Berliner Linke nach Absage durch SPD - Plötzlich wieder Opposition

Do 02.03.23 | 06:25 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Kultursenator Klaus Lederer DIE LINKE während einer Podiumsdiskussion zur Wahl Clubkultur im SchwuZ in Berlin am 1. Februar 2023. (Quelle: Imago Images/Emmanuele Contini)
Bild: Imago Images/Emmanuele Contini

Die Linke war mit den Sondierungsgesprächen eigentlich zufrieden, das zeigt ihr Abschlussbericht, der dem rbb vorliegt. Nun aber steht sie vor dem Gang in die Opposition – und möglicherweise vor einem Umbruch. Von Sebastian Schöbel

Während die Berliner Grünen noch von Enttäuschung und Irritation sprechen, probieren die Linken schon mal Oppositionsjargon aus. "Sollte sich die SPD tatsächlich in eine Koalition mit der rückwärts gewandten CDU begeben", warnte Linken-Chefin Katina Schubert, "droht der Stadt ein sozialer wie gesellschaftlicher Rollback."

Die Aussage kam, nachdem die Linken – genauso wie die Grünen – von der Absage der SPD aus den Medien erfahren hatten. Die beiden verprellten Koalitionspartner reagierten sichtlich angefasst: Es sei eigentlich vereinbart worden, vor der Entscheidung noch einmal miteinander zu sprechen, heißt es auf rbb-Nachfrage sowohl aus dem grünen als auch dem linken Sondierungsteam. Nicht einmal die beiden Spitzenkandidaten seien von ihrer Noch-Senatskollegin Franziska Giffey persönlich informiert worden.

Harsches Urteil im Sondierungspapier der SPD

Stattdessen gab es zum Abschied eine Abrechnung: In ihrem Sondierungspapier lässt die SPD kaum ein gutes Haar an Grünen und Linken. R2G sei "derzeit kein gemeinsames dauerhaftes und belastbares Projekt", heißt es in dem Schriftstück. Den Linken attestiert das SPD-Sondierungsteam zwar eine "verbindliche Herangehensweise und Verabredungsfähigkeit der politischen Führung", doch die Partei stehe "vor einer Zerreißprobe", weil "zentrale Protagonist:innen aktiv an einer Spaltung der Partei" arbeiten würden. Wer gemeint ist, wissen die Berliner Linken genau: Das Lager um Sahra Wagenknecht und die Russlandpolitik. Das wertet man im Karl-Liebknecht-Haus als besonders gemeines Ablenkungsmanöver, schließlich hatten sich gerade die Berliner Linken früh und deutlich gegen Wagenknecht positioniert

Allerdings wirft die SPD den Linken auch vor, in der Berliner Landespolitik zum Problem zu werden: Die Sondierungen hätten gezeigt, "dass die Aufweichung von Beschlüssen und die Verzögerung von Prozessen, zum Beispiel bei der Wohnungsbauförderung oder bei Bebauungsplänen, sich nicht nur verstetigen, sondern verstärken werden". Auch das reißt alte Wunde auf: Die SPD hatte nach der Wahl 2021 den Linken das Bauressort wieder abgenommen, mit dem Argument, den Neubau vor dem wirtschaftsfeindlichen Koalitionspartner schützen zu müssen. Die Linken revanchierten sich, in dem sie zu den lautesten Kritikern von Giffeys Neubau-Versprechungen wurden – von der Regierungsbank aus. An SPD-Bausenator Andreas Geisel arbeiteten sich dann vor allem Linken-Politiker wie Katalin Gennburg und Niklas Schenker ab. Aus Geisels Umfeld hieß es in der Wahlnacht am 12. Februar, er habe sich im Bauausschuss manchmal wie in einem Untersuchungsausschuss gefühlt – wegen der Linken.

