Parteitag der Berliner CDU - Wiederholungswahl wird für Wegner zur Schicksalswahl
Sorgen um seine erneute Kür zum Spitzenkandidaten muss sich der Berliner CDU-Chef Kai Wegner nicht machen. Ob er aber auch nach der Wahl im Februar noch das Sagen in der Partei haben wird, ist offen. Von Thorsten Gabriel
Die CDU duzt jetzt. Nicht die Wahlberechtigten, aber zumindest die Stadt: "Berlin, wähl dich neu", empfiehlt sie der Metropole. Um dann sicherheitshalber noch zu ergänzen: "Berlin, wähl CDU." Die Plakatkampagne hat die Partei bereits vor einer Woche präsentiert, nun folgt am Samstag der Parteitag, auf dem so etwas wie ein Wahlprogramm-Update und die Kür des Spitzenkandidaten vollzogen wird.
Im Leitantrag "Ein besseres Berlin ist möglich" wird im Wesentlichen auf das für die vergangene Wahl beschlossene Programm verwiesen, das weiter gültig sei. Um wenigstens etwas Papier in der Hand zu haben, über das abgestimmt werden kann, wurden noch einmal die wichtigsten Punkte zusammengeschrieben - formuliert als Rückblick vom Jahr 2027 aus betrachtet: So zauberhaft sähe die Stadt dann aus, wenn die CDU ab sofort regieren könnte. Vor allem würde sie eines: funktionieren, dank einer umfassenden Staats- und Verwaltungsreform.
Wegner hat die Partei fest im Griff - noch
Im Mittelpunkt des Parteitags aber steht die erneute Nominierung des Landesparteichefs Kai Wegner zum Spitzenkandidaten. Schlaflose Nächte musste der 50-jährige Spandauer vor dem Parteitag nicht haben. Seine CDU wird ihn ohne Wenn und Aber zur strahlenden Nummer eins küren, wie es Parteidisziplin und Anstand vor einer Wahl gebieten. Auch dreieinhalb Jahre nach seinem Antritt als Landesvorsitzender hat er die Berliner CDU noch immer fest im Griff.
Seine Qualitäten als rund um die Uhr netzwerkender Parteimanager bestreitet niemand in der Partei - auch nicht diejenigen, die sich durchaus jemanden mit mehr Strahlkraft an der Spitze wünschen würden. Wegner, so sagen auch sie, sei ein Mann mit "außergewöhnlichen Stärken" im persönlichen Gespräch. Dort zeige er stets bemerkenswerte Präsenz. Das wissen sie in der Partei wertzuschätzen.
Eine absurde Schlagzeile sorgt für Wirbel
Dass die Berliner CDU trotzdem kein bedingungsloser Wegner-Wahlverein ist, wurde allerdings Ende Oktober deutlich. Da sorgte die absurd anmutende Schlagzeile für Wirbel, Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stünde bereit, um bei der Wiederholungswahl als Spitzenkandidat der Berliner CDU anzutreten. Führende Bundespolitiker, allen voran Bundesparteichef Friedrich Merz, hätten sich für Spahn stark gemacht, außerdem würde dessen Kandidatur in Kreisen der Berliner Wirtschaft begrüßt.
Die Absurdität dieser Nachricht bestand darin, dass Spahn lediglich ein reiner Marketingkandidat gewesen wäre, ohne dass er auf irgendeinem Stimmzettel hätte erscheinen können. Im Erfolgsfalle hätte er allerdings vom Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden können. Dementis von Merz und Spahn ließen nicht lange auf sich warten.
Czaja und Wegner sind nicht die allerbesten Freunde
Nicht nur im Umfeld Wegners machen viele den früheren Berliner Sozialsenator und heutigen Generalsekretär der Bundes-CDU Mario Czaja für diese irritierende Schlagzeile verantwortlich. Czaja und Wegner sind nicht die allerbesten Freunde. Schon im Wahlkampf des vergangenen Jahres torpedierte der Marzahn-Hellersdorfer Kreisvorsitzende seinen Parteichef, um damit im eigenen Bundestagswahlkampf zu punkten.
