Vorwahlbefragung infratest dimap - Berliner bundesweit mit Abstand am unglücklichsten mit ihrer Regierung
Das Verhältnis zwischen Senat und Wählern ist auf einem Tiefpunkt: Nirgendwo in Deutschland fühlen sich Menschen so schlecht regiert wie in Berlin. Unklar ist nur, was daraus folgt: Auch die Kandidaten der Opposition schneiden in Umfragen mäßig ab.
Nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September 2021 ist ein Großteil der Berlinerinnen und Berliner vom rot-grün-roten Senat enttäuscht.
Bei der Vorwahlbefragung, die infratest dimap zwischen dem 6. und 8. Februar unter mehreren Tausend Wahlberechtigten durchgeführt hat, gaben nur 24 Prozent der Teilnehmenden an, mit der Arbeit von SPD, Grünen und Linken zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Damit ist die rot-grün-rote Koalition in Berlin bundesweit die mit Abstand unbeliebteste Landesregierung.
Zufriedenheit mit dem Senat deutlich gesunken
Zustimmungswerte von 75 Prozent, wie es sie für die schwarz-grüne Koalition in Schleswig-Holstein gibt, oder die 66 Prozent Zuspruch für den Hamburger Senat sind für die Berliner Koalition außer Reichweite. Die Hauptstadtregierung ist sogar noch einmal deutlich unbeliebter als die Landesregierung in Bremen, die mit einer Zustimmung von 34 Prozent bundesweit auf dem vorletzten Platz liegt.
Auffällig ist, dass die Zustimmungswerte seit dem September 2021 erneut stark abgefallen sind. Damals hatten 38 Prozent der Befragten dem Senat gute Arbeit bescheinigt.
Unter den Parteianhängern zeigt sich, dass SPD-Wähler mit 53 Prozent noch verhältnismäßig am zufriedensten mit der Politik der derzeitigen Regierung in Berlin sind. Grünen-Wähler hingegen sind bei einer Zustimmung von 43 Prozent überwiegend unzufrieden. Enttäuscht sind allerdings insbesondere Wähler der Berliner Linken, von denen zwei Drittel angegeben haben, mit der Arbeit des Senats unzufrieden zu sein. Die Zufriedenheit der Anhänger der Opposition fällt mit sechs bis zehn Prozent erwartbar gering aus.
Zwei Drittel finden Wahlwiederholung angemessen
Ungeachtet der noch nicht endgültigen Klärung durch das Bundesverfassungsgericht findet die Entscheidung, die Wahlen von 2021 zu wiederholen, großen Anklang in Berlin.
66 Prozent der Befragten halten die erneute Abgeordnetenhauswahl für angemessen. Befürworter finden sich vor allem bei den Wählern der bisherigen Oppositionsparteien AfD (84 Prozent), CDU (80 Prozent) und FDP (74 Prozent). Allerdings haben sich auch die Wähler der regierenden Parteien mehrheitlich für eine Wahlwiederholung ausgesprochen.
Giffey bei Zufriedenheit auf letztem Rang
Unmut zeigt sich auch mit Blick auf die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der AGH-Wahl.
Einerseits bewerten 36 Prozent der Befragten die Arbeit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) positiv, womit die Sozialdemokratin vor ihren Konkurrenten Kai Wegner (CDU, 23 Prozent) und Bettina Jarasch (Grüne, 19 Prozent), Klaus Lederer (Linke 34 Prozent), Sebastian Czaja (FDP, 25 Prozent) und Kristin Brinker (7 Prozent) liegt.
Im bundesweiten Vergleich liegt Giffey aber abgeschlagen auf dem letzten Platz. So erzielten die Regierungschefs oder -chefinnen vor der letzten Wahl in dem jeweiligen Bundesland folgende Werte: Daniel Günther (Schleswig-Holstein, 75 Prozent), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern, 71 Prozent), Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, 71 Prozent) und Michael Kretschmar (Sachsen, 71 Prozent). In Bremen, das im Ranking direkt vor Berlin liegt, hatte der Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) mit 41 Prozent auch einen höheren Zustimmungswert.
Grüne punkten mit Radwegen und Enteignung bei ihren Wählern
In der repräsentativen Bevölkerungsumfrage, die infratest dimap im Auftrag der ARD durchgeführt hat, äußerten sich Teilnehmende auch zu politischen Maßnahmen, die während des Wahlkampfes debattiert wurden.
53 Prozent der Befragten bezeichneten den weiteren Ausbau der Autobahn A100 als richtig, 36 Prozent hingegen als falsch. Besonders groß ist der Zuspruch für den Trassenbau unter Anhängern der Oppositionsparteien CDU (83 Prozent), FDP (76 Prozent) und AfD (66 Prozent), auch 59 Prozent der befragten SPD-Wähler befürworten das Projekt. Unbeliebt ist der Ausbau hingegen bei Wählern der Grünen (18 Prozent Zustimmung) und Linken (26 Prozent).
Den Ausbau von Radwegen zulasten des Autoverkehrs haben 45 Prozent aller Befragten parteiübergreifend als richtig bezeichnet. Knapp die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner sehen das Vorhaben kritisch. Auf Anklang stößt der Radwegeausbau vor allem bei Wählern der Grünen (92 Prozent) und der Linken (71 Prozent). Anhänger der Sozialdemokraten äußerten sich in diesem Punkt skeptischer, jeder zweite SPD-Wähler bezeichnete den Ausbau der Radwege zulasten des Autoverkehrs als falsch. Noch deutlicher fällt die Ablehnung bei Wählern von CDU (81 Prozent), AfD (77 Prozent) und FDP (71 Prozent) aus.
Gemischt zeigt sich das Stimmungsbild auch mit Blick auf die Enteignung großer Wohnungsunternehmen. 45 Prozent der Befragten halten die Maßnahme für richtig, 46 Prozent lehnen das Vorhaben ab. Die größten Befürworter einer Enteignung sind Wähler der Linken (80 Prozent) und der Grünen (60 Prozent). Die Anhängerschaft der SPD ist dabei ebenso gespalten wie beim Ausbau der Radwege: 45 Prozent sprachen sich für Enteignungen aus, 48 Prozent dagegen. Von den Wählern der AfD (37 Prozent) und der wirtschaftsliberalen Berlienr FDP (34 Prozent) können einer Enteignung großer Wohnungsunternehmen jeweils rund ein Drittel der Befragten etwas abgewinnen, unter den Wählern der CDU ist diese Maßnahme am wenigsten populär, von ihnen sind 72 Prozent dagegen.
Umfragen: Das wichtigste im Überblick
Für die repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap wurden vom 6. bis 8. Februar in einer zufallsbasierten Telefon- und Online-Befragung in Berlin insgesamt 1169 wahlberechtigte Personen befragt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.02.2023, 12 Uhr