und legt gleich dazu Widerspruch gegen die widrigen Bedingungen dieser Wahl ein. Die sind für Jäkel schlicht "unfair". Vor allem für Parteien, die nicht auf einen großen Parteiapparat zurückgreifen können, kann die kurze Frist eine Mammutaufgabe bedeuten. Sie haben weniger Mitglieder und weniger Geld als die Parteien, die bereits im Bundestag sitzen.
Die ÖDP lehnt zudem Firmenspenden ab, um unabhängig zu bleiben. Obwohl die 1982 gegründete Partei bei rund 7.000 Mitgliedern bundesweit etwa 500 Mandatsträger habe, müsse sie sich bei jeder Wahl aufs Neue mit Unterstützerunterschriften beweisen, klagt Jäkel.
Tierschutzpartei: Unterschriftenaktion für uns überflüssig
Ähnlich klingt Adrian Bendix von der Tierschutzpartei in Brandenburg. Er ist zwar zuversichtlich, dass seine Partei die 2.000er-Marke knacken wird und gute Chancen auf eine Zulassung hat, doch auch er kritisiert die ungleichen Wettbewerbsbedingungen für die Parteien. "So eine kurze Frist ist schon fast antidemokratisch", schimpft er. Fair wäre gewesen, wenn man auch seine Partei einfach ohne Unterstützerunterschriften als Partei anerkannt hätte. Bei der Europawahl habe die Tierschutzpartei mit einer bundesweiten Mitgliederzahl von 2.400 immerhin mehr als 500.000 Stimmen bekommen. Für Bendix Nachweis genug, dass sie sich die Unterschriftenaktion doch schenken könnten.
Bundesverfassungsgericht sieht Chancengleichheit gewahrt
Die ÖDP war wegen der nötigen Unterschriften bereits vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, dort allerdings gescheitert. Das Gericht sah die Chancengleichheit nicht verletzt. "Das Schlimme ist", so die stellvertretende Bundesvorsitzende Jäkel, "Karlsruhe ist nicht einmal auf eine vorgezogene Bundestagswahl eingegangen." Immerhin verkürzte das Bundesinnenministerium die Frist bis zum Einreichen der Unterschriften von sonst 69 Tagen auf 34 Tage vor der Wahl.
Kritik am hohen Aufwand: demokratie-unfreundliches Verfahren
Der stellvertretenden ÖDP-Chefin ist aber auch noch ein anderer Punkt wichtig. Sie kritisiert den hohen bürokratischen Aufwand dieser Wahlvorbereitung. "Unser ökologisches Herz blutet", sagt sie und meint damit die vielen Formulare, die ihr zugeschickt worden seien. Viele Blätter, die ausgedruckt und verschickt wurden und nun aber nicht ausgefüllt worden seien. Das sei "Ressourcenverschwendung", ganz zu schweigen von der hohen Arbeitsbelastung der Ämter.
Dass aber Parteien die Zulassungs-Hürden auch locker überspringen können, beweist derzeit Volt. Bundesweit habe man etwa 50.000 Unterschriften eingesammelt, in Brandenburg fast 3.000, so der Co-Kampagnenleiter Robert Koch. Bereits im Dezember habe man alle nötigen Unterschriften beisammen gehabt. Die Partei hatte dafür aktiv auf Social Media um Unterstützung gebeten, dazu Versandaktionen gestartet und viel Zuspruch bekommen. Die Formulare für die nötigen Unterschriften konnten Interessenten direkt auf der Volt-Seite runterladen. "Wir haben einen großen Puffer", sagt Koch. Man müsse sich allerdings fragen, ob das Verfahren in Zeiten so großer Politik- und Demokratie-Verdrossenheit noch angemessen sei. "Hürden müssen sein, wir plädieren aber dafür, sie niedriger zu machen", so Koch, auch weil Behörden in zu großem Umfang gefordert seien.
Die Ämter haben die eingereichten Unterschriften bereits auf Korrektheit überprüft. In Brandenburg mussten insgesamt zehn Parteien Unterstützerunterschriften bis Montag, 18 Uhr, sammeln. Welche davon die Mammutaufgabe dieser vorgezogenen Bundestagswahl gelöst haben und welche nicht, wird der Landeswahlleiter allerdings erst am Freitag verkünden. So viel Zeit muss sein.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.01.2025, 19:30 Uhr