Berliner Wiederholungswahl - AfD-Wahlkampf mit Leerstellen

Di 24.01.23 | 06:09 Uhr | Von Sabine Müller
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Kristin Brinker (AfD, r), Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Abgeordnetenhauswahl, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung vor dem Schloss Charlottenburg. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 24.01.2023 | Sabine Müller | Bild: Jörg Carstensen/dpa

Im Endspurt geben die Parteien alles, lassen ihr Personal auf Parteitagen schaulaufen und stellen auf Pressekonferenzen letzte neue Ideen vor. Nur eine veranstaltet keine Parteitage und präsentiert auch keine neuen Ideen: die AfD. Von Sabine Müller

In den Mienen von AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker und ihrem Bau-Experten Harald Laatsch spiegelt sich leichte Enttäuschung. Der Fraktions-Konferenzraum im fünften Stock des Abgeordnetenhauses ist fast leer, außer dem rbb ist an diesem Montagvormittag niemand der Einladung zum Pressegespräch gefolgt. Was bei Harald Laatsch die bekannte Klage auslöst, die AfD werde von den Medien regelmäßig ignoriert: "Die Erfahrung lautet, dass wir da einfach beschwiegen werden. Das heißt, wir kommen mit unseren Big Points eigentlich gar nicht durch."

Die naheliegendere Erklärung für die weitgehende Abwesenheit der Medien ist allerdings eine andere: Dieser Termin birgt keine "News", hier wird nichts Schlagzeilenträchtiges verkündet. Der jüngste Entwurf für ein Kleingartenflächensicherungsgesetz, über den die AfD in der nächsten Parlamentssitzung sprechen will, ist bereits vier Monate alt. Er stand im vergangenen Herbst sogar schon einmal auf der Tagesordnung des Abgeordnetenhauses. Die AfD wärmt schlicht Altbekanntes auf, um den rot-grün-roten Regierungsfraktionen etwas entgegenzusetzen, die vom Senat ein neues Gutachten zur Zukunft der Kleingärten einfordern.

Unter "Big Points" – also: zentral wichtige Themen – würde die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler die Kleingärten vermutlich nicht verbuchen. Umso erstaunlicher, dass die AfD sich gerade dies für das erste Pressegespräch aussucht, das sie in der heißen Wahlkampfphase überhaupt veranstaltet.

Große mediale Ereignisse fehlen

Fakt ist: Die AfD bietet den Medien im Vergleich zu den anderen Parteien im Abgeordnetenhaus gerade wenig große öffentliche Berichterstattungsanlässe. Es gab zum Beispiel keine Parteitage, um öffentlichkeitswirksam erneut die Spitzenkandidatin zu küren oder neue inhaltliche Akzente zu setzen. Die AfD begründet dies damit, es sei für sie einfach zu schwierig, überhaupt einen großen Veranstaltungsort zu finden. Denn kaum jemand will den Rechtspopulisten Räume vermieten.

Ein kleinerer Raum für eine Pressekonferenz stünde der AfD in ihrer Parteizentrale oder im Abgeordnetenhaus allerdings jederzeit zur Verfügung. Es wäre daher kein großer Aufwand, es den anderen Parteien gleichzutun und im Wahlkampfendspurt vor Kameras und Mikrofonen ein paar neue Ideen zu pushen. So wie etwa die Grünen ihre Zwei-Milliarden-Initiative für die Wärmewende, die Linke ihre Extra-Milliarde für den kommunalen Wohnungsbau oder die CDU ihre "Klima-Autobahn", der A100-Überdeckelung.

Partei- und Fraktionschefin Kristin Brinker stempelt solche Auftritte vor der Presse als unseriös ab: "Jetzt im Wahlkampf kommen sie plötzlich mit irgendwelchen Ideen und Milliarden-Vorschlägen. Ich verfolge den Ansatz, eine seriöse Politik zu machen und seriöse Politik heißt für mich, nicht Milliarden zu versprechen, die wir gar nicht haben." Die Vermutung, die Zurückhaltung der AfD könnte damit zusammenhängen, dass die Partei inhaltlich einfach nichts Neues zu bieten habe, weist Brinker zurück.

Bürger-Wut zu Stimmen machen

Was die AfD unter seriöser Politik versteht, zeigt sich vor allem im Netz und in den sozialen Medien, wo sich Kristin Brinker wohler zu fühlen scheint als in klassischen Pressekonferenzen. Kurz nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht veröffentlichte die AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus ein Video auf ihrem YouTube-Kanal. Bevor die Polizei irgendwelche Angaben zum Hintergrund der Tatverdächtigen gemacht hatte, war Brinker schon auf Sendung und schürte rassistische Ressentiments: "Ja, wer sind denn die Täter? Das wissen wir doch alle, wenn man sich die Bilder anschaut."

