Regierungsbildung in Berlin - Giffey will SPD-Landesvorstand Koalition mit der CDU vorschlagen

Mi 01.03.23 | 07:51 Uhr
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Kai Wegner (CDU, links im Bild) und Franziska Giffey (SPD) stehen nebeneinander. Bild: picture alliance, dpa / Fabian Sommer
Video: rbb24 | 01.03.2023 | Nachrichten | Bild: picture alliance, dpa / Fabian Sommer

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) wird ihrer Partei am Mittwoch Koalitionsverhandlungen mit der CDU vorschlagen. Damit darf sich CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner Hoffnungen machen, Giffey im Amt abzulösen.

In Berlin kommt Bewegung in die Frage, welche Parteien die Stadt in den nächsten Jahren regieren könnten. Aus SPD-Kreisen verdichten sich die Hinweise, dass SPD-Chefin Franziska Giffey bereit wäre, in eine Koalition mit der CDU einzutreten. Nach rbb-Informationen will Giffey dies am Mittwoch dem Landesvorstand ihrer Partei vorschlagen. Zuerst hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung [externer Link] darüber berichtet.

Grüne von Giffeys Vorstoß kalt erwischt

Diese Meldung platzte am Dienstagabend mitten in die laufenden Sondierungsgespräche von CDU und Grünen in Berlin. Entsprechend zurückhaltend reagierte zu später Stunde CDU-Landeschef Kai Wegner: "Wir gucken gespannt jetzt natürlich auch auf die Landesvorstandssitzung der SPD, werden das auswerten und werden dann am Donnerstag in unseren Gremien entscheiden."

Da lagen rund achteinhalb Stunden Gespräch mit den Grünen hinter Wegner. Die Grünen hatte die Meldung kalt erwischt. Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch zeigte sich enttäuscht: "Wir wurden von diesem Schritt der SPD-Spitze überrascht. Es entspricht auch nicht dem Verlauf und den Ergebnissen unserer bisherigen Gespräche mit unseren jetzigen Koalitionspartnern."

Spekulationen, ob Giffey es ernst meint oder Grüne unter Druck setzen will

Über die Gründe für Giffeys mutmaßliche Entscheidung wird seitdem wild spekuliert. Auf die Frage, was für sie entscheidend sei fürs künftige Regieren, hatte sie noch am Freitag, nach Abschluss der Sondierungen mit der CDU, unter anderem gesagt: "Die Frage der guten Regierungszusammenarbeit ist eine, die dabei natürlich auch eine Rolle spielt. Wir haben hier immer gesagt: Für uns ist das Allerwichtigste, den besten Weg für die Stadt zu finden. Es geht aber auch darum, wie wir eben als Sozialdemokratie auch in Zukunft dafür sorgen können, dass die sozialdemokratische Stimme eine starke Stimme in dieser Stadt ist."

Die Tendenz in Richtung CDU könnte auch mit den Sondierungsgesprächen der SPD mit Grünen und Linken zur Fortsetzung ihrer Koalition zu tun haben. Dabei habe der SPD nicht gefallen, dass die Grünen fordernd aufgetreten seien, wie der rbb erfuhr.

CDU will Ende der Woche entscheiden

Ob es am Ende wirklich zu einem Bündnis mit CDU und SPD käme, ist allerdings damit nicht entschieden. Zum einen ist es der SPD-Landesvorstand, der über diese Frage befinden muss. Das Gremium tagt am Mittwoch. Zum anderen könnten sich in diesem Falle auch die Grünen der CDU als Koalitionspartnerin anbieten. Die Union will am Ende der Woche entscheiden, wen sie für Koalitionsverhandlungen gegebenenfalls favorisieren würde.

Die Grünen jedenfalls setzt die erwartete Entscheidung unter Druck. Bettina Jarasch bemühte sich am Dienstagabend darum, das gute Miteinander in den Sondierungen mit der CDU deutlich zu betonen: "Wir haben die CDU erneut als verlässlichen und vertrauenswürdigen Gesprächspartner erlebt. Wir haben sehr intensiv diskutiert, haben viele Lösungen zum Wohl der Stadt gefunden, auch nochmal in Dissens-Punkten, die bisher noch stehen geblieben waren. Wir haben die ganz großen Brocken tatsächlich lösen können."

