Fragen und Antworten - Das sollten Sie zu den Wahlwiederholungen in Berlin wissen
Die Pannen-Wahl von 2021 soll wiederholt werden. Mitte Februar wählen Berlinerinnen und Berliner erneut das Abgeordnetenhaus, die Bundestagswahl wird später wiederholt. rbb|24 klärt die wichtigsten Fragen.
Welche Wahlen von 2021 werden wiederholt und welche nicht?
Bei der Wahl am 26. September 2021 wurde der a) Bundestag, b) das Abgeordnetenhaus und c) die Bezirksverordnetenversammlungen gewählt, außerdem wurde über d) den Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungskonzerne entschieden. Nicht alles davon wird (komplett) wiederholt.
a) Die Bundestagswahl in Berlin soll wohl in den einigen Wahlbezirken wiederholt werden.
b) Die Abgeordnetenhauswahl soll komplett wiederholt werden.
c) Auch die Bezirksverordnetenwahlen werden wiederholt.
d) Der Volksentscheid wird nicht wiederholt, weil gegen sein Ergebnis kein Einspruch erhoben wurde.
Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat im November entschieden, dass die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnetenversammlungen komplett wiederholt werden müssen. Auf Landes- und Bezirksebene wird also in allen Berliner Wahlbezirken erneut gewählt. Am Sonntag, den 12. Februar 2023 soll die Wahlwiederholung stattfinden.
Für die Bundestagswahl steht nur eine teilweise Wiederholung im Raum, diese ist sehr wahrscheinlich. Das hat der Bundestag ebenfalls im November mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen FDP, Grüne und SPD beschlossen. Demnach soll in 431 der 2.257 Berliner Wahlbezirken ein weiteres Mal gewählt werden und zwar Erst- und Zweitstimmen. Gegen den Beschluss gibt es allerdings Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht. Ein Termin für die Wiederholung der Bundestagswahl ist deshalb noch nicht festgesetzt.
Wie kommt es zu den unterschiedlichen Terminen?
Nach dem Urteil des Berliner Verfassungsgerichts, die Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahlen für ungültig zu erklären, müssen die innerhalb einer Frist von 90 Tagen nach dem Gerichtsentscheid wiederholt werden. So kam es zum Termin im Februar.
Bei der Bundestagswahl ist die Terminfindung weniger eindeutig. Zwar hat der Bundestag die teilweise Wahlwiederholung beschlossen, jedoch kann diese Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht innerhalb von zwei Monaten angefochten werden. Wie lange das Gericht sich in diesem Fall für eine Entscheidung Zeit nimmt, ist nach wie vor völlig offen. Eine teilweise Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin könnte somit auch erst 2024 stattfinden.
Auch gegen die Wahlwiederholung auf Landesebene gibt es Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts soll allerdings erst nach der Wiederholungswahl fallen, die kann also vorerst wie geplant stattfinden. Ein Eilantrag, die Wahl zu verschieben, wurde am Dienstag abgelehnt.
Was bedeuten die Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht?
Das ist noch unklar. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag bedeutet noch nicht, dass die Wahlwiederholung an sich verfassungsgemäß ist. Es sind mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die Wahlwiederholung in Karlsruhe eingegangen. Über die soll jetzt in einem Hauptverfahren entschieden werden, das kann sich noch Monate ziehen.
Dass überhaupt noch einmal geprüft wird, überrascht. Das Landesverfassungsgericht hatte im November zunächst mitgeteilt, es sei keine Verfassungsbeschwerde zu befürchten, weil das Gericht mit seinem Votum nicht von der bisherigen Rechtssprechung der Bundesverfassungsrichter abgewichen wäre. Das stellte sich als Fehleinschätzung heraus, zumindest das Verfahren wird es geben. Was danach passiert, ist noch offen.
Wer darf bei möglichen Wiederholungswahlen abstimmen?
Alle, die zum Zeitpunkt der Wahlwiederholung wahlberechtigt sind - nach Alter und Wohnsitz. Da die Wahlen mehr als sechs Monate zurückliegen, muss ein neues Wählerverzeichnis erstellt werden.
Das hat vor allem Auswirkungen auf Menschen, die inzwischen nach Berlin hin- oder aus Berlin weggezogen sind, beziehungsweise das notwendige Wahlalter erreicht haben. Dieses liegt bei Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl bei 18 Jahren, bei der Wahl der Bezirksverordnetenversammlungen bei 16 Jahren. Damit können diejenigen Berlinerinnen und Berliner, die seit dem 26. September 2021 volljährig geworden sind, bei einer Wiederholungswahl (neu) abstimmen.
Stimmen für inzwischen verstorbene Menschen können nicht stellvertretend abgegeben werden.
Die Wahlbenachrichtigungen wurden bereits Anfang Januar verschickt - alle Wahlberechtigten sollten also benachrichtig sein.
