Parteitag der Berliner CDU - Wiederholungswahl wird für Wegner zur Schicksalswahl

Sa 26.11.22 | 08:08 Uhr | Von Thorsten Gabriel
  31
Kai Wegner, Spitzenkandidat und Landesvorsitzender der CDU Berlin, spricht am 18.11.2022 bei einem Pressetermin über die Ziele seiner Partei bei der anstehenden Wahl zum Abgeordnetenhaus. (Quelle: dpa/Paul Zinken)
Audio: rbb24 Inforadio | 26.11.2022 | Thorsten Gabriel | Bild: dpa/Paul Zinken

Sorgen um seine erneute Kür zum Spitzenkandidaten muss sich der Berliner CDU-Chef Kai Wegner nicht machen. Ob er aber auch nach der Wahl im Februar noch das Sagen in der Partei haben wird, ist offen. Von Thorsten Gabriel

Die CDU duzt jetzt. Nicht die Wahlberechtigten, aber zumindest die Stadt: "Berlin, wähl dich neu", empfiehlt sie der Metropole. Um dann sicherheitshalber noch zu ergänzen: "Berlin, wähl CDU." Die Plakatkampagne hat die Partei bereits vor einer Woche präsentiert, nun folgt am Samstag der Parteitag, auf dem so etwas wie ein Wahlprogramm-Update und die Kür des Spitzenkandidaten vollzogen wird.

Im Leitantrag "Ein besseres Berlin ist möglich" wird im Wesentlichen auf das für die vergangene Wahl beschlossene Programm verwiesen, das weiter gültig sei. Um wenigstens etwas Papier in der Hand zu haben, über das abgestimmt werden kann, wurden noch einmal die wichtigsten Punkte zusammengeschrieben - formuliert als Rückblick vom Jahr 2027 aus betrachtet: So zauberhaft sähe die Stadt dann aus, wenn die CDU ab sofort regieren könnte. Vor allem würde sie eines: funktionieren, dank einer umfassenden Staats- und Verwaltungsreform.

Wegner hat die Partei fest im Griff - noch

Im Mittelpunkt des Parteitags aber steht die erneute Nominierung des Landesparteichefs Kai Wegner zum Spitzenkandidaten. Schlaflose Nächte musste der 50-jährige Spandauer vor dem Parteitag nicht haben. Seine CDU wird ihn ohne Wenn und Aber zur strahlenden Nummer eins küren, wie es Parteidisziplin und Anstand vor einer Wahl gebieten. Auch dreieinhalb Jahre nach seinem Antritt als Landesvorsitzender hat er die Berliner CDU noch immer fest im Griff.

Seine Qualitäten als rund um die Uhr netzwerkender Parteimanager bestreitet niemand in der Partei - auch nicht diejenigen, die sich durchaus jemanden mit mehr Strahlkraft an der Spitze wünschen würden. Wegner, so sagen auch sie, sei ein Mann mit "außergewöhnlichen Stärken" im persönlichen Gespräch. Dort zeige er stets bemerkenswerte Präsenz. Das wissen sie in der Partei wertzuschätzen.

Eine absurde Schlagzeile sorgt für Wirbel

Dass die Berliner CDU trotzdem kein bedingungsloser Wegner-Wahlverein ist, wurde allerdings Ende Oktober deutlich. Da sorgte die absurd anmutende Schlagzeile für Wirbel, Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stünde bereit, um bei der Wiederholungswahl als Spitzenkandidat der Berliner CDU anzutreten. Führende Bundespolitiker, allen voran Bundesparteichef Friedrich Merz, hätten sich für Spahn stark gemacht, außerdem würde dessen Kandidatur in Kreisen der Berliner Wirtschaft begrüßt.

Die Absurdität dieser Nachricht bestand darin, dass Spahn lediglich ein reiner Marketingkandidat gewesen wäre, ohne dass er auf irgendeinem Stimmzettel hätte erscheinen können. Im Erfolgsfalle hätte er allerdings vom Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden können. Dementis von Merz und Spahn ließen nicht lange auf sich warten.

