Mitgliedervotum - Giffeys Wette auf Schwarz, damit Rot gewinnt

So 23.04.23 | 21:57 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Franziska Giffey (l, SPD), Regierende Bürgermeisterin, und Raed Saleh (r, SPD), Fraktionsvorsitzender, und weitere Vorstandsmitglieder bei einer Pressekonferenz nach dem SPD-Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag mit der CDU. Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
Video: rbb|24 | 23.04.2023 | Material: rbb24 Abendschau | Bild: dpa/Jörg Carstensen

Mit knappem Vorsprung setzt sich bei der SPD das Lager um Parteichefin Giffey durch: Die Sozialdemokraten koalieren mit der CDU. Dahinter steckt ein riskantes Kalkül. Von Sebastian Schöbel

Gleich mit dem ersten Satz schien Franziska Giffey alle Zweifel hinwegfegen zu wollen. "Wir haben ein klares Ergebnis", sagte die SPD-Chefin, und ließ dabei extra kleine Pausen zur Betonung jedes Satzteils. "Wir reden hier nicht über 53 Stimmen Unterschied", sagte Giffey in Anspielung auf den knappen Vorsprung der SPD auf die Grünen bei der Wiederholungswahl. "Es ist ganz eindeutig." Denn nur so wollte die scheidende Regierende Bürgermeisterin von Berlin dieses Mitgliedervotum verstanden wissen: Als Bestätigung ihrer Entscheidung für eine Koalition mit der CDU. Die Ansage war so unmissverständlich, dass sofort klar wurde: Das konnte nicht die ganze Wahrheit sein.

Denn dass nun 54,3 Prozent derjenigen, die gültige Stimmen abgegeben haben, Ja zur schwarz-roten Koalition sagen, ist keineswegs der deutliche Erfolg, den sich Giffey und ihr Co-Landeschef Raed Saleh gewünscht hatten. Zwar rechnete Saleh noch vor, dass der Unterschied zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager bei 1.000 Stimmen liegt, "das ist einmal komplett die Genossinnen und Genossen aus meinem Heimatbezirk Spandau". Wer wollte, konnte aber auch anders rechnen: 1.000 Stimmen sind nicht einmal die Hälfte der SPD-Mitglieder in Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf oder Steglitz Zehlendorf.

SPD bleibt tief gespalten

Nach wochenlangen Diskussionen, teils hitzigen Debatten und einer breiten Kampagne gegen Giffeys Koalitionspläne, ist die Hauptstadt-SPD weiter tief gespalten. Fast 46 Prozent haben gegen Schwarz-Rot gestimmt. Wäre es eine Wahl zum Parteivorstand gewesen, müsste man wohl von einem Misstrauensvotum sprechen. Das knappe Ergebnis stellt die Parteispitze nun vor eine große Herausforderung: zu beweisen, dass die SPD sich von ihrer jüngsten Wahlschlappe erholen kann, indem sie der CDU ins Rote Rathaus verhilft.

Welche Erzählung man dafür bereithält, demonstrierte dann auch gleich Fraktionschef Raed Saleh. Es sei ein Triumph sozialdemokratischer Basisdemokratie gewesen, jubelte der Spandauer SPD-Politiker. Die interne Debatte sei kontrovers, aber fair abgelaufen. "Was meine SPD ausmacht, ist auch, dass sie in der Sache hart ringen kann." Den Kritikern in den eigenen Reihen versicherte Saleh: Das Ganze sei "keine Liebesheirat", aber "vernünftig". Man habe schließlich der CDU sehr viele sozialdemokratische Ziele in den Koalitionsvertrag hineindiktiert. Wem das nicht reicht, dem bot Saleh noch das Machtkalkül als Argument an. Die CDU sei nämlich auch mit den Grünen "sehr, sehr weit" gewesen, deswegen habe man den Vorschlag für Schwarz-Rot "letztendlich auch für die Partei gemacht".