Sind Wahlberechtigte, die auch am 26. September 2021 gewählt haben, sogar verpflichtet erneut zu wählen?
Auch bei der Wahlwiederholung gilt: Die Bürger haben ein Wahlrecht, aber nicht die Pflicht zu wählen. Kurz: Wer am 26. September 2021 in Berlin gewählt hat, kann auch diesmal, wenn er oder sie weiter in Berlin gemeldet ist, erneut wählen, unabhängig davon, ob er oder sie damals ihre Stimme abgegeben hat oder nicht. Die Wahl ist wie alle bundesdeutschen Wahlen freiwillig, wer also nicht abstimmt, muss keine Konsequenzen befürchten.
Bleibt bei denen, die damals gewählt haben, nun aber nicht teilnehmen, die Stimme aus dem September 2021 gültig?
Nein. Im Februar findet eine Wiederholungswahl statt und es zählt das dann ermittelte Ergebnis. Das Ergebnis vom September ist damit dann annulliert.
Kann ich per Brief wählen?
Die Briefwahl ist auch bei der Wahlwiederholung möglich. Die entsprechenden Unterlagen können seit dem 2. Januar und bis zum 10. Februar (18 Uhr) beantragt werden. Es ist allerdings ratsam, bei der Antragstellung die Laufzeiten der Post zu bedenken und deshalb besser nicht bis zur letzten Minute mit dem Antrag zu warten.
Der (Brief-)Wahlschein kann online [olmera.verwalt-berlin.de], per Mail, Post oder Fax beantragt werden. Der elektronische Antrag ist allerdings nur bis zum 7. Februar möglich.
Die ausgefüllten Briefwahlunterlagen müssen bis Sonntag, den 12. Februar, 18 Uhr beim Bezirkswahlamt eingegangen sein, sie können auch zu den Öffnungszeiten persönlich vorbei gebracht werden. Die Stadt weist darauf hin, dass für die postalische Einsendung drei Werktage eingeplant werden sollten.
In welchen Berliner Wahlkreisen soll die Bundestagswahl wiederholt werden?
Die meisten betroffenen Wahlbezirke liegen in Pankow. In 176 von 215 Wahlbezirken soll dort die Bundestagswahl wiederholt werden, das sind fast 82 Prozent der Wahlbezirke. In Charlottenburg-Wilmersdorf sind es 77 von 195 Wahlbezirken. Die wenigsten Pannen gab es mit drei von 158 Wahlbezirken in Spandau und in vier von 234 Wahlbezirken in Treptow-Köpenick.
In ganz Berlin sind 19,1 Prozent der Urnenwahlbezirke, sprich Wahllokale, betroffen, sowie 17,4 Prozent der Briefwahlbezirke. Hier können Sie nachschauen, ob Sie möglicherweise betroffen sind.
Dürfen die Parteien für die Wahlen neue Personen aufstellen?
Nein. Sowohl in Berlin als auch im Bund handelt es sich nicht um Neuwahlen, sondern um Wiederholungswahlen. Das heißt: Es werden die Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stehen, die 2021 gewählt werden konnten. Personen, die inzwischen Berlin oder Deutschland verlassen haben oder verstorben sind, werden auf den Wahlzetteln gestrichen. Neue Kandidatinnen und Kandidaten können an ihrer Statt nicht aufgestellt werden, können in den Wahlkreisen auf Landesebene aber nachrücken, wenn sie schon auf der Landesliste standen.
Was würden erneute Wahlen für die aktuellen Mehrheitsverhältnisse bedeuten?
Auf Landes- und Bezirksebene in Berlin soll eine vollständige Wiederholungswahl für Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen stattfinden. Somit ist auch eine neue Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses und der BVV möglich. Das bedeutet, dass unter Umständen nach der Neuwahl Abgeordnete in die Bezirks- und das Landesparlament einziehen, für die im September 2021 die Stimmenzahl nicht ausreichte und umgekehrt. Dabei gilt: Es werden die gleichen Kandidaten zur Wahl stehen wie im September 2021.
Die Folgen einer teilweisen Wiederholungswahl im Bund sind unklar. Möglicherweise werden danach weniger Abgeordnete aus Berlin im Bundestag sitzen, möglicherweise fliegen Abgeordnete aus anderen Bundesländern wieder aus dem Parlament.
Steht damit auch der Senat zur Wiederholungswahl, also könnte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey abgewählt werden?
Nein und ja. Die Berlinerinnen und Berliner stimmen bei der Wahlwiederholung nicht über die Landesregierung ab, sondern über das Abgeordnetenhaus.
Verändert sich aber die Sitzverteilung für die einzelnen Parteien nach der Wahl, verändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Abgeordnetenhaus. Auf der Grundlage dieser möglichen neuen Mehrheit besteht die Möglichkeit für Landesparlamentarier, ihre Regierung, also dem Senat, das Misstrauen auszusprechen und damit eine neue Senatsbildung auszulösen.
