Spitzenkandidaten im Duell - Rot-grün-roter Nichtangriffspakt

Mi 08.02.23 | 07:57 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Die Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten der jeweiligen Parteien im Land Berlin Bettina Jarasch ( l-r, Bündnis 90/ Die Grünen), Klaus Lederer ( Die Linke) und Franziska Giffey (SPD) gehen auf dem EUREF Campus. Dort werden heute die Koalitionsverhandlungen der rot-grün-roten Parteien im Land Berlin fortgesetzt. (Quelle: Annette Riedl/dpa)
Video: rbb "Ihre Wahl: der Kandidatencheck" | 07.02.2023 | Bild: Annette Riedl/dpa

Es war die letzte große Debatte der Spitzenkandidaten vor der Wahl: Im rbb-Fernsehen trafen Giffey, Wegner, Jarasch, Brinker, Czaja und Lederer aufeinander. Am Ende waren zwar nicht alle Fragen beantwortet - eine ganz zentrale aber möglicherweise schon. Von Sebastian Schöbel

Die kleine Deutschlandflagge hatte sich Sebastian Czaja vermutlich nicht zufällig ans Sakko gesteckt, bevor er zum rbb24-Kandidatencheck fuhr. Der FDP-Spitzenkandidat tritt schließlich nicht für ein Amt auf Bundesebene an, sondern will nach der Wiederholungswahl einem neuen Berliner Senat angehören. Dass der Weg dorthin wohl nur mit CDU und SPD als Partner gelingt, scheint für Czaja inzwischen klar zu sein: Anders kann man die schwarz-rot-gelbe Botschaft an seinem Revers wohl kaum verstehen.

Zumal CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner seinen Auftritt im Studio A an der Masurenallee nutzte, um eine Regierungskoalition mit den Grünen so gut wie auszuschließen. "Das, was Frau Jarasch und die Grünen in den letzten Tagen und Wochen gesagt haben, ist mit mir nicht zu machen", sagte Wegner nach einem hitzigen Schlagabtausch mit der amtierenden Verkehrssenatorin Bettina Jarasch. Dass die Grünen ihre Haltung in der Verkehrspolitik nochmal ändern, bezweifle er. Und stellte klar: "Also kann ich mir eine Koalition mit den Grünen nach der Wahl nicht vorstellen."

Verwaltungsreform bis 2024

Lauter hätte Wegner das schwarz-grün-gelbe Buch der ersten Berliner Jamaika-Koalition kaum zuschlagen können. Dass es wohl auf absehbare Zeit geschlossen bleibt, hatte sich aber schon vorher angedeutet: Da ließ Jarasch in einem Interview mit der Zeitung "Welt" wissen, dass Rot-Grün-Rot auch bei einem Wahlsieg der CDU weiterregieren könne. Die Hoffnung, diese Koalition auch anzuführen, hat Jarasch freilich noch nicht aufgegeben, auch wenn in Umfragen zuletzt die SPD vor den Grünen lag.

Am Mittag dann wurde mit den Eckpunkten zur Verwaltungsreform im Senat ein Projekt beschlossen, das bis weit ins Jahr 2024 ausgelegt ist. Geht es nach SPD, Grünen und Linken, bleiben die Bezirksämter nicht nur bestehen, die zwölf Bezirksbürgermeister sollen künftig auch deutlich mehr politisches Gewicht bekommen – das Gegenteil von dem, was FDP-Spitzenkandidat Czaja im Wahlkampf fordert. Der Plan sei "eine sehr, sehr gute fachliche Grundlage um das zu tun, was notwendig ist in Berlin", so Giffey. Bereits im April sollen die Details mit den Bezirken bei einem großen Reformkongress verhandelt werden. Zum Vergleich: Das ist weniger Zeit, als SPD, Grüne und Linke 2021 brauchten, um einen Koalitionsvertrag auszuhandeln.

Berlin-Wahl live

Den Wahlabend können Sie auch live bei uns verfolgen: Auf den Social-Kanälen von rbb|24 gibt es am Sonntag ein eigenes digitales Livestream-Angebot – von 17.45 bis 20.30 Uhr – zu finden bei rbb|24 YouTube, Facebook, auf rbb24.de und hochkant in der App, wenn Sie es sich auf dem Smartphone anschauen wollen.

