Vorwahlumfrage von infratest dimap - Giffey würde Konkurrenz bei Direktwahl abhängen

So 12.02.23 | 17:52 Uhr
Kai Wegner und Franziska Giffey am 16.01.2023 beim Spitzengespräch zur Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus 2023 (Quelle: IMAGO/Frederic Kern)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.02.2023 | Franziska Giffey | Bild: IMAGO/Frederic Kern

Würden die Berlinerinnen und Berliner die Regierungschefin direkt wählen, würde SPD-Spitzenkandidatin Giffey vor ihren Konkurrenten landen. Nach einer Umfrage kurz vor der Wahl ist der Vorsprung von Giffey im Vergleich zur 2021 allerdings gesunken.

Könnten die Berlinerinnen und Berliner ihren Bürgermeister oder ihre Bürgermeisterin direkt wählen, würde die Chefin im Roten Rathaus Franziska Giffey heißen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage von Infratest Dimap im Vorfeld der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus hervor. Demnach würden 32 Prozent der Wahlberechtigten Giffey (SPD) direkt zur Regierenden Bürgermeisterin wählen.

Der CDU-Politiker Kai Wegner kommt in der Befragung auf 27 Prozent, die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch auf 17 Prozent. Die Sozialdemokratin würde ihre Konkurrenten also noch immer abhängen. Mit Blick auf die Wahl im Jahr 2021 zeigt sich aber auch: Der Vorsprung ist seither enorm zusammengeschrumpft. Als die Berliner im September 2021 zur Wahl aufgerufen waren, hätten Giffey noch 36 Prozent der Wahlberechtigten gewählt, Kai Wegner lag mit 17 Prozent deutlich im Hintertreffen. Vor allem Wegner hat also deutlich aufgeholt.

Unmut über bestehende Zustände in Berlin

Die traditionell kritische Bewertung der Regierenden in Berlin ist der Befragung nach auf einen neuen Tiefstand gefallen. Nur knapp ein Viertel der Wahlberechtigten ist mit der Arbeit des Senats zufrieden. Das ist die schlechteste Bilanz einer Senatsregierung vor einer Abgeordnetenhauswahl seit 25 Jahren.

Die Unzufriedenheit mit der Landesregierung lässt sich laut Umfrage zurückführen auf einen massiven Unmut der Menschen mit den bestehenden Zuständen in Berlin. So ist nicht einmal jeder Dritte (29 Prozent) der Ansicht, die Stadt habe sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. 87 Prozent der Befragten beklagen eine zunehmende Spaltung in Arm und Reich. 67 Prozent äußern große Sorgen, dass sie künftig keine bezahlbare Wohnung mehr finden.

Hinzu kommt eine breite Unzufriedenheit mit dem Zustand der Berliner Verwaltung: Nur 18 Prozent sind der Ansicht, man könne sich auf diese verlassen.

Offen ist, inwieweit die Opposition von dieser Stimmungslage profitieren kann: Nur 31 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass ein CDU-geführter Senat Berlin die Probleme besser lösen könnte als die jetzige Koalition aus SPD, Grünen und Linken. 52 Prozent der Teilnehmenden trauen den Christdemokraten keine bessere Führung im Senat zu.

Innere Sicherheit für Befragte wichtigstes Thema

Die größte Rolle für die Wahlentscheidungen der Befragten spielte in der Umfrage Sicherheit und Ordnung. Diesen Bereich hatte etwa jeder Vierte (23 Prozent) benannt. Für 17 Prozent ist Wohnen das wichtigste Thema, ebenfalls ausschlaggebend für die Wahlentscheidung vieler sind die Themen Klima (15 Prozent), Bildung (14 Prozent) und Verkehr (12 Prozent).

Vor der Wiederholungswahl wird insbesondere der SPD von den Wahlberechtigten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Beim Einsatz für Soziale Gerechtigkeit behauptet die Partei zwar ihren Spitzenplatz. Allerdings fällt sie bei der generellen Einschätzung, wer die wichtigsten Aufgaben in Berlin lösen kann, mit 17 Prozent hinter die CDU (27 Prozent) zurück. Im Vorfeld der Wahl 2021 war das Verhältnis noch fast genau umgekehrt.

Beim Thema Arbeitsplätze hat die SPD ihren Spitzenplatz an die CDU verloren. Auffällig ist auch, dass Befragten die Hauptverantwortung für die bestehenden Zustände in Berlin, für die Wahl-Pannen 2021 und für den Wohnungsmangel vor allem in der Verantwortung der SPD sehen, die in Berlin seit dem Jahr 2001 regiert.