Czaja und Wegner sind nicht die allerbesten Freunde

Nicht nur im Umfeld Wegners machen viele den früheren Berliner Sozialsenator und heutigen Generalsekretär der Bundes-CDU Mario Czaja für diese irritierende Schlagzeile verantwortlich. Czaja und Wegner sind nicht die allerbesten Freunde. Schon im Wahlkampf des vergangenen Jahres torpedierte der Marzahn-Hellersdorfer Kreisvorsitzende seinen Parteichef, um damit im eigenen Bundestagswahlkampf zu punkten.

Dieser neue Medien-Coup löste bei den meisten in der Partei nur Kopfschütteln und teils auch Verärgerung aus. Von Dilettantismus ist die Rede - allerdings längst nicht bei allen. Hört man sich nämlich in den Kreisverbänden östlich des Brandenburger Tores um, bekommt man viele wohlwollende Rückmeldungen auf die so abwegig scheinende Idee.

Die Berliner CDU ist nach wie vor eine "West-Partei"

Fragt man weiter nach, kann man überraschend eine alte Wunde entdecken, die bis heute nicht verheilt ist: Die Berliner CDU ist nach wie vor eine "West-Partei". In den westlichen Bezirken hat sie mehr als zwei Drittel ihrer Mitglieder, dort sind die Kreisverbände, die das Sagen haben und die Wegners Macht zementieren. Die Verbände in den östlichen Bezirken fühlen sich dagegen oft zu kurz gekommen mit ihren Bedürfnissen.

Wenn es also einen Erklärungsansatz für die mediale Spahn-Pirouette gibt, dann diesen: Es war ein Motivations-Signal an die Ost-Kreisverbände. Seht her, die Macht eines Kai Wegners muss nicht ungebrochen bleiben, es gäbe Alternativen. Für Wegner selbst war es dementsprechend ein Warnschuss. Er weiß nun: Für ihn steht bei dieser Wiederholungswahl mehr auf dem Spiel als 2021.

Wegners innerparteiliche Qualitäten sind unbestritten

Die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung schätzen auch Optimisten innerhalb der CDU nicht als besonders hoch ein. "Die Wahrscheinlichkeit liegt bei maximal 20 Prozent", sagt ein Parteistratege, der aus nachvollziehbaren Gründen nicht namentlich genannt werden will. Zwar hätte die Union mittlerweile keine allzu großen Vorbehalte mehr gegen ein Bündnis mit grüner Beteiligung - umgekehrt gilt dies allerdings schon noch. Eine Fortsetzung in der Opposition scheint angesichts der Umfragelage und der eher ungünstigen Koalitionsoptionen wahrscheinlicher. "Aber Wegner müsste ja dann nicht Fraktionschef bleiben", denkt jemand anderes laut nach.

Anders als bei früheren Führungsstreits in der Berliner CDU gibt es diesmal keinen offenen Machtkampf. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Wegners innerparteiliche Qualitäten unbestritten sind. Nach außen mangele es ihm dagegen an Präsenz, er sei mehr ein Parteiverwalter, hört man wiederum vor allem aus den östlichen Kreisverbänden. Und auch dies: In den West-Bezirken scheine die Berliner CDU sich selbst genug zu sein, Hauptsache die Macht sei gut untereinander aufgeteilt.

Der BerlinTrend in Grafiken

Die CDU "von unten erneuen", wünschen sich manche

Das ist die etwas frustgeschwängerte Perspektive an manchen Parteistammtischen im Osten der Stadt. Die Berliner CDU müsse sich "von unten her" erneuern, sagen sie.

Doch davon wird auf dem Parteitag am Samstag nichts zu spüren sein. Vor der Wahl heißt die Parole: die Reihen geschlossen halten. Bundesparteichef Friedrich Merz wird als Gast erwartet und der Hauptstadt-Union ein paar motivierende Worte mit auf den Weg geben und Wegner den Rücken stärken. Wie in allen Parteien herrscht pflichtschuldige Aufbruchstimmung. "Ein besseres Berlin ist möglich", steht über dem Leitantrag. Worauf einige in der Union hoffen: dass auch "eine bessere CDU" möglich ist.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.11.2022, 7:00 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 26.11.2022 um 20:25 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Thorsten Gabriel

31 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 31.

