Studie der Otto-Brenner-Stiftung - Verschiedene Altersgrenzen beim Wählen verwirren junge Leute

So 22.01.23 | 13:59 Uhr
  26
Symbolbild: Eine Wählerin gibt in einem Wahllokal in Kreuzberg in Berlin ihren Stimmzettel ab (Quelle: dpa/Maja Hitij)
Bild: dpa/Maja Hitij

Es ist kompliziert: 16- und 17-Jährige dürfen in Berlin die Bezirksparlamente mitwählen, das Abgeordnetenhaus aber nicht. Einige verpassen daher die Chance zur Stimmabgabe. Andere, die ihre Wahlrecht kennen, sind von der Ungleichbehandlung enttäuscht.

  • Die Otto-Brenner-Stiftung hat junge Menschen befragt, wann sie wählen dürfen und ob sie damit zufrieden sind
  • Der Ergebnis zeigt, dass unterschiedliche Wahlaltersgrenzen vor allem junge Menschen verwirren
  • Interesse haben Minderjährige vor allem an einer Zulassung zur Bundestagswahl - hier darf aber erst ab 18 gewählt werden
  • Durch die aktuellen Regelungen entsteht bei den Jugendlichen der Eindruck, dass sie bei "wichtigen" Wahlen nicht gefragt werden

Unterschiedliche Altersgrenzen bei Wahlen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene führen bei jungen Menschen zu einer erheblichen Verunsicherung, ob sie teilnehmen dürfen oder nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung.

Besonders deutlich sei dies im September 2021 am Superwahltag in Berlin geworden, wo zeitgleich auf allen drei Ebenen - Bundestag, Abgeordnetenhaus, Bezirksverordnetenversammlungen - gewählt wurde, heißt es. Bundestag und AGH durfte wählen, wer über 18 Jahren alt war. Für die BVV-Wahl galt die Altersgrenze von 16 Jahren.

Die Befunde zeigten, dass rund zehn Prozent der 16- und 17-Jährigen nicht von ihrer Wahlberechtigung für die Kommunalwahl gewusst hätten. Gleichzeitig gab der Studie zufolge ein nicht unerheblicher Teil der minderjährigen Berliner bei einer Befragung fälschlicherweise an, bei der Bundestagswahl wahlberechtigt zu sein. Neben zahlreicher anderer Pannen kam es in Berlin 2021 bei der AGH- und Bundestags-Wahl 2021 auch zu Stimmenabgaben von Minderjährigen.

"Wir sehen, dass der Flickenteppich aus Wahlaltersgrenzen zu erheblichen Fehlwahrnehmungen unter jungen Menschen geführt hat", sagte der Politikwissenschaftler Thorsten Faas von der FU Berlin, als einer der Autoren der Studie. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass junge Menschen aus unteren Schichten ihre Wahlberechtigung häufiger falsch wahrnähmen als andere.

Nur die BVV wählen zu können, "holt junge Leute emotional nicht ab"

Die befragten jungen Berlinerinnen und Berliner ab 18 Jahren gaben zudem an, sie freuten sich am meisten über die Berechtigung zur Teilnahme an der Bundestagswahl und weniger über die Möglichkeit, die Kommunalvertretungen mitzuwählen. Bei den minderjährigen Befragten fiel die Begeisterung über die Wahlberechtigung auf kommunaler Ebene moderat aus, der Ärger über die Nichtzulassung zur Bundestagswahl dagegen größer.

"Mit anderen Worten: Nur bei Kommunal- oder Landtagswahlen wählen zu dürfen, holt junge Menschen emotional nicht wirklich ab, führt ihnen aber vor Augen, dass sie bei den wichtigen Wahlen noch nicht dabei sein dürfen", heißt es in der Studie.