In drei Jahren droht Schwarz-Grün

Die SPD blickt also längst auf die nächste Wahl und weiß: Ohne zählbare Erfolge droht ihr der Gang in die Opposition, wenn CDU und Grüne tatsächlich eine Koalition schmieden sollten. Die Bereitschaft dazu hatten beide Parteien in den Sondierungen bereits erkennen lassen. Die SPD setzt das unter Druck: Effektiv bleiben ihr zweieinhalb Jahre, um sich neben der CDU als progressive Kraft links der Mitte zu profilieren. Von den Ressorts, die voraussichtlich von der SPD übernommen werden, bietet aber wohl nur die Wirtschaft Möglichkeiten zu glänzen. Überall sonst warten vor allem große Herausforderungen.

Die Sozialverwaltung wird weiterhin mit der Unterbringung tausender Flüchtlinge zu kämpfen haben, ein schier endloses und undankbares Ringen um Unterbringungsmöglichkeiten und Wege der Integration. In der Gesundheitspolitik warten nach überstandener Pandemie wieder die dornigen Probleme der Gesundheitsversorgung, von überlasteten Krankenhäusern bis zu fehlenden Fachkräften in der Pflege. Am schwierigsten dürfte jedoch die Stadtentwicklung werden: Durch die Energie- und Preiskrise drohen Jahre der Stagnation im Baugewerbe. Experten fürchten längst, dass die Neubauzahlen einbrechen werden – denkbar schlechte Bedingungen für einen Senat, der neue Wohnungen liefern will. Allein die brummende Berliner Wirtschaft verspricht positive Schlagzeilen bis 2026 – wohl auch ein Grund, warum zuletzt Franziska Giffey als neue Wirtschaftssenatorin im Gespräch war.

Die Parteichefin hat (fast) ihre Lieblingskoalition

Giffey selbst denkt derweil offenbar schon sehr viel weiter als bis 2026. "Das ist eine politische Richtungsentscheidung, die weit über das hinausgeht, was die nächsten drei Jahre betrifft." Vielmehr gehe es darum, wie sich die SPD "fürs nächste Jahrzehnt aufstellt". Auf Nachfrage beeilte sich die scheidende Regierende Bürgermeisterin, klarzustellen, dass sie ihre Partei damit nicht langfristig an die CDU binden wolle. Man habe vielmehr Schaden von der Stadt abwenden wollen, weil ein Nein der SPD zu Wochen oder Monaten der Unklarheit geführt hätte. "Das hätte auch der SPD geschadet, und das hätte länger gewirkt als drei Jahre."

In ihrer Partei dürfte Giffey mit dieser Aussage dennoch Spekulationen anheizen, dass sie nun endlich die Koalition bekommt, die sie immer wollte – wenn auch in der aus ihrer Sicht falschen Reihenfolge. Wie weit ihr die SPD auf diesem Weg folgt, werden die nächsten drei Jahre zeigen. In jedem Fall stehen Giffey, Saleh und die SPD-Spitzen in Berlin nun unter Druck: Sie müssen vor allem für ihre eigene Partei Erfolge liefern. Diesen Druck wird wohl auch die CDU zu spüren bekommen.

Beitrag von Sebastian Schöbel

66 Kommentare

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  1. 66.

    Zumal die Grüne Dame mit dem ungewöhnlich dunklem Haar einer Mitte 50igern mit Korkenzieherlöckchen ja inzwischen einräumte, dass das mit den Stadtmöbeln in der Friedrichstraße wohl nicht die optimale Herangehensweise gewesen war.

  2. 65.

    Frau Giffey, in der leistungsorientierten Beamtenberufswelt als Inspektoranwärterin des Mittleren Gehobenen Dienstes, hat sicherlich ihre Fähigkeiten bei ihrer versuchten Promotion zur Anwendung bringen können. Wobei sich allerdings wie bei der Völkerrechtlerin die Frage bei Ottonormalo stelt, der sich ein bißchen mit den Regularien auskennt, wie sie das ohne Abschluss eines hiesigen Studiums gedeichselt hat.