Sogar bei der Vergesellschaftung war man sich – irgendwie - einig

Im Sondierungspapier der Linken, welches dem rbb vorliegt, kommt all das wiederum gar nicht zur Sprache. Im Gegenteil: Auf zwei Seiten wird aufgelistet, worauf man sich geeinigt hatte. Trotz angespannter Haushaltslage sollen Bürgerinnen und Bürger weiter entlastet werden, in der Bildungspolitik setzt man weiter auf Schulbauoffensive und verstärkte Lehrkräfteausbildung, und das Neutralitätsgesetz werde schnell auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hin angepasst. Selbst beim vermeintlich größten Brocken, der Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen, wurde laut dem Papier eine Lösungsformel gefunden: Ausgehend von den Empfehlungen der Expertenkommission solle ein Weg erarbeitet werden, der "in mehreren Schritten zu einer rechtssicheren Vergesellschaftung von Wohnraum führen kann."

Für einige Fragen wurden offensichtlich keine Lösungen gefunden, sie wurden auf mögliche Koalitionsverhandlungen verschoben: wie man die von der SPD geforderten Fortsetzung des 29-Euro-Tickets finanzieren kann, oder wie ein rot-grün-roter Senat künftig besser im Team regieren kann, statt wie zuletzt Streit öfter gegeneinander. Den Vorwurf, die Grünen hätten dabei vor allem eine alles dominierende Regierende Bürgermeisterin Giffey einhegen wollen, werten die Linken als sozialdemokratische Nebelkerze: Es sei vielmehr darum gegangen, einander auch mal Erfolge zu gönnen, heißt es auf Nachfrage. Die Linken jedenfalls kommen in ihrem Sondierungsbericht zu dem Schluss, "dass alle drei Parteien "eine Präferenz für eine Weiterführung der rot-grün-roten Koalition haben".

Was wird aus dem linken Senatspersonal?

Die SPD sieht das offenbar anders. Für die Linke steht damit die Rückkehr in die Opposition an – und möglicherweise eine Phase des Umbruchs. Denn während Klaus Lederer trotz des verpassten Direktmandats über die Landesliste ins Abgeordnetenhaus zurückkehrt, gilt das für Justizsenatorin Lena Kreck und Sozialsenatorin Katja Kipping nicht. Beide wurden erst nach der Wahl 2021 nach Berlin geholt und haben kein Mandat im Parlament. Kreck könnte in die Wissenschaft zurückkehren. Kipping hingegen hatte sich für den Senatsposten extra aus dem Bundestag verabschiedet. Ihre Zukunft wäre dann ungewiss.

Allerdings hat sich die gebürtige Dresdnerin vor allem in der Flüchtlingskrise Meriten erworben. Im Mai steht die nächste Wahl einer Parteiführung an – und der Parteitag im September votierte klar für eine Doppelspitze. Gut möglich, dass die 45-jährige Kipping dann noch einmal eine Rolle spielen wird.

Beitrag von Sebastian Schöbel

86 Kommentare

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  1. 86.

    Ein neuer Stand-Up Commedien ist geboren, sein Name Klaus Lederer. In seiner Commedie-Show spricht er von der rückwärts gewandten CDU. Er vergisst/verschweigt dabei, dass seine Partei, die Linken, seit 2016 Regierungspartei sind und dabei wenig bewirkt haben. Von Rückschritt reden, aber selbst nicht in der Lage zu sein, den Vorwärtsgang einzulegen ist schon ein Lacher. Unter RGR herrscht in Berlin Chaos, Stillstand, in einigen Bereichen auch Rückschritt.

  2. 85.

    "Allerdings hat sich die gebürtige Dresdnerin vor allem in der Flüchtlingskrise Meriten erworben" - Die ist ein Witz. Einladen und verteilen, (fremdes) Geld ausgeben usw. sind keine "Meriten". Frau Kipping wurde genau andersrum wahrgenommen: mit "gönnerhaftem" Gehabe und unverschämt dreisten Forderungen, was andere zu machen haben.
    Das die, zum großen Teil extremen Ansichten, vom Rand der Gesellschaft, sich nach der Wahl immer mehr wie hin, zum gesamten Bundesgebiet entwickeln, ist ein deutliches Zeichen wie stark die demokratische Mitte eigentlich ist. Und das beruhigt dann doch wieder in Zeiten der Polarisation.

  3. 84.