Die Befragungen waren nach der Wahl 2021 durchgeführt worden. In Berlin beteiligten sich nach Angaben der Otto-Brenner-Stiftung 5.105 Menschen im Alter zwischen 15 und 20 Jahren daran. In Brandenburg waren es 1.230. Die Otto-Brenner-Stiftung ist die Wissenschaftsstiftung der Gewerkschaft IG Metall.

Altersgrenzen in Deutschland - ein Flickenteppich

In elf Bundesländern dürfen inzwischen auch 16- und 17-Jährige die Kommunalparlamente mitwählen, in sechs Ländern auch die Landtage. Auch für die nächste Europawahl 2024 wird in Deutschland das Wahlalter 16 gelten. Das hat der Bundestag im November beschlossen.

In Berlin dürfen 16-Jährige aktuell nur bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen mitwählen. Die rot-grün-rote Koalition will dies aber ändern und Minderjährige auch zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus zulassen. Dies gilt aber noch nicht für die Wiederholungswahl am 12. Februar 2023. Hier darf bei der AGH-Wahl nur mitmachen, wer spätestens am Tag der Wiederholungs-Wahl das 18. Lebensjahr vollendet hat.

In Brandenburg können sich Jugendliche ab 16 Jahren an Kommunal- und auch Landtagswahlen sowie Volksbegehren beteiligen.

Für Bundestagswahlen gilt dagegen weiter die Altersgrenze 18 Jahre. Zwar würden die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP diese gern auf 16 Jahre senken, doch die Union lehnt dies ab. Ihre Zustimmung wäre jedoch nötig, weil für eine Änderung des Wahlalters das Grundgesetz geändert werden müsste.

26 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 26.

    Wer hat die "Reife" zur Wahl?
    Etwa die +50-Wählerinnen, die - nach eigener Aussage - den Kandidaten wählen, der modische Anzüge mit den modernen Krawatten trägt und sich mit seiner Frau fotografieren lässt. Egal welcher Partei er angehört.
    Oder der Wähler, der zwar ins Wahllokal geht, aber seine Stimme ungültig macht?
    Oder der Wahlberechtigte, der garnicht wählt.
    Wer besitzt die "wahre Reife"?

  2. 25.

    Vielleicht sollte man mal in den Berliner Schulen auf die Themen "Wahlrecht" und "Wirtschaft" einen Schwerpunkt gerade bei jüngeren Menschen legen. Also, was darf ich ab wann wählen, was ist ein Zins, was ist ein Bruttogehalt, was ist ein Nettogehalt, was ist Miete, was ist Eigentum etc.

  3. 24.

    Ja, aber noch wichtiger ist: wer nicht voll geschäftsfähig und nur bedingt strafmündig ist, soll keinen Einfluss auf die Gesetzgebung bekommen!
    Der Bundesrat hat nun mal Gesetzgebungskompetenzen und Initialrecht in der Gesetzgebung.
    Übrigens, deswegen sind auch die EU - Bürger von den Landtagswahlen ausgeschlossen..

  4. 23.

    Sorry, aber leider passt es wirklich zueinander, Jugendliche ab 16 sollen wählen, wenn es aber um Strafen geht, da gilt Kinder und Jugendrecht. In meinen Augen wählen frühestens mit 21, dann ist hoffentlich so viel Erfahrung da, das die Tragweite der Wahlentscheidung auch bewusst wird.

  5. 22.

    Die meisten Parteien setzen bei Wählern nicht auf Qualität sondern auf Quantität, die Menge halt ist wichtig. Die Quantität der Wähler muss man beeinflussen können und das geht am Besten, wenn man Menschen, die noch keine oder gar keine Lebenserfahrung haben auf seine Seite zieht.

  6. 21.

    Die jetzt 15jährigen dürfen also niemals von ihrem Recht, mit 16 Jahren eine BVV mitzuwählen, Gebrauch machen?

  7. 20.

    " ... holt junge Menschen emotional nicht wirklich ab, (...) ", heißt es in der Studie.

    Wo müssen denn die 'Kleinen' denn noch überall "abgeholt" werden? Wählen hat auch nix mit Emotionen zu tun ...