    Eine Korrektur zu meinem Text, die Regionen lagen nicht nur in Bayern!

  2. 30.

    Nach dem Krieg wurden nur die Regionen vor dem "Eisernen Vorhang " gefördert, und die lagen bekanntlich nur in Bayern, aber Bayern wusste die Fördermittel am besten zu nutzen, siehe Oberpfalz.
    Tja, der Neid und die Voreigenommenheit sind schlechte Ratgeber.

  3. 28.

    Sollte die SPD auf Platz 1 kommen, bleibt Giffey mit ziemlicher Sicherheit auch Regierende Bürgermeisterin.
    Denn dann dürfte es wohl für CDU/Grüne nicht reichen.
    Allerdings gab es heute eine neue bundesweite Umfrage.
    CDU/CSU 29%
    SPD + GRÜNE jeweils 19%
    Falls sich diese Entwicklung fortsetzt und die CDU eine Materialschlacht in Berlin veranstaltet, ist hier wirklich alles offen. Ich denke mal, dass wird einer der heftigsten Wahlkämpfe werden.

  4. 27.

    "Ich wählte Frau Giffey, weil ich nicht damit rechnete, dass ihre Partei gegen eine Zusammenarbeit mit der CDU war."
    Tja das wird nicht nur ihnen so gegangen sein. Aber ich denke mal das passiert den Bürgern nicht noch einmal!

  5. 26.

    Ich wählte Frau Giffey, weil ich nicht damit rechnete, dass ihre Partei gegen eine Zusammenarbeit mit der CDU war. Diesen Fehler mache ich nicht das nächste Mal.

  6. 25.

    Ich wünsche mir auch einen Regierungswechsel. Aber warum schickt die CDU einen so schwachen Kandidaten ins Rennen? Mit einem guten, sympathischen Kandidaten, der für Aufbruch steht und diesen auch ausstrahlt wären mit Sicherheit viel mehr Prozentpunkte drin. Echt schade; so wird es wohl leider mit dem Regierungswechsel nichts.

  7. 24.

    Auf die bayr. CSU kann ich gerne verzichten, und wenn Söder mit dem Baum kuschelt, krieg ich einen Brechreiz! Und dass mit der Wirtschaft im Süden liegt daran, dass die Bayern das Glück hatten, nach dem Krieg massiv subventioniert wurden, und Berlin als Mauerstadt war für die Wirtschaft halt nicht attraktiv genug. WArum sollten die Bayern daran etwas ändern wollen. Aber trotzdem wollen sehr viele immer noch nach Berlin, und Berlin ist stark überfordert mit der Situation. Aber die CDU wird das nicht besser machen, die meckern nur ohne konkrete Vorschläge zu machen.

  8. 23.

    Wir Berliner haben im Februar die einmalige Chance, diesen RGR-Senat abzuwählen. Herr Wegener ist auch nicht mein Lieblingspolitiker, aber er ist die einzige Alternative, den derzeitigen Spuk zu beenden. Es muss in dieser Stadt wieder Politik gemacht werden, die alle Bürger berücksichtigt, und nicht nur Radfahrende und grüne Ideologen. Wenn wir diese Chance nicht nutzen....dann gnade Gott

  9. 22.

    Wer von den Parteien ist denn noch wählbar? Bei RRG ballt sich mir die Faust in der Hosentasche, CDU der Bankenskandal, unvergesslich. Die Blauen stehen mir dem Putler zu nahe, ähnlich wie bei Links aussen, zudem waren die mir zu Europa feindlich. Die Gelben eher für die Villeneigentümer, also wat denn jetzt?

  10. 21.

    Wünsche Herrn Wegner daß er Bürgermeister von Berlin wird.
    Einen Neuanfang können wir alle gut gebrauchen.

  11. 20.

    "Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Giffey einen fulminanten Wahlkampf hinlegt und am Ende klar vorn liegt.
    Sie ist ja auch deutlich beliebter als die anderen."
    Da gebe ich ihnen recht. Das Problem ist dabei die SPD in Berlin, die wird keine Koalition mit der CDU zulassen wenn es andere Optionen gibt. Frau Giffey kann zwar die Wahl gewinnen aber Reg. Bürgermeisterin ist sie dann noch lange nicht!