    Für mich, kein Linker, ist Klaus Lederer ein sehr umsichtiger und guter Politiker. Schade, dass er keine Verantwortung mehr tragen wird. Das ist für Berlin definitiv ein Nachteil.
    Er sollte die Partei wechseln.

  4. 83.

    Frau Kipping verteilte mit vollen Händen das Geld der Berliner Steuerzahler an die "Armen". Und zwar so, dass für die Funktionalität der Verwaltung keine Finanzmittel mehr übrig waren. Stimmenfang der Linken, so wie auch Lederer, der immer populistisch seine teuren Kulturprojekte feiern ließ. Jetzt beides jetzt Geschicht, danke an die Wähler.

  5. 82.

    Die Linke sollte sich erst mal fragen, warum sich im Ostteil in den letzten 30 Jahren ihr Stimmenanteil halbiert hat.
    Andererseits wollte Giffey schon nach den letzten Wahlen lieber mit der CDU regieren, also ist das jetzt nicht erstaunlich.

  6. 81.

    ich bin zufrieden mit dem ergebnis.
    Besser als das was war und freue mich auf ein neuen Kultursenat.
    Selber Schuld und hätte sich mehr um uns Künstler auserhalb des Stadtring und Berlin-West kümmern sollen,als umzuverteilen in sein Klientel....
    habe noch nie die CDU gewählt,das erstemal um Koaliation abzuwählen .Insbesondere Herr Lederer-und der Kandidatencheck,hat das Fass zum Überlaufen gebracht....Beileid....Habe Ihn ja in der Münze schon gesagt,Politiker haben sich bei dem Volk zu bewerben und nicht umgedreht.Wenn Sie uns nicht vertreten,werden Sie abgewählt.....Lebe Wohl

  7. 80.

    Die Linken wollen einfach nicht akzeptieren das sie durch die Berliner abgestraft wurde und niemand Lust auf Katina Schubert und ihr ewiges "Die anderen sind schuld" hat,gleichwohl hat sich ein Herr Lederer auch nur um seine Klientel gekümmert und nicht um die Berliner Kultur.
    Berlin braucht keine Linke ,die sich nur an Posten kleben will und schon lange nicht handlungdfähig ist
    Auch eine Frau Kaltenbach sollte mal überlegen worüber sie ihre Märchen erzählt

  8. 79.

    Deswegen zieht man dann nach Berlin, um dann im Brandenburger Sumpf landet, wo man nach kürzester Zeit dann selbst versinken will. Dann doch lieber Duisburg, Da hat man Stadt, bessere Löhne, bezahlbaren Wohnraum und ein vielfältiges Angebot an Arbeitsplätzen von Köln bis Dortmund alles innerhalb einer Stunde zu erreichen.

  9. 78.

    Die Linken klammern sich verzweifelt an jeden Strohalm und würden mit allem und jedem koalieren, der sich bietet. Wären am 12 Februar auch Bundestagswahlen gewesen, dann würden jetzt 39 linke Abgeordnete aus dem Bundestag fliegen, die Linken wären im Bund nicht mehr existent. Eines der 3 dafür nötigen Direktmandate, namentlich Lichtenberg, hat sich in Luft aufgelöst, deswegen wollen die Lichtenberger Linken auch klagen. 3 Auszählungen und 3 unterschiedliche Ergebnisse. Jetzt eine 4. und die Linken hoffen, dass auch die 4. Auszählung erneut andere Ergebnisse bringt. Wie traurig ist das, wenn bei jeder Auszählung andere Ergebnisse herauskommen. Haben die anderen Bezirke einfach nicht oft genug gezählt?
    Kommentar 70 hat Recht. Die Linken sind mehr als eine Gefahr für die Demokratie und die Freiheit, nicht nur deren radikale Anhänger, die Berlin immer wieder "angreifen" und terrorisieren.

  10. 77.

    Nennt sich pendeln, ist überall in Deutschland ganz normaler Alltag. Verlassen Sie mal Ihre Berliner Insel der Glückseligkeit und schauen Sie sich die Realität an.

  11. 76.

