Nachrichtenguerilla im Netz - Tindern für den Frieden

Fr 04.03.22 | 15:13 Uhr | Von Micha Bärsch
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Symbolbild: Tinder Online Dating App. (Quelle: dpa/Robin Utrecht)
Bild: dpa/Robin Utrecht

Internetnutzer versuchen via Google Maps oder Tinder, die russische Zensur zu umgehen. Andere unterstützen mit "Leerkäufen" ukrainische Anbieter auf Marktplätzen für Handgemachtes oder Portalen für Ferienwohnungen. Von Micha Bärsch

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat auch im Digitalen eine Zeitenwende markiert: Hacker-Kollektive mischen mit Angriffen auf russische Webseiten mit, ukrainische Minister twittern den US-Unternehmer Elon Musk direkt mit der Bitte um Unterstützung an - und bekommen sie auch [tagesschau.de].

Manche Internet-Nutzer wiederum finden kreative Wege, in Russland Informationen über den Krieg an der Zensur vorbei zu platzieren.

Dabei werden vor allem Apps und Dienste genutzt, in denen man gerade nicht mit Nachrichten und politischer Aufklärung rechnet - so wie in der Dating-App Tinder. In der Basisversion ist Tinder in erster Linie ein lokaler Dienst, der den Nutzern nur Matches aus dem eigenen Umkreis anzeigt.

In der kostenpflichtigen Version suchen Nutzer jedoch auch in russischen Städten nach Matches - und klären diese dann über den Krieg in der Ukraine auf.

"Review-Bombing" auf Google Maps

Ins Rollen gebacht hat diese Art der Informationsverbreitung das Hacker-Kollektiv "Anonymous" mit einem Retweet: Internetnutzer sollen unter russische Sehenswürdigkeiten, Restaurants oder Hotels eine "Bewertung" schreiben, in denen sie dann aber über das Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine berichten.

Allerdings hat Google bereits begonnen, solche Kommentare wieder zu löschen - sie entsprächen nicht den Nutzerbedingungen. Man habe zusätzliche Schutzmaßnahmen eingerichtet, um Inhalte zu überwachen und zu verhindern, die gegen die Richtlinien für Maps verstoßen, sagte ein Google-Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Google Maps solle kein Forum sein, in denen sich Nutzer zu politischen Themen äußern [google.com], heißt es in den Nutzungsbedingungen.

Auch die Touristen-Plattform Tripadvisor hat die Kommentarfunktion mittlerweile gesperrt.

Leerverkäufe auf "Etsy" - und 5 Euro für schlichte JPGs

Andere Internetnutzer unterstützen einzelne Ukrainer finanziell: Über die E-Commerce-Webseite "Etsy", auf denen vor allem handgemachte Produkte angeboten werden, kaufen und bezahlen sie Produkte aus der Ukraine - schreiben den Verkäufern aber gleichzeitig, dass sie auf eine Lieferung der Ware verzichten.

Auch gibt es den Aufruf, nur digitale Produkte zu kaufen - zum Beispiel PDFs mit Bastelanleitungen oder Schnittmuster. Ebenso können dort auch einfache Grafik-Dateien gekauft werden: Ein Produkt, dass die Plattform aktuell als "Bestseller" listet ist ein JPG eines Herzens in den ukrainischen Farben [etsy.com], angeboten von einer Userin, die sonst selbstgebastelte Puppen verkauft und nach eigenen Angaben in Charkiw lebt - für 5,62 € hat die Datei schon über 160 Bewertungen.

Die Plattform selbst unterstützt ebenfalls Verkäufer aus der Ukraine. Geschäftsführer Josh Silvermann kündigte bereits am Montag an, Anbietern aus der Ukraine offene Schulden zu erlassen - unter anderem für Transaktions- und Werbegebühren. Nach eigenen Angaben umfasst dies rund vier Millionen Dollar [etsy.com | englisch].

Buchungen für ukrainische Unterkünfte auf Airbnb

Auch über Portale für Ferienwohnungen wie Airbnb unterstützen User ukrainische Anbieter. Sie buchen Ferienwohnungen im Kriegsgebiet - freilich ohne jede Intention, diese auch zu nutzen.

Allerdings wird im Netz auch zur Vorsicht gemahnt: Betrüger könnten sich ad hoc mit nicht existierenden Unterkünften in der Ukraine bei Portalen wie Airbnb registrieren - um so die Spenden zu unterschlagen. Wer auf diese Weise Ukrainern helfen will, sollte sich zuvor vergewissern, dass die Angebote schon länger im Netz sind - zum Beispiel durch einen Check der schon vorhanden Bewertungen aus der Zeit vor dem Krieg.