Dieser neue Medien-Coup löste bei den meisten in der Partei nur Kopfschütteln und teils auch Verärgerung aus. Von Dilettantismus ist die Rede - allerdings längst nicht bei allen. Hört man sich nämlich in den Kreisverbänden östlich des Brandenburger Tores um, bekommt man viele wohlwollende Rückmeldungen auf die so abwegig scheinende Idee.
Die Berliner CDU ist nach wie vor eine "West-Partei"
Fragt man weiter nach, kann man überraschend eine alte Wunde entdecken, die bis heute nicht verheilt ist: Die Berliner CDU ist nach wie vor eine "West-Partei". In den westlichen Bezirken hat sie mehr als zwei Drittel ihrer Mitglieder, dort sind die Kreisverbände, die das Sagen haben und die Wegners Macht zementieren. Die Verbände in den östlichen Bezirken fühlen sich dagegen oft zu kurz gekommen mit ihren Bedürfnissen.
Wenn es also einen Erklärungsansatz für die mediale Spahn-Pirouette gibt, dann diesen: Es war ein Motivations-Signal an die Ost-Kreisverbände. Seht her, die Macht eines Kai Wegners muss nicht ungebrochen bleiben, es gäbe Alternativen. Für Wegner selbst war es dementsprechend ein Warnschuss. Er weiß nun: Für ihn steht bei dieser Wiederholungswahl mehr auf dem Spiel als 2021.
Wegners innerparteiliche Qualitäten sind unbestritten
Die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung schätzen auch Optimisten innerhalb der CDU nicht als besonders hoch ein. "Die Wahrscheinlichkeit liegt bei maximal 20 Prozent", sagt ein Parteistratege, der aus nachvollziehbaren Gründen nicht namentlich genannt werden will. Zwar hätte die Union mittlerweile keine allzu großen Vorbehalte mehr gegen ein Bündnis mit grüner Beteiligung - umgekehrt gilt dies allerdings schon noch. Eine Fortsetzung in der Opposition scheint angesichts der Umfragelage und der eher ungünstigen Koalitionsoptionen wahrscheinlicher. "Aber Wegner müsste ja dann nicht Fraktionschef bleiben", denkt jemand anderes laut nach.
Anders als bei früheren Führungsstreits in der Berliner CDU gibt es diesmal keinen offenen Machtkampf. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Wegners innerparteiliche Qualitäten unbestritten sind. Nach außen mangele es ihm dagegen an Präsenz, er sei mehr ein Parteiverwalter, hört man wiederum vor allem aus den östlichen Kreisverbänden. Und auch dies: In den West-Bezirken scheine die Berliner CDU sich selbst genug zu sein, Hauptsache die Macht sei gut untereinander aufgeteilt.
Der BerlinTrend in Grafiken
Die CDU "von unten erneuen", wünschen sich manche
Das ist die etwas frustgeschwängerte Perspektive an manchen Parteistammtischen im Osten der Stadt. Die Berliner CDU müsse sich "von unten her" erneuern, sagen sie.
Doch davon wird auf dem Parteitag am Samstag nichts zu spüren sein. Vor der Wahl heißt die Parole: die Reihen geschlossen halten. Bundesparteichef Friedrich Merz wird als Gast erwartet und der Hauptstadt-Union ein paar motivierende Worte mit auf den Weg geben und Wegner den Rücken stärken. Wie in allen Parteien herrscht pflichtschuldige Aufbruchstimmung. "Ein besseres Berlin ist möglich", steht über dem Leitantrag. Worauf einige in der Union hoffen: dass auch "eine bessere CDU" möglich ist.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.11.2022, 7:00 Uhr
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