Vorwahlbefragung infratest dimap - Berliner bundesweit mit Abstand am unglücklichsten mit ihrer Regierung

So 12.02.23 | 13:38 Uhr
  68
Passanten gehen bei Regen über den Winterfeldtplatz im Ortsteil Schöneberg des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg. (Quelle: Soeren Stache/dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 11.02.23 | Stephan Ozsvath & Roberto Heinrich | Bild: Soeren Stache/dpa

Das Verhältnis zwischen Senat und Wählern ist auf einem Tiefpunkt: Nirgendwo in Deutschland fühlen sich Menschen so schlecht regiert wie in Berlin. Unklar ist nur, was daraus folgt: Auch die Kandidaten der Opposition schneiden in Umfragen mäßig ab.

Nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September 2021 ist ein Großteil der Berlinerinnen und Berliner vom rot-grün-roten Senat enttäuscht.

Bei der Vorwahlbefragung, die infratest dimap zwischen dem 6. und 8. Februar unter mehreren Tausend Wahlberechtigten durchgeführt hat, gaben nur 24 Prozent der Teilnehmenden an, mit der Arbeit von SPD, Grünen und Linken zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Damit ist die rot-grün-rote Koalition in Berlin bundesweit die mit Abstand unbeliebteste Landesregierung.

Zufriedenheit mit dem Senat deutlich gesunken

Zustimmungswerte von 75 Prozent, wie es sie für die schwarz-grüne Koalition in Schleswig-Holstein gibt, oder die 66 Prozent Zuspruch für den Hamburger Senat sind für die Berliner Koalition außer Reichweite. Die Hauptstadtregierung ist sogar noch einmal deutlich unbeliebter als die Landesregierung in Bremen, die mit einer Zustimmung von 34 Prozent bundesweit auf dem vorletzten Platz liegt.

Auffällig ist, dass die Zustimmungswerte seit dem September 2021 erneut stark abgefallen sind. Damals hatten 38 Prozent der Befragten dem Senat gute Arbeit bescheinigt.

Unter den Parteianhängern zeigt sich, dass SPD-Wähler mit 53 Prozent noch verhältnismäßig am zufriedensten mit der Politik der derzeitigen Regierung in Berlin sind. Grünen-Wähler hingegen sind bei einer Zustimmung von 43 Prozent überwiegend unzufrieden. Enttäuscht sind allerdings insbesondere Wähler der Berliner Linken, von denen zwei Drittel angegeben haben, mit der Arbeit des Senats unzufrieden zu sein. Die Zufriedenheit der Anhänger der Opposition fällt mit sechs bis zehn Prozent erwartbar gering aus.

Zwei Drittel finden Wahlwiederholung angemessen

Ungeachtet der noch nicht endgültigen Klärung durch das Bundesverfassungsgericht findet die Entscheidung, die Wahlen von 2021 zu wiederholen, großen Anklang in Berlin.

66 Prozent der Befragten halten die erneute Abgeordnetenhauswahl für angemessen. Befürworter finden sich vor allem bei den Wählern der bisherigen Oppositionsparteien AfD (84 Prozent), CDU (80 Prozent) und FDP (74 Prozent). Allerdings haben sich auch die Wähler der regierenden Parteien mehrheitlich für eine Wahlwiederholung ausgesprochen.

Giffey bei Zufriedenheit auf letztem Rang

Unmut zeigt sich auch mit Blick auf die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der AGH-Wahl.

Einerseits bewerten 36 Prozent der Befragten die Arbeit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) positiv, womit die Sozialdemokratin vor ihren Konkurrenten Kai Wegner (CDU, 23 Prozent) und Bettina Jarasch (Grüne, 19 Prozent), Klaus Lederer (Linke 34 Prozent), Sebastian Czaja (FDP, 25 Prozent) und Kristin Brinker (7 Prozent) liegt.

Im bundesweiten Vergleich liegt Giffey aber abgeschlagen auf dem letzten Platz. So erzielten die Regierungschefs oder -chefinnen vor der letzten Wahl in dem jeweiligen Bundesland folgende Werte: Daniel Günther (Schleswig-Holstein, 75 Prozent), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern, 71 Prozent), Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, 71 Prozent) und Michael Kretschmar (Sachsen, 71 Prozent). In Bremen, das im Ranking direkt vor Berlin liegt, hatte der Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) mit 41 Prozent auch einen höheren Zustimmungswert.

Grüne punkten mit Radwegen und Enteignung bei ihren Wählern

In der repräsentativen Bevölkerungsumfrage, die infratest dimap im Auftrag der ARD durchgeführt hat, äußerten sich Teilnehmende auch zu politischen Maßnahmen, die während des Wahlkampfes debattiert wurden.

53 Prozent der Befragten bezeichneten den weiteren Ausbau der Autobahn A100 als richtig, 36 Prozent hingegen als falsch. Besonders groß ist der Zuspruch für den Trassenbau unter Anhängern der Oppositionsparteien CDU (83 Prozent), FDP (76 Prozent) und AfD (66 Prozent), auch 59 Prozent der befragten SPD-Wähler befürworten das Projekt. Unbeliebt ist der Ausbau hingegen bei Wählern der Grünen (18 Prozent Zustimmung) und Linken (26 Prozent).

