Knappe Ergebnisse bei Wahl 2021 - In diesen Berliner Wahlkreisen stehen Kopf-an-Kopf-Rennen an

Mi 23.11.22 | 09:08 Uhr | Von Leonie Schwarzer
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Wahlkreis Lichtenberg 2: Erststimmen (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Abendschau | 22.11.2022 | Leonie Schwarzer | Bild: rbb

Eins ist klar: Die Wiederholungswahl im Februar wird spannend. Besonders in den Wahlkreisen, in denen es 2021 zwischen den Kandidaten eng war. Mit welchen Gefühlen gehen die Bewerber dieses Mal in den Wahlkampf? Ein Besuch von Leonie Schwarzer

Montagmorgen halb acht in der Früh, noch ist es dunkel. Martin Pätzold steht mit einem Klemmbrett in der Hand vor der Grundschule "Am Faulen See". Er sammelt Unterschriften für einen sicheren Schulweg. Der CDU-Abgeordnete trägt einen dicken Schal. Wenn er spricht, wirft sein Atem kleine Wölkchen. "Jetzt heißt es für uns nochmal besonders oft, auch bei diesen Temperaturen wie heute, draußen stehen und werben dafür, dass ich am 12. Februar die Unterstützung wieder bekomme", sagt er. Wahlkampf bedeute für ihn, seine Themen vor Ort weiter voranzubringen – zum Beispiel den Schulweg an der Grundschule, aber auch die Verlängerung der S-Bahn Linie 75.

Nicht weit davon entfernt, ist sein Konkurrent Robert Schneider von den Linken auf Wahlkampftour. Er läuft durch lange Hochhausreihen, aus seinem Jutebeutel holt er bedruckte Flyer und wirft sie nacheinander in dünne Briefkastenschlitze. Auch er setzt auf lokale Themen, kämpft für den Erhalt eines grünen Innenhofes. Dass jetzt – ein Jahr nach der letzten Wahl – schon wieder Wahlkampf ist, damit habe er nicht gerechnet: "Wir müssen jetzt aber die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts akzeptieren, das Beste daraus machen", sagt er. "Das heißt: Wieder für unsere Positionen werben und versuchen, dieses Mal das Ergebnis umzukehren."

Kopf-an-Kopf-Rennen in vielen Wahlkreisen

Beim letzten Mal hat Martin Pätzold das Direktmandat für den Wahlkreis Lichtenberg 2 bekommen – aber knapp. Er gewann die Wahl mit 21,3 Prozent der Stimmen, dicht gefolgt von Robert Schneider mit 21,0 Prozent. Und auch der Drittplazierte Dirk Liebe von der SPD hat gute Chancen: Zwischen ihm und dem Direktmandat lagen 2021 nur 215 Stimmen.

Auch in anderen Wahlkreisen gab es 2021 ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Zum Beispiel in Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow, Reinickendorf oder Marzahn-Hellersdorf. Überall dort, aber auch anderswo müssen Abgeordnete befürchten, nach nur etwas mehr als einem Jahr schon wieder aus dem Landesparlament rauszufliegen, andere könnten reinkommen.

"Es wird in diesen Wahlkreisen vor allem auf Mobilisierung ankommen"

Es seien neue Zeiten, sagt Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der FU Berlin. Neue Themen und Krisen beschäftigten die Menschen. Deshalb sei es durchaus vorstellbar, dass knappe Wahlkreise neu entschieden werden. Was dabei auch eine große Rolle spielt: die Wahlbeteiligung.

2021 war sie besonders hoch, lag in Berlin bei mehr als 75 Prozent. Für die knappen Wahlkreise spielt es eine besonders große Rolle, wie viele Menschen bei der Wiederholungswahl am 12. Februar wählen gehen. Dort lagen bei der letzten Wahl zum Teil weniger als 100 Stimmen zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten: "Es wird in diesen Wahlkreisen vor allem auf Mobilisierung ankommen, um Menschen an die Urnen zu kriegen", sagt die Politikwissenschaftlerin.

Klappt es nicht, gibt es Übergangsgeld

Doch was kommt auf die Abgeordneten zu, wenn sie schon nach rund einem Jahr wieder aus dem Abgeordnetenhaus ausscheiden? Für Abgeordnete, die ihren Sitz verlieren, gibt es Reuschenbach zufolge erst einmal ein Übergangsgeld. Der Betrag entspricht der Höhe der monatlichen Entschädigung (derzeit 6.657 Euro). Wie lange es ausgezahlt wird, richtet sich nach den Jahren im Landesparlament: Pro Jahr an Zugehörigkeit bekommen die Abgeordneten jeweils einen Monat Übergangsgeld, höchstens aber 18 Monate lang. Wer also erst 2021 ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde, bekomme auch nur für einen Monat Übergangsgeld, so die Politikwissenschaftlerin.