  12. 19.

    Ein paar Stimmen mehr im Osten und es würde reichen. So z.B: Erbpacht, mit späterer Kaufoption, zur Verfügung stellen, um die Eigentumsquote zu erhöhen. Und Stadtgrün mit Parkplätzen in Marzahn schaffen. Und die Tram attraktiver machen. Und Radwege in die Innenstadt als Erlebnis gestalten usw.
    In den Stammbezirken für Ruhe und Ordnung sorgen, die Wildschweine verscheuchen usw.
    Die Grünen von liberaleren Positionen überzeugen.
    Alte Skandale offensiv nutzen, um darauf hinzuweisen was passieren kann, wenn Personen mit charakterlichen Schwächen, zu lange viel Macht haben. Das ist nicht parteienabhängig. Wer es dennoch versucht zu unterstellen, hat moralische Schwächen. Ist leicht zu erkennen.

  13. 17.

    @Anton
    Ein einfaches rechachieren im Netz lässt Ihre hier verbreiteten Lügen und Fake News platzen. Selbst, wenn hier unsinnige Lügen und Diffamierungen des CDU-Chef Kai Wegner verbreitet werden, die in "Wegner passt perfekt in die Reihe seiner Vorgänger Landowski, Steffel, Henkel..." gipfeln.
    Runde 20 Jahre linksgrünes Experimente, lässt Berlin da stehen, wo es jetzt steht. Würde man Berlin überdachen, wäre es eine geschlossene Anstalt.

  14. 15.

    Warum der farblose Kai Wegner Spitzenkandidat ist erschließt sich mir auch nicht. Die älteren Berliner müssten sich aber erinnern, dass die CDU immer wenn sie in Berlin an die Macht kam einen Schuldenberg übernehmen mußte, den die SPD geführten Landesregierungen aufgehäuft hatten.
    Die unfähigsten Bürgermeister waren ja wohl Walter Momper und Klaus Wowereit. Wowereit war es ja auch, der durch eine Intrige die Diepgen Regierung gestürzt hat.

  15. 14.

    Ach, schaut man nach Bayern, dann wünscht man sich die selben Vehältnisse in Berlin: kaum Arbeitslosigkeit, wenige Grundsicherungempfänger, funktionierende Wirtschaft, ein hohes BIP, und Klassenprimus bei PISA- Tests.
    Die CSU handelt, und sie ist für das hiesige föderale System dankbar.

  16. 13.

    "Wie Lächerlich, Berliner Sumpf.....Diepgen/Landowsky und nun? Rot/Rot hat Unsere Wohnungen verkauft und nun? "

    Und immer die gleichen Lügen und Halbwahrheiten. Diepgen wurde mit deutlichen Mehrheit aaufgrund des Milliardenskandals abgewählt und Rot/Rot durfte die Kastanien aus dem Feuer holen!

    "Der Bund lehnte im April 2003 ab, dem Land Schuldenhilfe zu gewähren. Daraufhin reichte Berlin im Herbst Klage beim Bundesverfassungsgericht ein; in einer Erklärung des Senats heißt es, das Land erfülle die Kriterien, wie sie im Urteil zur Haushaltsnotlage der Länder Saarland und Bremen 1992 festgestellt wurden. Man erhoffte sich Hilfen zum Schuldenabbau in Höhe von 35 Milliarden Euro, jedoch wurde die Klage am 19. Oktober 2006 mit der Begründung, das Ausbleiben der Sanierungshilfe sei mit der Verfassung vereinbar, abgelehnt. Dem Urteil zufolge könne Berlin sein Finanzproblem aus eigener Kraft überwinden. "

  17. 12.

    Wenn Arroganz, Unfähigkeit, Bürgerfeindlichkeit, Klientelpolitik, Dummheit, Selbstverliebtheit, Selbstbeweihräucherung u.a. durch die jetzige irreguläre Regierung ausgelebt wird, passt doch ein Kai Wegener gut in die Rolle eines Regierenden Bürgermeisters.

Nächster Artikel