Die AfD will die Wut vieler Bürgerinnen und Bürger über die Silvesternacht am Wahltag in Stimmen ummünzen. Im rbb24 Inforadio forderte Kristin Brinker, Tatverdächtige mit doppelter Staatsbürgerschaft auszubürgern und auch bei einer Wahlkampf-Kundgebung vorm Schloss Charlottenburg spielte das Thema eine zentrale Rolle, als die AfD-Chefin in die Menge rief: "Kriminelle Ausländer müssen abgeschoben werden. Unsere Einsatzkräfte brauchen Schutz vor kriminellen Attacken."

Optimismus trotz Konkurrenz

Es scheint so, als setze die AfD darauf, dass Themen wie die innere Sicherheit oder die Kritik an der deutschen Migrationspolitik nach den Silvester-Krawallen Selbstläufer sind und auf sie einzahlen. Diese Annahme könnte allerdings trügerisch sein. Denn die CDU fährt nach den Silvester-Krawallen eine ungewöhnlich harte Linie – sie wollte unter anderem die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen erfragen – und scheint damit Erfolg zu haben. Im aktuellen Berlin-Trend, der Vorwahl-Umfrage von infratest dimap im Auftrag rbb24 Abendschau und "Berliner Morgenpost", konnten die Christdemokraten jedenfalls am deutlichsten dazugewinnen.

AfD-Innenexperte Marc Vallendar schaut trotzdem zuversichtlich auf den Wahltag: "Die CDU hat versucht, uns rechts zu überholen. Das gelingt aber nicht, denn man wählt letztlich das Original." Die Spitzenleute der Rechtspopulisten ziehen ihren Optimismus daraus, dass es im Wahlkampf ungewöhnlich gut laufe, wie sie sagen. Es gebe weniger Konfrontation an den Wahlkampfständen und weniger beschädigte Plakate als sonst. Und was klassische Pressetermine angeht, verspricht AfD-Chefin Kristin Brinker: Da kommt auch noch was vorm Wahltag.

Beitrag von Sabine Müller

93 Kommentare

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  1. 93.

    Wenn Sie,soviel von Europa halten, warum sind Sie dann nicht in der Ukraine an sdr Front? Die Ukraine hat nicht unendlich junge Männer. Ihre Zeit ist da,,stehen Sie zu Ihrer Meinung. Glück Auf.

  2. 92.

    Als was sollte ich mich denn outen? Sie ziehen die Unterhaltung auf ein sehr albernes Niveau. Inhaltlich auf meine Antworten einzugehen vermeiden Sie aber weiterhin...

  3. 91.

    "Die gehen damit halt so offen um wie Sie..."

    Warum auch nicht, wenn man nichts zu verbergen hat? Outen Sie sich doch mal!

  4. 90.

    die afd huldigt dem Kreml zusammen mit der Linkspartei, hält nicht von Europa, hasst Flüchtlinge und möchte das freiheitlich-demokratische Deutschland abschaffen.

  5. 89.

    wenn Sie die Ostzone so toll fanden mit Grenz"gesetz" plus Schießbefehl plus MfS plus Wanzen usw. >>dann müßte Ihr Ausreiseziel doch Nordkorea heißen, dort können Sie unwiderrufbar bis an Ihr Lebensende Ihren Sozialismus im Schlaraffenland Nordkorea genießen.

  6. 88.

    "Jawohl, ich wähle die AfD! Es ist so die einzige ernstzunehmende Partei! Der Rest kann eigentlich weg."

    "Ich habe hier eines zu erklären: die Herren haben ganz recht, wir sind intolerant. Ich habe mir ein Ziel gestellt: nämlich die 30 Parteien aus Deutschland hinauszufegen.”

  7. 86.

    Hängen Sie sich Ihre4 Theorien an die Wohnzimmerwand - vielleicht gauben Sie dann nocgh besser dran.

  8. 85.

    "Och, ich glaube, nur Rechtsextremisten, die abstreiten rechtsextrem zu sein, würden Sie dort nicht verorten..."

    Und was ist mit den Rechtsextremisten, die nicht abstreiten, rechtsextrem zu sein?

  9. 84.

    Mittelstand in der DDR? Meinen Sie damit die ein bis zwei PGH Frisöre? Die DDR war Arbeiter- und Bauernstaat, so daß Ihr "wohlstandsverwahrloster Mittelstand" zumindest nicht im Osten der Grund für die Stärke der AfD sein kann.

  10. 83.

    Also Ihr letzter Abschnitt hat es in sich. Um das aufzulösen, mit Belohnungssystem für Anstrengungen, muss man das Leistungsprinzip verbessern. Immer wieder, nie aufhören. Weil es nie perfekt sein kann. Und die Arbeit muss gemacht werden, statt "ICH FINDE...". Kenntnisreiche erkennen diejenigen die leisten/ermöglichen statt verteilen.
    Und jetzt das Wichtigste: Kriegsgefahr besteht (auch) deshalb, weil mit Frieden weniger zu verdienen ist. Mein Motto: Stell die vor es ist Krieg und keiner geht hin. Das sollte eine Lehre sein nach zwei Weltkriegen.

  11. 82.