Den Ausbau von Radwegen zulasten des Autoverkehrs haben 45 Prozent aller Befragten parteiübergreifend als richtig bezeichnet. Knapp die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner sehen das Vorhaben kritisch. Auf Anklang stößt der Radwegeausbau vor allem bei Wählern der Grünen (92 Prozent) und der Linken (71 Prozent). Anhänger der Sozialdemokraten äußerten sich in diesem Punkt skeptischer, jeder zweite SPD-Wähler bezeichnete den Ausbau der Radwege zulasten des Autoverkehrs als falsch. Noch deutlicher fällt die Ablehnung bei Wählern von CDU (81 Prozent), AfD (77 Prozent) und FDP (71 Prozent) aus.

Gemischt zeigt sich das Stimmungsbild auch mit Blick auf die Enteignung großer Wohnungsunternehmen. 45 Prozent der Befragten halten die Maßnahme für richtig, 46 Prozent lehnen das Vorhaben ab. Die größten Befürworter einer Enteignung sind Wähler der Linken (80 Prozent) und der Grünen (60 Prozent). Die Anhängerschaft der SPD ist dabei ebenso gespalten wie beim Ausbau der Radwege: 45 Prozent sprachen sich für Enteignungen aus, 48 Prozent dagegen. Von den Wählern der AfD (37 Prozent) und der wirtschaftsliberalen Berlienr FDP (34 Prozent) können einer Enteignung großer Wohnungsunternehmen jeweils rund ein Drittel der Befragten etwas abgewinnen, unter den Wählern der CDU ist diese Maßnahme am wenigsten populär, von ihnen sind 72 Prozent dagegen.

Umfragen: Das wichtigste im Überblick

Für die repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap wurden vom 6. bis 8. Februar in einer zufallsbasierten Telefon- und Online-Befragung in Berlin insgesamt 1169 wahlberechtigte Personen befragt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.02.2023, 12 Uhr

68 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 68.

    Ich glaube, dass die Headline stimmt.

  2. 67.

    Dass die CDU jetzt in Berlin gewonnen hat, macht mich sehr betroffen. Die sind doch verantwortlich für die Armut, die immer noch wächst in der Bevölkerung. CDU ist doch keine Christliche Partei. Die begünstigen nur die Wohlhabende und tut nichts für die Umwelt.
    Eine Katastrophe!

  3. 66.

    Solange Betliner Medien ihren Auftrag darin sehen, überall das Haar in der Suppe zu suchen und es dann mit Wonne wortstark groß zu schreiben/reden, wird sich nichts an der Berliner Unzufriedenheit ändern. Hier wird vorsätzlich Unzufriedenheit gesät. In anderen Landstrichen schafft man es, bei aller berechtigten Kritik auch mit Stolz auf Erreichtes zu schauen. Warum ist hier das Glas stets halb leer? Das gar auch mit der Art der Berichterstattung zu tun!

  4. 64.

    Nicht einmal am heutigen Abend kann sich Frau Jarasch mit ihrem "Bürgermeisterin-Anspruch" zurückhalten.

  5. 63.

    " Solange die Grünen noch Stimmen bekommen , "

    was heißt " noch" ?? die liegen gleichauf mit der SPD

  6. 62.

    " Man bekommt also meist gar nicht was man gewählt hat. "

    genau, und wieder bewahrheitet sich der alte Spruch : wenn Wahlen etwas ändern könnten wären sie verboten

  7. 61.

    Bei der Politik was der RGR Senat für die Stadt getan hat.

  8. 60.

    " da das 'Volk' in vielen Dingen einfach nicht kompetent ist und nur an sich denkt. ""

    ersetze 'Volk' i durch " Politiker " dann stimmt es auch

  9. 59.

    Noch nicht einmal in der DDR gab es Wiederholungswahlen. Wie soll da eine gute Stimmung sein? Demokratie geht anders!

  10. 58.

    Nein. Wenn sich herausstellt, dass irgendwas langfristig für die Allgemeinheit schlecht ist, die meisten es aber aus Bequemlichkeit trotzdem machen, muß die Regierung es unterbinden. Ansonsten schadet sie dem Land.

  11. 55.

    Bis dahin kann eine RGR Regierung der Stadt massiv Schaden. Leider.

  12. 54.

    Eine Minderheitsregierung, wie Sie sie skizzieren, könnte tatsächlich ein Weg an R2G vorbei sein.

  13. 52.

    Also wenn irgendwas Stillstand bedeutet, dann ist es Rot/Schwarz.
    RRG hat zumindest ähnliche sinnvolle Ziele. Jemand muß die nur richtig umsetzen.
    Und nein. Der Gewinner muss eben NICHT die Wünsche des Volkes 1:1 umsetzen. Regieren heißt auch 'unpopuläre' Entscheidungen treffen, da das 'Volk' in vielen Dingen einfach nicht kompetent ist und nur an sich denkt.

  14. 51.

    "Das Verhältnis zwischen Senat und Wählern ist auf einem Tiefpunkt"
    Kein Wunder die Politik der letzten Monate hat gezeigt, dass man hier vollkommen den Kontakt zum Bürger verloren hat.

  15. 50.

    Wenn man das sieht und liest, dann wundert es mich nicht. Würde sehr gerne auswandern. Aber auch da, hilft der Staat mit, dass man nicht soviel Geld bekommt ( Rente). Trotz 40 Jahre Arbeit. Bin auch stinken sauer. Hauptsache,den Politikern geht es gut.

  16. 49.

    Ich hoffe nicht, dass die Berliner sich das antun und diesen chaotischen Senat wiederum wählen.

Nächster Artikel