Beamten droht bei Wahlschlappe kein Jobverlust

Bei der Rückkehr in den Job gibt es unterschiedliche Regelungen. Angestellte des öffentlichen Dienstes oder Beamte können in ihren Job zurückkehren, ihr Job wird sozusagen freigehalten: "Für diese Menschen ist womöglich ein Scheitern bei der nächsten Wahl nicht ganz so gravierend", sagt Reuschenbach. Für alle anderen Abgeordneten gelte grundsätzlich, dass sie sich neu orientieren und auf Jobsuche gehen müssten – außer sie haben individuelle Vereinbarungen mit ihren Arbeitgebern treffen können oder sind selbständig.

"Ich will mich noch gar nicht mit einer Enttäuschung beschäftigen"

Zurück in Lichtenberg: Dirk Liebe dürfte als Verwaltungsbeamter beim Land Berlin keine Probleme haben in den Job zurückzukehren. Doch der SPD-Politiker ist auch ohne Direktmandat seit 2021 im Abgeordnetenhaus, sein Platz ist abgesichert über die Bezirksliste.

Auch der CDU-Abgeordnete Martin Pätzold hat im Falle einer Niederlage die Chance über die Bezirksliste ins Abgeordnetenhaus zu kommen. Außerdem müsste auch er nicht auf Jobsuche gehen: Als beurlaubter Hochschulprofessor könnte er in seinen Job zurückkehren. Doch von diesen Überlegungen ist Pätzold gerade noch weit entfernt: "Ich hoffe, dass ich das beste Angebot mache und viele sich für mich entscheiden, von daher will mich noch gar nicht mit einer Enttäuschung beschäftigen."

Zittern bis zum Wahltag

Etwas anders sieht es beim Zweitplatzierten Robert Schneider aus: Er hat es beim letzten Mal auch nicht über die Liste ins Abgeordnetenhaus geschafft und arbeitet jetzt als Referent beim linken Bezirksbürgermeister Michael Grunst. Zwar mag er den Job, würde ihn aber trotzdem gerne gegen das im Abgeordnetenhaus eintauschen. Auch er gibt sich siegessicher: Da es das letzte Mal so knapp war, seien die Chancen gut, so der Linken-Politiker, mit einem engagierten Wahlkampf lasse sich das Ergebnis umkehren.

Am 12. Februar wird entschieden, wer das Direktmandat bekommt. Bis dahin werden die Politikerinnen und Politiker in Lichtenberg und vielen anderen knappen Wahlkreisen noch bei zahlreichen Wahlkampfauftritten zittern - und das nicht nur wegen der Kälte.

Sendung: rbb24 Abendschau, 22.11.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Leonie Schwarzer

12 Kommentare

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  1. 12.

    auweia nee wie die hobbyorakler:innen wieder wie jedesmal daneben liegen.

  2. 11.

    So simpel strukturiert sieht Ihre Welt aus, dass Sie wie selbstverständlich, den Verweis auf die viermal umbenannte SED, als „rechtsradikal“ denunzieren.

  3. 10.

    Alle unbedingt zur Wahl gehen , damit der grüne Spuk und blaue Hetze nicht gewinnen.

  4. 8.

    Schön wäre es ja. Aber mein Briefkasten füllt sich seit Wochen mit regelmäßigen Flyern der CDU mit ziemlich dreisten Lügenmärchen. Ich hoffe mal dass die Mehrheit nicht nach der Schönheit und Anzahl von Flyern wählt, sondern sich inhaltlich mit den Parteien beschäftigt. Und da bleibt die CDU für mich unwählbar.

  5. 7.

    "Es gilt Grüne und die SED zu verhindern." Und Rechtsextremisten, die 2022 noch von einer SED schwafeln.

  6. 6.

    von spannend kann keine Rede sein. Hätte der damalige dafür zuständige Innensenator seinen Job richtig gemacht, wäre allem vieles erspart geblieben. Und auch jetzt hat Herr Geisel, Pattex auf seinem Stuhl geklebt. Und alle nehmen es wieder mal so hin. Typisch für Berlin.

  7. 5.

    Und dann, willste dich selbst auf Giffeys Stuhl setzen und Politik machen? Lass mal die Profis ihre Kompromisse machen.

  8. 3.

    Es gilt Grüne und die SED zu verhindern.

  9. 2.

    Wäre wünschenswert. Aber dafür sind Plakate zur Steigerung der Bekanntheit eines Gesichts einfach noch zu wichtig… den analogen Teil der Bevölkerung muss man auch erreichen.
    Die im doppelten Wortsinn holen Wahl-Sprüche kann man sich aber schenken.

  10. 1.

    In einer Zeit in der wir Bürgerinnen und Bürger fast täglich fast penetrant dazu aufgefordert werden jeden Liter Kraftstoffverbrauch zu vermeiden, wo um jedes Grad Heizwärme gerungen wird und Recourchen jeder Art gespart werden sollen (was auch notwendig ist) werden alle Politikerinnen und Politiker sowie Parteien mit guten Beispiel vorangehen und den Plakatwahlkampf und deren Ressourcenverbrauch incl. Transport unterlassen oder extrem minimieren. Denn es zählen Sachargumente und das bisher konkret Umgesetzte und Ausgeführte. Die kann man im Internet oder auf Recycling-Din A 4 Zetteln lesen oder vor Ort erfahren. Politik soll ja glaubwürdig sein. Wasser predigen und Wein trinken geht garnicht.

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