    Ja Mensch! - das könnte vielleicht an der dominierenden populärwissenschaftlich-populärpolitschen Erzählung über die DDR und ihre gesellschaftliche Wirklichkeit liegen. Mal überlegt?
    In wesentlichen Fragen - angefangen bei der Existenzangst, die Sorge und der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung Bedeutung, planbarer, sicherer Lebensperspektive, hat sich "der Mittelstand" der DDR nie so sehr vom Bundesdeutschen unterschieden. Da wo in der BRD sozio-ökonomisch Abstiegsangst herrschte, war autoritäre, nationalistische, rassistische Disposition nicht weniger als in der DDR. Aber in der DDR war mittelständisch gesehen bis 89 eben weniger sozio-ökonomische Existenzangst. Erst seit 89 ist es das Armenhaus Deutschlands. Kapiert der Westdeutsche immer nicht. Der erbt ja, hat schöne Rente in den öffentlich meinungsstarken Milieus.
    Aber was in einem Mittelstand schlummert - das hat der Stalinismus gezeigt. Wie in Deutschland, wo er sich Hitler wählte.

  12. 81.

    "Ist doch Ihr Problem. Sie liegen doch nachts wach und haben so einen Mist gebaut. Da kann Ihnen doch keiner helfen."

    Ihre Ferndiagnose liegt völlig daneben:
    Ich habe keine Probleme. Mir muß keiner helfen. Ich habe keinen Mist gebaut. Ich habe auch keine Schlafstörungen.
    Und ich kenne unsere Geschichte und muß von Ihnen nicht ständig daran erinnert werden.
    Ich Gegensatz zu Ihnen bin zuversichtlich, dass Geschichte sich nicht wiederholt. Weil ich gelernt habe, selbständig zu denken. Und weil ich an die Vernunft der Menschen glaube. Nicht jedoch aller Menschen, wie ich nach dem lesen Ihrer "Kommentare" feststellen muss.

  13. 80.

    Sie merken es nicht. Dafür ist die verantwortliche Politik Ihnen dankbar.
    Den "Wohlstandsmittelstand" löst seit vielen Jahrzehnten eine letztlich ultrawirtschaftsliberale (int.)Gesamtpolitik auf.
    In Abwesenheit des Sozialismus oder auch nur einer sozialdemokratischen Partei mit sozialdemokratischen Programm und Regierungspraxis. Es reicht ja nicht sich "SPD" zu nennen. Und dann ist die Praxis gleich schon sozialdemokratisch, oder gar links. Was da bei der SPD nach rechts geht, weiss der Geschichtsbewusste seit Kaiser Wilhelm.
    Immer noch ist die Frage offen - Die DDR war nicht demokratisch, aber sozial gerechter. Die BRD ist demokratischer. Aber sozial viel ungerechter. Die Planwirtschaft funktionierte nicht. Die dominierende, allumfassende ultrawirtschaftsliberale Planwirtschaft funktioniert aber auch nicht. Wie man gerade sieht. Statt die Ökonomie zu modernisieren und zu demokratisieren, erst mal wieder Weltkrieg aufgrund Modernisierungskrise des Kapitalismus.

  14. 79.

    Sehen Sie, das ist der Unterschied. Aus Sicht eines Demokraten kann die rechtsextreme Partei weg. Aus Sicht des Rechtsextremen können alle anderen Parteien weg.

  15. 78.

    Och, ich glaube, nur Rechtsextremisten, die abstreiten rechtsextrem zu sein, würden Sie dort nicht verorten...

  16. 77.

    "Das ist lediglich Ihre ganz persönliche Wahrnehmung. Und zwar aus der Sicht eines Rechtsextremisten, wie ich nach dem Lesen diverser Ihrer Beiträge vorsichtig behaupten darf"

    Dies ist ein freies Land und ich wäre -nach dem Lesen diverser Ihrer Beiträge- enttäuscht, wenn Sie mich woanders verorten würden.

  17. 76.

    Das liegt an der fehlenden Chancengleichheit, der Herabwürdigung bester Bildungsabschlüsse um schlechter zu bezahlen, mit zusätzlicher Mehrarbeit ohne Beförderungen und weniger Rentenpunkten. Ganz schlimm wird es, wenn linksgerichtete Arbeitgeber sind... Ob bei Verwaltungen oder beim Neuen Deutschland damals...

  18. 75.

    Warum soviel unsympathischer Text?
    Kürzer: Wohlstandsmittelstand auflösen durch Wegnehmen und solange Umverteilen bis alle gleich arm sind, außer die Zuteiler?
    Gab es schon mal. Ihre Unmoral ist deshalb unmoralisch weil Sie die Anstrengungen für gute Einkommen beleidigen, einschließlich der Bildungsanstrengungen.

  19. 74.

    Nun frage ich mich, warum die AfD gerade im Osten so stark gewählt wird. Der dortigen Bevölkerung wurde mehr als vierzig Jahre lang die "bürgerliche Dekadenz" und der "Imperialismus der Finanzoligarchie" ausgetrieben. Große Vermögen, Besitz, Mittelstand und Bürgertum, welches auch noch wohlstandsverwahrlost sein soll, kann ich mir bei der Einkommensstruktur in der ehem. DDR nicht vorstellen.

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