Beitrag von Micha Bärsch

11 Kommentare

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  1. 11.

    In jedem verdammten Krieg sterben und leiden Menschen - überall auf dieser Welt. Wenn allerdings Entfernungen, Ethnie oder kontinentale Zugehörigkeit für ihren Enthusiasmus ausschlaggebend sind, "kann dir niemand mehr helfen.".
    Have a nice Day

  2. 10.

    Die Einflussnahme auf die politische Meinung in (social) media wird bereits seit Langem durch bezahlte Trolle und Putinklackeure so praktiziert. Vertreter letzterer findet man auch hier.
    Sie versuchen das Thema zu verschieben. Es wird impliziert aber nicht gesagt, dass der Russische Feldzug rechtens sei. Nein, das ist er nicht. Ein Volk was nicht "befreit" werden will und erbittert militärisch und zivil Widerstand leistet, wird eingekesselt und zusammen geschossen. Das ist ein Vernichtungsfeldzug und erzwingt die Empörung und Anteilnahme der zivilisierten Menschen. Der geforderte Vergleich der Reaktion bei anderen Konflikten ist eher die Forderung auch dieses Unrecht hinzunehmen.
    Eine demokratische und pluralistische Gesellschaft basiert auf einem Konsens. Das beinhaltet auch den Umgang mit nationalistischen oder radikalen Strömungen und Meinungen wie sie in fast jedem Land zu finden ist. Normale Menschen rechtfertigen damit niemals einen Rachfeldzug durch Drittstaaten.

  3. 9.

    Vielen Dank, Sie sprechen mir aus dem Verstand!
    Wenn ich solche Bakermans immer lese, wird mir ganz anders...gefährliches Halbwissen und dann auch noch vor Solidarität triefend und belehrend daherkommen.

    Was in Deutschland zudem mitunter russischen Mitmenschen - und bürgern angetan wird, ist zutiefst beschämend!
    Aber Hauptsache, man/frau kann sich mal moralisch so richtig an was abarbeiten.

  4. 8.

    Danke. Sie haben Recht. Schön, dass es noch Menschen gibt, die noch nachdenken.

  5. 7.

    Wow, das ist aber toll, dass Sie jeden in eine Schublade stecken, der kyrillische Schriftzeichen im Namen hat! Sie kennen sich so gut aus, dass sie nicht mal wissen, wie man diese nennt? Wer sich nicht alles mit der Ukraine auskennt, aber 8 Jahre Krieg dort hat niemanden interessiert, auch Sie nicht, Mr. 1 Woche schon! Und sind Sie auch gegen Aufmärsche von tausenden NeoNazis in der Ukraine aktiv,zu Ehren der Völkermörder der UPA und die Fackelmärsche am Neujahrstag? Selbst Klitschko ist sich nicht zu fein, mit Swoboda und anderen radikalen Nationalisten zusammen zu agieren (2013),wo blieb da der Aufschrei? Ich bezweifle, dass Sie wirklich Fakten verbreiten,davon gibt es derzeit nur recht wenige, viele glauben zu wissen ohne sich wirklich mit dem Thema befasst zu haben und gießen so nur Öl ins Feuer!

  6. 6.

    Schau einfach genau hin! Fahre zum Hauptbahnhof, unterhalte dich mit den Flüchtlingen! Dieser Krieg ist nur ein paar Autostunden von uns entfernt. Und wenn das Gesehene dich nicht berührt, kann dir niemand mehr helfen. Hier geht eine frei gewählte Demokratie zu verteidigen um die Werte Europas zu verteidigen. Und das machen zu Zeit die Ukrainer für sich und für uns, deshalb darf keine Fragen geben. Nun heißt es Solidarität zu zeigen und zu helfen.

  7. 5.

    Ich glaube keinem Politiker. Die Amis haben uns auch belogen. Dann war der Krieg im Irak da. Auch sie haben es gerechtfertigt.

  8. 4.

    Wahrheiten:
    - über einen Krieg der gegen das Völkerrecht verstößt
    - über Desinformation von Russischer Seite
    Was ist das für eine Frage?

  9. 2.

    Ich finde es unfassbar wie naiv Putin ist und denkt er könne heutzutage seine Lügen durch Zensur beherrschen.

  10. 1.

    Ich kommentiere seit einer Woche auf Instagram mit den Wahrheiten über den Krieg! Jeder Adressat mit Russischen Schriftzeichen erhält eine Nachricht!

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