  3. 64.

    Ach @Max, was ist in Ihrem Leben schief gelaufen, dass Sie nur pöpeln können? Hat man Ihnen nicht beigebracht, wie man diskutiert? Ist das die gelernt Form, sich in seinen Äußerungen selbst zu spiegeln? Klingt es nicht wie Hohn, andere User der "üblichen Lügen und Hetze" zu bezichtigen und selbst dieser Mittel zu bedienen? Sind Sie es nicht, der diffamiert, beleidigt, lügt und denunziert? Und das mit wechsenden einfallslosen Drei-Buchstaben-Nicks?
    Erkennbar durch Satzbau, Absätzen und dem doch simplen Inhalt.

  4. 63.

    Antwort auf 5. KopfTisch|Berlin|Sonntag, 23.04.2023 | 22:21 Uhr
    Glauben Sie allen Ernstes, Sie seien politisch gebildet, nur weil Sie Rot/Grün/Dunkelrot und deren Unfähigkeit, Klientelpolitik und Selbstverliebtheit nachtrauern? Das ist doch arrogant, oder?

  5. 61.

    Wenn Sie das schreiben, muss das Gegenteil richtig sein.

  6. 60.

    Die üblichen Lügen und Hetze von ganz weit rechts außen, wie von ihnen gewohnt, Jan, Tom, Torsten, Eric & Sven usw.

  7. 59.

    Ach, lass' sie reden!
    Mit Manja Schreiner als Umwelt- und Verkehrssenatorin, für die letztendlich Giffey verantwortlich ist, haben wir garantiert noch drei Jahre zunehmend Aktionen von LG & Co. mit erheblichem Wachstumspotiential zu erwarten - geht ja heute bereits los. DAS wird das zentrale Thema der nächsten Jahre - nicht irgendeine Verwaltungsreform.
    Die Spaltung innerer Ring gegen Außenring wird sich verstärken und regelrechte Bürgerkämpfe hervorbringen.
    Und CDU/Grüne wird es 2026 damit sicher NICHT geben.
    Berlin war und bleibt leider ein provinzielles Dorf.

  8. 58.

    Warten wir doch erstmal ab schlimmer wie unter RRG kann es nicht mehr werden.

  9. 57.

    Die Giffey-Saleh-Noske-SPD hat wahrscheinlich Recht. Möglicherweise ist es bereits zu spät. Für sozialdemokratische Politik auf dem vorläufigen historischen Höhepunkt der Modernisierungskrise unserer Produktions- und Lebensweise. Der rechte, wirtschaftsliberale, sozialdarwinistische Mainstream ist bereits über den Punkt fortgeschritten, an dem er noch umkehrbar gewesen wäre. Nun muss die Katastrophe von internationalem Aussmass erst einmal wieder durchlebt werden. Bevor begriffen werden kann, dass es so nicht geht. Man bräuchte mindestens eine Brandt-SPD, GRÜNE die sich nicht ihrer internationalistischen und sozialrevolutionären Wurzeln bereits vor Jahrzehnten entledigt hätten. Um überhaupt zu verstehen, weshalb Putin - exemplarisch für Nationalismus, Diktatur, rechtsautoritäre Dominanz, militärische Lösung - einen Sieg nach dem anderen erringt. In Form von rechtspopulistischen und rechtsoffenen Regierungen überall in der EU und seiner Führungsmacht USA.

  10. 56.

    Ach je Tom - was für ein Glück für Sie, dass es diese hier -letztlich- anonyme Möglichkeit für Ihre Auslassungen gibt.