Seltene Einigkeit im Wahlkampf

Die Eile passte zu einem Tag, an dem SPD, Grüne und Linke seltene Einigkeit in diesem Winterwahlkampf demonstrierten. Hatten sich die bisherigen Koalitionspartner zuvor immer wieder öffentlich beharkt, schien es nun so, als ob die Wahl in gut fünf Tagen nicht mehr als eine kurze Unterbrechung der gemeinsamen Langfristplanung sei. Im rbb-Kandidatencheck jedenfalls griffen weder Lederer, noch Jarasch oder Giffey ihre bisherigen Koalitionspartner an: nicht in der Wohnungs- und Mietenpolitik, nicht beim Verkehr und auch nicht bei der inneren Sicherheit. Trotz zuletzt teils großer Differenzen: von Elektroschockpistolen für Polizeibeamte, über den Weiterbau der A100, bis zur Enteignung großer Immobilienkonzerne.

Den drei Oppositionsparteien blieb damit nur übrig, sich an der bisherigen Senatspolitik abzuarbeiten. Überraschendes kam allerdings nicht dabei heraus. Bisweilen wirkte es sogar etwas bemüht. Etwa als Sebastian Czaja in seinem Schlussplädoyer erklärte: "Es geht nicht darum, wer die meisten Stimmen hat, sondern dass wir einen echten Wechsel vollziehen." Ob diese Rechnung aufgeht, darf bezweifelt werden: Die Zahl der Stimmen dürfte am Ende ziemlich wichtig werden, wenn es um die Bildung von Mehrheiten geht.

Mögliche Koalitionen: Giffey zurückhaltend

Franziska Giffey, um deren Zukunft als Regierende Bürgereisterin es am Sonntag auch geht, hielt sich bei der Frage nach Koalitionen wie immer zurück. Ein Aufschwung in den jüngsten Umfragen lässt ihr mehrere Optionen offen - sogar eine, in der sie als Chefin im Roten Rathaus weitermachen könnte. Wer wollte, konnte viel in ihr Fazit zur kontroversesten Debatte des rbb-Kandidatenchecks - der zur Verkehrspolitik - hineinorakeln: "Sie werden nie eine Gruppe haben, die 100 Prozent ihrer Wünsche erfüllt bekommt", resümierte Giffey. Besser hätte man ihr erstes Amtsjahr mit Grünen und Linken kaum beschreiben können. Und Giffey klang nicht so, als ob sie es nicht noch weitere vier Jahre aushalten würde.

Sendung: Ihre Wahl - Der Kandidatencheck, 07.02.2023, 20:15 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

78 Kommentare

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  1. 78.

    Meinen Sie das tatsächlich ernst? Inwiefern wird denn bitte die afd diffamiert?

  2. 77.

    Richtig, mit der AfD will derzeit noch niemand.

    Aber eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD wird kommen, wenn die Zeit reif ist.

    Und das ist auch gar nicht schlimm.

    Italien steht noch, die Italiener sind unter Meloni seit 100 Tagen + zufriedener.

    https://www.tagesspiegel.de/internationales/meloni-regiert-seit-100-tagen-in-italien-was-ist-mit-europas-gefahrlichster-frau-passiert-9252765.html

  3. 76.

    Als ob die Parteien mit dem C im Parteiennamen besser sind.
    Gehen sie blind durch die Gegend und haben sie aus Merkels Regierungszeit nichts gelernt ?

  4. 75.

    Schon sonderlich das hier auch Absonderungen auftauchen können die nicht mal andeutungsweise was mit dem Artikel/Beitrag zu tun haben.
    Es geht um sowas wie "Seltene Einigkeit im Wahlkampf" und/oder "Verwaltungsreform bis 2024".
    Bitte auch mal auf Etwas zum Artikel Betreffendes eingehen und nicht ständig Kommentar-Urteile abgeben!
    Danke auch!

  5. 74.

    Nee Horst, die AfD wird von allen anderen Parteien diffamiert.....so wird ein Schuh daraus

  6. 73.