    " (...) führt ihnen aber vor Augen, dass sie bei den wichtigen Wahlen noch nicht dabei sein dürfen", heißt es in der Studie.

    Na so was!! Das wird sicher auch einen Grund haben. Aber die Generation tictoc kann nur fordern und nix selbst machen

  8. 19.

    Die Verwirrung kann man schnell lösen, indem man erst ab 18 wählen darf. So einfach ist das.

  9. 18.
    Antwort auf [Frau Holle] vom 22.01.2023 um 17:28

    Kleiner Hinweis Frau Holle. Folgendes sagte eine Grüne Politikerin Anfang Jan. 2023: „Diese Jugendlichen, die nächste Berliner Generation, hat überwiegend Migrationshintergrund. Daran sollten sich alle mal gewöhnen.“

  10. 17.

    Also, wer es nicht versteht, ist wohl noch nicht reif genug für eine Wahl. Etwas Verständnis und Interesse sollte man erwarten dürfen. Insbesondre kann man es alles nachlesen ….

  11. 16.

    Hände schmutzig machen, Lehre wohlmöglich noch in was Handwerklichen - das gehört in die Geschichtsbücher!
    Lebensmittel werden nur noch digital übermittelt.
    Produktion auch nur noch digital, Reparaturen unnötig da sofortiger Ersatz.
    So sollten auch schon zehnjährige Handy-/Internet-/Digital-Nutzer in den Wahlberechtigten Kreis aufgenommen werden!
    Wie sang mal ein Grö... - Kinder an die Macht!!!
    Man haben wir ein Glück.
    "Letzte Generation" = gleich für den Ars... - euch werden noch welche folgen.
    Auch der "Homo" (als Sapiens, Erektus, und und und)hat Evolution durchgemacht.

  12. 15.

    Für fast alles braucht man eine Qualifikation. Für´s "Wählen" nicht (leider).

  13. 14.

    Unabhängig von Sinn, Zweck und potentiellem Änderungsbedarf:
    Es gibt zwei verschiedene Altersgrenzen. ZWEI.
    Und das verwirrt?

    Meine Güte...

  14. 12.

    Achja... die bööööööse, verkommene Jugend aber auch ....

    „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe“ (Keilschrifttext, Chaldäa, um 2000 v. Chr.)

    „Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“ (Watzlawick, 1992, ca. 1000 v. Chr., Babylonische Tontafel).

    „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

  15. 11.

    Wer was wählen darf, das steht auf dem Wahlbenachrichzugungsschrin. Wer lesen kann, der ist also bestens informiert. Ich verstehe die gesamte Diskussion nicht.

  16. 10.

    Wer das nicht versteht, ist nicht reif für eine Wahl!

  17. 9.

    Wer wählen darf ist auch voll strafmündig.

  18. 8.

    Ist doch ein von der Politik selbst erschaffenes Problem, weil linke Parteien davon ausgehen, dass sie von jungen Wählern überdurchschnittlich oft gewählt werden. Einerseits gehen wir im Strafrecht davon aus, dass Jugendliche und Heranwachsende die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht vollständig überblicken können. Andererseits wird genau das bei Wahlentscheidungen ignoriert, obwohl da die Tragweite nicht weniger weitreichend ist. Es gibt keinen triftigen Grund für ein früheres Wahlalter, da auch die Eltern die Interessen ihrer Kinder mindestens bis zur Volljährigkeit vertreten und entsprechend handeln.

  19. 7.

    Kompliziert ist da im Grunde gar nichts.
    Alles Wahlkampf-Kampagnen.
    Die Politiker könnten das Wahlalter sofort auf 14, 12 oder 10 senken.
    Aber es ist doch besser, dies alles nur über Jahrzehntelange Mini-Schritte und Endlos-Debatten zu diskutieren.
    So erhält man sich den Wahlkampfschlager auf Jahre.

Nächster Artikel