Grüne punkten bei Verkehr und Klimaschutz

Die schlechte Regierungsbilanz geht auch an den Grünen nicht spurlos vorbei. Ein Drittel sieht die Grünen verantwortlich für die schwierigen Verkehrsverhältnisse. Trotzdem kann die Partei ihre guten Kompetenzwerte im Bereich Verkehr behaupten, weil sie auch außerhalb der eigenen Wählerschaft Zustimmung finden. Unter den Wählern umstritten ist der Ausbau der Radwege zulasten des Autoverkehrs, der von etwa der Hälfte aller Befragten befürwortet wird. Den Ausbau der A100 lehnt gut ein Drittel der Befragten ab, gut die Hälfte stimmt zu. Weiterhin vorne liegt die Partei beim Thema Klimaschutz.

Sollten die Grünen hinter ihr Rekordergebnis bei der Wahl 2021 zurückfallen, wäre dies in der mageren Regierungsbilanz aus Sicht der Wählenden begründet: Nach Ansicht von mehr als der Hälfte der Befragten haben die Grünen zu wenig umgesetzt - zudem profitiert Spitzenkandidatin Bettina Jarasch bislang kaum von einem Amtsbonus als Verkehrssenatorin.

CDU nicht nur bei Innerer Sicherheit und Wirtschaft vorn

Die Berliner CDU kann sich den Umfragen zufolge die Unzufriedenheit der Wahlberechtigten über die Zustände in der Stadt durchaus zunutze machen. In den Politikfeldern Innere Sicherheit und Wirtschaft liegen die Christdemokraten in der Wählergunst vorne, aber auch in der Verkehrspolitik sehen die Befragten bei der CDU die größte Kompetenz. Auch in den Bereichen Arbeit und Bildung liegt die Partei nach der Vorwahlumfrage vor der Konkurrenz.

Als Spitzenkandidat fällt Kai Wegner wie schon Jahr 2021 bei der Direktwahlpräferenz hinter der Franziska Giffey zurück - auch wenn er den Abstand verkleinern konnte.

Linke sammelt Kompetenzpunkte beim Thema Wohnen

Der Linken wird gemeinsam mit der SPD am häufigsten zugetraut, für soziale Gerechtigkeit und für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Dennoch sehen die Wahlberechtigten Kompetenzdefizite: Nur sechs Prozent der Befragten trauen der Linken zu, die aktuell wichtigsten Aufgaben in Berlin zu lösen. Auch wenn die Parteianhänger die Arbeit des SPD-geführten Senats mehrheitlich kritisch betrachten, unterstützen viele die Beteiligung der Linken an einer Regierungskoalition.

Erneut positive Impulse gehen für die Linke vom Spitzenkandidaten Klaus Lederer aus. Der Berliner Kultursenator erreicht nach Franziska Giffey den zweithöchsten Zuspruch.

AfD-Wähler am wenigsten zufrieden mit Berlin

Die AfD befindet sich bundespolitisch im Aufwind, beim Deutschlandtrend kam die Partei zuletzt auf 15 Prozent. Zwar ist der Zuspruch in Berlin geringer. Dennoch profitiert die AfD derzeit davon, dass Zuwanderungsthemen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sind. Jeder dritte Wahlberechtigte begrüßt, dass die AfD den Zuzug von Flüchtlingen mehr als andere Parteien begrenzen will. Vier von zehn bewerteten es als positiv, dass die Partei über Probleme in der Zuwanderung spricht.

Allerdings steht die AfD gerade im Bereich Ordnung und Sicherheit in Konkurrenz zur derzeit starken Berliner CDU. Von allen Parteianhängern bewerten die Wählerinnen und Wähler der AfD der Umfrage nach die bestehenden Verhältnisse in Berlin mit Abstand am kritischsten.

FDP bei Wirtschaft und Arbeitsmarkt von CDU überholt

Die FDP tut sich als kleinste Partei im Abgeordnetenhaus derzeit besonders schwer, vom Unmut in der Hauptstadt zu profitieren. Der Spitzenkandidat Sebastian Czaja wird mit einem Rückhalt von 25 Prozent von den Berliner Wahlberechtigten ähnlich gut bewertet wie im Jahr 2021. Allerdings bekommt die FDP in Berlin ähnlich wie die AfD starke Konkurrenz von der CDU, die die Liberalen in den Themen Wirtschaft und Arbeitsmarkt in der Wählergunst überholt hat.

Umfragen: Das wichtigste im Überblick

Für die repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap wurden vom 6. bis 8. Februar in einer zufallsbasierten Telefon- und Online-Befragung in Berlin insgesamt 1169 wahlberechtigte Personen befragt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.02.2023, 19:30 Uhr

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