    Nichtangriffspakt ? Wie bitte ? Frau Giffey belehrt doch einen Senioren vor Kamera: wenn Sie SPD nicht wählen, dann kriegen Sie Frau Jarasch ! Als eine Drohung gemeint. Die Politiker (w/m/d) kämpfen um eigene Interessen und Posten und sehen Ihre Mission nicht als Berufung. Wahlwerbung hat unterirdisches Niveau, z.B. mit Frau Jarasch auf der Strasse und 2 Menschen, die PV Modul tragen ... kann man darüber nur lachen.

  7. 71.

    Doch, der Sachlichkeit wegen. Danke für Ihr Verständnis.

    Abwertende Unterstellungen sind nicht zielführend.

  8. 70.
    Antwort auf [Kalli] vom 08.02.2023 um 13:09

    Dass das Wählen einer rechtsextremen Partei möglich ist, macht dies nicht weniger schlimm.

  9. 69.
    Antwort auf [Kalli] vom 08.02.2023 um 13:09

    "AfD wählen ist demokratisch möglich und nicht schlimm.
    Müssen Sie aushalten."

    Tut auch nicht weh, Schlimmer kann es in Berlin auch nicht mehr werden.

    Aber dies hier zu kommentieren, ist nur müßig, da vieles in woker, links grüner Hand.
    Da Demokratie hier oft nicht ganz Ernst genommen wird - Wählen gehen und gut ist!



  10. 66.

    Linker Mob der Eigentum hasst, weil er nichts kann und nichts erreichen wird. Abgehalfterte Revoluzzer, die jetzt und im Alter alimentiert werden müssen. Auf ewig abhängig von Eigentümer ihrer Lebensgrundlage, einem eigenen Dach über dem Kopf. Wer denkt das Leistung und Wohlstand vom Himmel fällt, der wählt RGR.

  11. 65.
    Antwort auf [Atze] vom 08.02.2023 um 12:47

    Bleiben Sie sachlich und unterstellen Sie bitte nichts, das Sie nicht belegen können.

    Danke.

  12. 64.

    Diese Heuchelei, Unehrlichkeit und Doppelmoral mache ich nicht mit.
    Wie viele Abgeordnete des Berliner Abgeordnetenhauses und des Berliner Bundestages fahren seit Jahren regelmäßig mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln? Wasser predigen und selbst Wein trinken.

  13. 63.
    Antwort auf [Atze] vom 08.02.2023 um 12:47

    Da ist ja das bisher vermisste Wort!!!
    Und ach so Beitragsorientiert.
    Zumal "Atze" in den 63 Vor-Kommentaren nicht einmal was zum Thema zusteuert.
    Sind halt da.

  14. 62.

    Seien Sie nicht skeptisch. Da beschließt der nächste Linken-Parteitag einfach, dass Geld künftig an Bäumen wächst und schwupps, ist das erledigt. Klappt das dann wieder mal nicht, ist wie immer der Kapitalismus schuld und man kann sich deshalb wen zum Enteignen suchen. Man muss das kreativ angehen ...

  15. 61.
    Antwort auf [Bürger] vom 08.02.2023 um 12:04

    Bürger, die Kandidaten der nationalen Front waren Wählergruppen die in der DDR zur Volkskammerwahl aufgestellt wurden. Das Land hieß DDR. Also nichts mit Rechtsextrimisten ,netter Versuch. Geschichte 6 setzen.

  16. 60.

    Mein Gott,wahlmüde,wenn ich das schon höre.Scheinbar ist ganz Berlin müde,gestresst und überfordert.Keine Ahnung wie unsere Vâter und Großväter es geschafft haben sich aus dunkler Vergangenheit hochzurappeln,ich denke sie haben gearbeitet,studiert sich fortgebildet,Soziale Marktwirtschaft hieß das .

  17. 59.

    Die Wirtschaft lebt nicht nur vom Autobau und Kraftstoffverkauf.
    Wir haben aktive 45 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland. Davon arbeiten vielleicht 1 Million direkt und oder indirekt am Auto. Wir leisten uns Kohle, Gas und Ölsubventionen für 600 Milliarden Euro jährlich.
    Da zwacken wir was ab und machen richtig Wirtschaft, O:K:?!
    Im Grunde ist die CDU SPD mit ihrer Autopolitik massiv wirtschaftsschädigend. Sie müssen mal sehen, was da an Wissenschaft und Fortschritt kaputt gemacht wird.

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