Kai Wegner setzt Pokerface auf

CDU-Chef Kai Wegner pflegt seit Jahren Kontakte zum grünen Spitzenpersonal. Im Wahlkampf hatten die Beziehungen allerdings gelitten. Trotzdem wurde Wegner auch nach dem Wahltag nachgesagt, dass er, wenn er könnte, lieber mit den Grünen als mit der SPD koalieren würde. Sein Fazit des Dienstagabends klang allerdings etwas verhaltener- wenngleich auch er von "sehr, sehr guten" und "lösungsorientierten" Sondierungen sprach: "Es wird Sie nicht verwundern - uns hat es nicht verwundert -, dass es natürlich unterschiedliche Auffassungen in bestimmten Bereichen, bei bestimmten Themen gibt. Aber wir haben immer wieder versucht, nach Lösungen zu suchen und zu ringen - und wir haben auch dicke Brocken heute geschafft."

Ob daraus zu schließen ist, dass sich Wegner im Laufe der Sondierung wirklich eher Richtung SPD orientiert hat oder aber gerade jetzt darauf bedacht ist, zu pokern, bleibt vorerst offen. Fest steht: Wie aussieht, dürfte der Wahlgewinner vom 12. Februar wider Erwarten in der komfortablen Situation sein, sich seinen Koalitionspartner frei aussuchen zu können.

Eine Koalition aus CDU und SPD gab es - unter unterschiedlicher Führung - bereits mehrfach in Berlin, zwei Mal seit der Wiedervereinigung. Zuletzt hatte die SPD von 2011 bis 2016 mit den Bürgermeistern Klaus Wowereit und Michael Müller eine rot-schwarze Koalition angeführt. Die CDU stellte letztmals von 1991 bis 2001 einen Bürgermeister in diesem Zweierbündnis: Eberhard Diepgen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.03.2023, 07:10 Uhr

393 Kommentare

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  1. 393.

    Was mich wundert, ist, dass scheinbar alle vergessen haben, dass der letzte Wowereit-Senat eine Große Koalition war. Da war die SPD der größere Partner, jedoch war fie CDU dabei und stellte den Innensenator. Damals war der Mietmarkt auch schon schlimm und ich bin kurz vor Ende dieser Koalition weggezogen. Auch damals wurde nichts verbessert und jetzt tun alle Medien so, als sei es ein Neuanfang. Ich bezweifle das.

  2. 392.

    Schon wieder vergessen: Giffey trat 2021 rechts blinkende zu Wahl an, Saleh entschied sich dann aber doch für ein Fortsetzung des Stillstands. Viele Ex-SPD-Wahler haben das nicht vergessen.

    Und noch etwas neues für Sie: Giffey könnte Regierender Bürgermeister bleiben, wenn die Koalition des Streites und Stillstands fortgesetzt werden würde.

    Jarasch ist auch eher bockig, weil die Abstimmung über ihr Direkmandat, dass sie zur Abstimmung über ihre Blockade der Verkehrswende ausgerufen hatte, deutlich zu ihren Ungunsten ausfiel. Und wenn sIE sich mal den Wahlkreis rund um die Friedrichstraße abschauen - das ist das schwarze Loch im grünen Donut

  3. 391.

    Landesvorstand der Linken wollte Koalition mit SPD und Grünen fortsetzen.
    Na klar, die Angst ansonsten in der Nichtigkeit zu versinken, ist groß.
    Einzig auf postkommunistischen Enteignungsfantasien zu setzen, wurde von den Wählern abgestraft.
    Zulange sind die Erinnerungen im Gedächtnis, an Zeiten, wo die damalige Mauerschützen-und Stasipartei SED, die DDR abwirtschaftete.

  4. 390.

    "Besser als die 7%(?) der Berliner, die die Grünen gewählt haben. Zumal sich darunter wie berichtet auch noch die meisten Zugezogenen im Parteienvergleich befinden. "

    Fantasiezahlen die nicht der Wirklichkeit entsprechen.

    "Nein, ist schon die beste und fairste Umsetzung des Wählerwillens, wenn jetzt CDU + SPD koalieren.
    Und wie es sich anhört, wird genau das auch passieren. "

    Nein, eine Täuschung aller sPD Wähler, wenn ich eine Billigkopie der cDU haben möchte wähle ich doch lieber das Original.

    Ihre " SPD-Beteiligten" gehören allesamt dem Seeheimer Flügel um Giffey an, Machterhalt um jeden Preis. Auch wenn es der sPD die letzte Glaubwürdigkeit kostet.

  5. 389.

    Auf eine Koalition mit der CDU habe ich gar keinen Bock. Das hat mir schon gereicht als die GroKo 16 Jahre lang unter der Ex- Kanzlerin Merkel erlebt habe. Eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe war das nicht, dann doch lieber in die Opposition.