In den Bezirksverordentenversammlungen ist hier eine zusätzliche Hürde eingezogen: Die Bezirksbürgermeister und Bezirksstadträte erhielten nach ihrer Wahl im Herbst 2021 eine Absicherung als "Beamte auf Zeit". Dieser Status bleibt auch nach der Wahlwiederhoung bestehen. Sie können lediglich durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit ihrer Ämter enthoben werden.
Wann wird nach der Wahlwiederholung das nächste Mal wieder regulär gewählt?
Die Legislaturperioden in Berlin und im Bund laufen auch bei (partiellen) Wahlwiederholungen - darum handelt es sich nun - weiter. Die nächste Bundestagswahl würde somit 2025 stattfinden, die Berliner Wahlen dann 2026. Anders wäre es im Fall von Neuwahlen: Dann würde auch eine neue Wahl- und Legislaturperiode beginnen.
Gab es schon einmal eine Wahl in Deutschland, die wiederholt werden musste?
Offiziell ist es die erste komplette Wiederholungswahl (nicht: Neuwahl) auf Landesebene in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Allerdings wurden bereits zuvor Wahlen aus formalen Gründen für ungültig erklärt: die zur Hamburgischen Bürgerschaft im Jahr 1991 und die in Schleswig-Holstein 2009.
In Hamburg klagte eine Gruppe von etwa 20 CDU-Mitgliedern gegen die Gültigkeit der Bürgerschaftswahl 1991, weil die Kandidatenaufstellung bei der CDU gegen Wahlrechtsgrundsätze verstoßen hätte. Das Verfassungsgericht gab dem Antrag recht. Es kam zu einer Neuwahl am 19. September 1993.
In Schleswig-Holstein wurde gegen die Mandatsverteilung geklagt, weil CDU und FDP durch Ausgleichsmandate eine Mehrheit im Landtag erreichten, die nicht ihren prozentualen Stimmenanteilen entsprach. Das Landesverfassungsgericht Schleswig-Holstein entschied: Das Wahlgesetz sei verfassungswidrig und müsse geändert werden, und die nächste Landtagswahl bis spätestens 30. September 2012 stattfinden. Die Sitzverteilung im Landtag blieb aber bestehen. Die Landesregierung setzte Neuwahlen für den 6. Mai 2012 fest.
Wie legitim sind die Beschlüsse, die Abgeordnetenhaus und Bezirksverordnetenversammlung seit der Wahl gefasst haben?
"Alle bis zur Verkündung der Ungültigkeit erlassenen Rechtsakte des Abgeordnetenhauses bleiben nach dem heutigen Urteilsspruch wirksam", erklärte der Verfassungsgerichtshof bei der Erläuterung seines Urteils. Abgeordnetenhaus und Stadtverordnetenversammlungen seien außerdem bis zum Abschluss der Wiederholungswahl weiter berechtigt, ihre Aufgaben wahrzunehmen, hieß es.
Durfte und darf die Berliner Landesregierung zwischen der Entscheidung für die Wahlwiederholung im November und dem Wahltermin im Februar weiter Beschlüsse fassen?
Ja. Die Richter des Landesverfassungsgerichts haben bereits klar gesagt: Bis zur Wiederholungswahl ist die aktuelle Berliner Landesregierung ganz normal geschäftsfähig. Der Senat darf demnach auch noch wichtige Beschlüsse fassen, sofern er das für richtig hält. Bereits gefasste Beschlüsse gelten auch weiterhin. Lediglich bei Plänen für Verfassungsänderungen hat der Berliner Landeswahlleiter Bröchler Vorbehalte geäußert. Aber dies ist derzeit nicht geplant
Sind schon Pannen im Vorfeld der Wiederholungswahl bekannt geworden?
Ja, auch bei den Vorbereitungen zur Wiederholungswahl sind bereits Fehler passiert. Im Bezirk Treptow-Köpenick wurden beispielsweise in 49 Fällen Briefwahlunterlagen doppelt verschickt. Der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses hat deshalb Anfang Januar den neuen Landeswahlleiter Stephan Bröchler und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) einbestellt.
Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) werden aber wohl nicht zur Wiederholungswahl in Berlin kommen. Die Organisation hatte mitgeteilt, dass bei einem Besuch in Berlin alle Gesprächspartner Wahlbeobachter für nicht notwendig oder nützlich hielten und die zuständigen Landes- und Bezirksebenen zuversichtlich seien, die Wiederholungswahl effektiv durchzuführen. Bei einer möglichen Teil-Wiederholung der Bundestagswahl könnte das anders aussehen, da sind schon in der Vergangenheit regelmäßig Wahlbeobachter zugegen gewesen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 31.01.2023, 16:30 Uhr