    So ein Unsinn. Berlin verzeichnet ein Nettowachstum. Hochqualifizierte ziehen nach Berlin, weil mit guten Gehältern, auch normale Mieten gezahlt werden können und man in der Gehaltsklasse sowieso nie Wohngeld erhalten hat. Reine Polemik, was sie da sagen.

  12. 75.

    Also im Bestand liegen wir in Berlin zwischen 6,50 Euro/qm bis 7,00 Euro/qm, somit haben Bestandsmieter mit Altverträgenndoch gar kein Thema (RBB berichtete). Außerdem muss der Anspruch runter, also weniger Fläche pro Bewohner.

  13. 74.

    War als Ergänzung gemeint. Wie soll man junge gelernte Kräfte in der Stadt halten oder gewinnen. So jedenfalls nicht.

  14. 73.

    Bei diesen, für junge normal verdienende, junge Familien aufgerufenen Mieten, greift nicht mal mehr das Wohngeld, weil es da eine Obergrenze gibt. Da darf man sich nicht mehr warum diese jungen qualifizierten Kräfte z.B. lieber ins Ruhrgebiet ziehen.

  15. 72.

    Naja, wenn schon erinnern, dann richtig. Die Umbenennung von SED in PDS war am 4. Februar 1990.

  16. 71.

    Vielleicht mag ich den Lederer ja als einzigen Linken. Und Frau Kipping war auch ne intelligente Dame. Aber dann reißt es auch schon deutlich ab °~°

    Ich glaube, in der Opposition können sich die Strömungen besser konsolidieren, ohne die Last, dem Regierungspartner entsprechen zu müssen.

    Vor allem aber ist dieser Mädelsverein "Emma und Sarah" etwas, das ich, auch in der 2. Reihe, nicht ertragen wollen würde....

    Klar, es gibt IMMER gruselige Familienmitglieder. Aber wenn die gerade den Ton angeben, muss ich mit der Familie nix machen *_*

  17. 70.

    Opposition ist noch zu wenig. Man müsste die Linke mit einer städtischen Kehrmaschine von der politischen Bühne fegen!

  18. 69.

    So ganz verstehe ich Ihren Einwand oder sollte das doch eine Ergänzug sein????- nicht. Jedenfalls leistet sich die Stadt Berlin nun schon jahrelang ziemlich tapfer den Abriss von Wohngebäuden. Es sind so über die Jahre gesehen immer 1000 .
    Bisher konnte es von RGR nicht gelöst werden und was wird Herr Wegner machen? Das, was ich vernahm, stellte das von Ihnen benannte Problem nicht auf die Agenda. Daher denke ich, es wird kaum vorwärtsgehen. Ja, und richtig ist auch, dass es um diejenigen gehen sollte, die arbeiten(wollen)muss man ja nun schon sagen. Meine Meinung ist, dass es um die normal berufstätge Bevölkerung gehen muss. Nicht um Boheme/Hipster und Co. Ein geregeltes Arbeitsleben verlangt neben einem leistbaren Wohnen fkt. ÖPNV, qualifzierte Kinderbetreuung und Schulen. Alles andere kann man sich je nach Verdienst leisten oder nicht. Mondpreise f. Wohnen, Verkehrs- und neuerdings Lebensmittel gehen eben nicht.

  19. 68.

    Wenn ein Vertreter der ehemaligen Mauerschützen-und Stasipartei und viermal umbenannte SED von "rückwärts gewandten CDU" schwadroniert, entbehrt es einer gewissen Komik.
    Enteignungsfantasien a la 1953, Verstaatlichungsträume gehören zu den Genen dieser Partei, die jetzt, Gott sei Dank, in die Opposition.
    Auch, wenn sich ewig Gestrige an ein anders laufendes Urteil des Bundesverfassungsgericht klammern.
    Letztlich wird über die Hälfte aufatmen, dass Frau Jarasch Einhalt geboten wurde.

  20. 67.

    Bevor die Linken wieder zu einer Wahl antreten sollten sie für die Wähler klarstellen, wo bzw. wofür und wogegen sie eigentlich sind. Also erst mal die Zersplitterung in linke Linke und rechte Linke und vielleicht auch noch in mittlere Linke abschließen - und dann seaparat kandidieren.

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