    Offenbar Typ Mitmensch, den man als Nachbar nicht möchte. Hat mit grosser Politik zunächst nichts zu tun. Bemerkenswert, von welcher politischen Praxis Sie sich offenbar gut vertreten sehen. Das ist im Umkehrschluss keine gute Werbung für das von Ihnen bevorzugte Lager. Zusammengenommen Haltung, der kein redlicher Mensch, noch Politik Zucker geben würde.
    Sie überstünden Sie mit Ihren Anwürfen keine eine Beweisaufnahme eines ordentlichen und unabhängigen Gerichts. Egal ob Sie über Nachbarn haltlose Anschuldigungen verbreiten. Oder wahrscheinlich tatsächlich glauben, Sie verträten mit solchen Tiraden eine überprüfbar seriöse Ansicht über die Regierungspraxis eines Senats.
    Was Sie gar nicht verstehen: Danke für beispielhafte Demonstration, wie Wahlkampagne die die CDU zur Freundin der Giffey-SPD machte Spaltung ist, die die Verursacher dann auf Andere projizieren.

  11. 55.

    Ach ja, die provinzielle Bundesrepublik mit ihrer CDU, und als Kontrastprogramm das chaotische Berlin.
    Berlin, jetzt kann es nur noch besser werden, das provinzielle Gehabe der Grünen und der Linken wurde ausgebremst.
    Auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen, Berlin war für die beiden Parteinen ein großes Dorf.

  12. 54.

    Mein Einspruch gegen den Grundsteuerbescheid vom FinA hat sehr wohl bewirkt, dass die Bemessungsgrundlage zur Feststellung der Grundsteuer b.a.W. einer abschließenden Entscheidung durch die Gerichte ausgesetzt wird. Damit ist schon mal ein Punkt abgearbeitet.

  13. 53.

    Nanananana. Etwas mehr Zurückhaltung bitte schön.
    (1) Es handelte sich nicht um
    R R G, sondern um R G R. So viel Zeit muss sein. (2) Und Lügen & Hetze verbreitet im Land Berlin sowie bundesweit nur eine Partei:
    Diese AFD. Daran kann überhaupt kein Zweifel herrschen. Cogito ergo sum. René Descartes formulierte das hübsch nach radikalen Zweifeln an der eigenen Erkenntnisfähigkeit. Etwas, was Ihnen abholen zu gehen scheint.
    Wollen Sie bitte zukünftig etwas mehr Wert auf die hauseigene Nettikette legen.
    Bitte bleiben Sie gesund.
    Rajko Peter Petrow

  14. 52.

    NUr, weil man etwas lange macht, macht man es noch lange nicht gut. Lederer war am Ende und hat nur noch Geschenke verteilt, um seine lobby zu pimpern. Gut, dass auch er Geschichte ist!

  15. 51.

    Ja, nun muss sich nur zeugen, ob die Jusos auch gut Verlierer sind. Sonst sollten Sie bei den LINKEN eintreten, noch so eine Selbstmitleidtruppe wie die um Frau Jarresch brauchen wir hier in Berlin nicht.

  16. 50.

    Ja, es kann wirklich nur breiter regiert werden. Nicht mehr einseitig gegen das Auto #gutfuerberlin

  17. 49.

    Ja, weil es das Ende des Links-Grünen Tunnelblicks für Berlin bedeutet!

  18. 48.

    "und in der Opposition werden die (Grüne/Linke) wahrscheinlich noch lauter rausbrüllen um Ihre Zombies bei der Stange zu halten."

    Danke für diese nette, bestimmt nicht beleidigend gemeinte, Bezeichnung!

  19. 47.

    Ich wähle weder cDU noch sPD, würde mich aber freuen, wenn diese Koalition wirklich "Politik für alle" machen würde, wie es hier einige erwarten.
    Falls es der Koalition in den nächsten drei Jahren, gelingen sollte, die Berliner Verwaltung wieder technisch zum Laufen zu bringen (Termine bei Ämtern etc.), werde ich meinen Hut vor ihr ziehen.

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