  6. 388.

    Besser als die 7%(?) der Berliner, die die Grünen gewählt haben. Zumal sich darunter wie berichtet auch noch die meisten Zugezogenen im Parteienvergleich befinden.

    Nein, ist schon die beste und fairste Umsetzung des Wählerwillens, wenn jetzt CDU + SPD koalieren.
    Und wie es sich anhört, wird genau das auch passieren.

    Lesen Sie sich mal durch, wie seitens der SPD-Beteiligten die Sondierungen mit den Grünen verlaufen sind und was letztlich dazu geführt hat, dass es auf ein Bündnis der beiden großem Volksparteien hinausläuft.

    Falls Sie es nicht lesen wollen, hier eine spannende Aussage aus dem Papier:

    In ihrem Sondierungs-Fazit werfen die SPD-Verhandler den Grünen vor, keine verlässlichen Verhandlungspartner gewesen zu sein. In "nahezu allen politischen Teilbereichen haben die Grünen erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Verabredungsfähigkeit aufkommen lassen"

    Das sitzt.

  7. 387.

    Naja, von ´Demokratie pur´ zu sprechen, wenn 11% der Berliner CDU gewählt haben und diese dann die Regierung stellen, hat schon einen pfahlen Schein...

  8. 386.

    Was soll denn Linke/Grün und Linke/SPD sein? Bevor die SPD oder die Grünen mit den Linken alleine regieren, wird es wohl ehr SPD/Grüne werden. Und zu CDU/SPD oder CDU/Grüne, die haben sehr viele Gemeinsamkeiten?! Das sind nur Hilfskoalitionen wenn überhaupt. Man sollte Sachen vergleichen die Sinn machen. Sie scheinen die Parteiprogramme nicht zu verstehen.

  9. 385.

    Also ich würde mich freuen wenn das wirklich ernst gemeint ist. Warum? Weil ich weder Links - noch Rechts Radikale mag ...

  10. 384.

    Ja wurden sie, seit ihrer Gründung. Und ich glaube, zumindest teilweise werden die offensichtlich extremen Gruppierungen innerhalb der Partei auf Länderebene nach wie vor beobachtet.
    Aber ist ja alles nicht schlimm, solange es nur Linksextremismus ist.

  11. 383.

    Klar, es gibt nur Rechtsextremismus. Linksextremismus existiert nicht, schon gar nicht in Berlin. Haha.

    Wird es Ihrer Meinung nach auch wieder Zeit für einen "Schutzwall" rund um den kompletten Ost-Teil von Berlin?

    Nach Ihrer Wahrnehmung sind wahrscheinlich alle Menschen, die politisch nicht am extremen linken Rand stehen, rechter Gesinnung. Joa, stimmt natürlich aus der Perspektive, ne?

    Leider fliegt uns der jahrzehntelange Kuschelkurs im Umgang mit bestimmten Gruppen von (häufig) Gewaltverbrechern, welche die FDGO ablehnen (und sicher NICHT dem rechten Spektrum angehören) seit Jahren kräftig um die Ohren.

    Die Polizei muss es ausbaden. Und letztlich auch unbescholtene, gesetzestreue Bürger, die einfach nur in Frieden in dieser Stadt leben wollen, aber die nicht geschützt werden (weil nicht hart genug gegen respektlose demokratiefendliche Kriminelle durchgegriffen wird) und deren Ängste viel zu lange nicht ernstgenommen wurden.

  12. 382.

    Die allergrößte Verliererin ist…………….die Linke!

  13. 377.

    Wer hat uns verraten? "Sozial"demokraten

  14. 376.

    Nun sein Sie mal nicht so kleinlich, immerhin haben sich Ihre Einkünfte doch erhöht? Hartz IV 2.0 ist doch eine Steigerung

  15. 375.

    CDU/SPD größer als Linke/Grün
    CDU/Grüne größer als Linke/SPD

  16. 374.

    "Wenn SPD + Linke gemeinsame Sache machen, dann ist das im Ergebnis aber genauso weit links, wie die CDU in Zusammenarbeit mit der AFD rechts wäre. Man stelle sich die Empörung vor, wenn CDU + AFD so eng und extrem zusammenarbeiten würden."

    Die Partei Die Linke steht auf dem Boden der FDGO, was man von der rechtsextremen AfD nicht behaupten kann. Ihr Hufeisenmodell wird immer wieder benutzt um Rechtsextremismus zu verharmlosen.

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