466 Wahlbriefe nachträglich ausgezählt - Gleichstand bei Direktkandidaten von CDU und Linke in Lichtenberg - Los könnte entscheiden

Do 16.02.23 | 06:43 Uhr
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Nach der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus werden bei einer Öffentlichen Auszählung Wahlbriefe im Bezirk Lichtenberg nachgezählt.(Quelle:dpa/J.Carstensen)
Video: rbb24 Abendschau | 15.02.2023 | Franziska Hoppen | Bild: dpa/J.Carstensen

Die bei der Wiederholungswahl zunächst unberücksichtigten Stimmzettel in Lichtenberg sind ausgezählt. Ergebnis: In einem Wahlkreis liegen die Direktkandidaten von CDU und Linke gleichauf - mit möglichen Auswirkungen für das Abgeordnetenhaus.

  • 466 Briefwahlumschläge mussten wegen "Kommunikationsfehler" nachträglich ausgezählt werden
  • Im Wahlkreis 3 liegen Kandidaten von CDU und Linken gleichauf
  • Wer das Direktmandat bekommt, entscheidet das Los
  • Endgültige Entscheidung erst am 27. Februar, wenn amtliches Endergebnis bekannt gegeben wird

Drei Tage nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl sind im Bezirk Lichtenberg weitere Briefwahlstimmen ausgezählt. 466 Briefwahlumschläge waren laut Landeswahlleiter Stephan Bröchler durch einen "Kommunikationsfehler" vor der Wahl in der Poststelle des Bezirks liegengeblieben.

Die Auszählung wurde mit Spannung beobachtet, weil nach dem vorläufigen Wahlergebnis Grüne und SPD fast gleich stark sind. Die SPD hat einen Vorsprung von nur 105 Stimmen.

Nach inoffiziellem Auszählungsergebnis vergrößert sich nun der Vorsprung der SPD bei den Zweitstimmen um weitere acht - auf 113. Durch die jetzt ausgezählten Zweitstimmen hätte die Panne zunächst keine Auswirkungen auf die Rangfolge.

Allerdings ist durch die neu dazugekommenen Erststimmen in Wahlkreis 3 ein Patt entstanden, das sich über eine Art Domino-Effekt doch auf die Berliner Regierung auswirken könnte. In diesem Wahlkreis liegt die Direktkandidatin der Linken, Claudia Engelmann, jetzt gleichauf mit dem bisher führenden Kandidaten der CDU, Dennis Haustein.

Das Wahlgesetz sieht in einem solchen Fall vor, dass der zuständige Bezirkswahlleiter auslosen muss, wer das Direktmandat bekommt. Voraussichtlich muss hier nun gelost werden, wer das Mandat erhält. Entschieden wird darüber im Lichtenberger Bezirkswahlausschuss am Montag. Die Linke forderte am Mittwoch, dass - bevor es zu einer Auslosung kommt - zuerst die Stimmen im gesamten Wahlkreis 3 erneut gezählt werden sollen.

Endgültige Entscheidung erst am 27. Februar

Sollte Haustein das Mandat behalten, würde sich am Kräfteverhältnis der Parteien im Abgeordnetenhaus nichts ändern. Ginge das Mandat an die Linke, hätte die CDU einen Sitz weniger im Landesparlament. Bei SPD und Grünen würde je ein Ausgleichsmandat wegfallen. An den Kräfteverhältnissen von SPD und Grünen im Berliner Abgeordneten wird sich demnach aller Voraussicht nach nichts ändern. Entsprechende Äußerungen hatte es noch gestern aus dem Bezirk gegeben.

Entscheiden wird sich das aufgrund komplizierter Verteilungsmechanismen erst am 27. Februar, wenn das amtliche Endergebnis bekannt gegeben wird.

Landeswahlleiter: Keine komplette Neuauszählung in Lichtenberg

Landeswahlleiter Stephan Bröchler wies außerdem darauf hin, dass die Stimmen zur Abgeordnetenhauswahl in Lichtenberg nicht komplett nachgezählt werden.

Ein knapper Stimmenabstand sei kein Grund dafür, dass an der Wahl etwas falsch gelaufen sei, sagte Bröchler am Mittwoch in der rbb24 Abendschau. Ein Recht darauf, Stimmen nachzuzählen, gebe es nur bei Rechtsverstößen.

Derzeit prüfe das Bezirkswahlamt die Wahlprotokolle aller Lichtenberger Wahllokale, teilte Bezirksstadtrat Kevin Hönicke (SPD) mit. Sollte es bei dem Routineprozess zu begründeten Auffälligkeiten kommen, könnte es demnach zu Überpüfungen der abgegebenen Stimmen kommen.

"Zum jetzigen Zeitpunkt steht kein abschließendes amtliches Ergebnis fest, auch keine eventuelle medial kommunizierte Pattsituation zweier Kandiderenden für das Abgeordnetenhaus", so Hönicke. Das amtliche Endergebnis im Wahlkreis 3 werde erst am 20. Februar verkündet.

Die Neuauszählung erfolgte wegen einer Panne in Berlin-Lichtenberg. Ein Paket mit nicht berücksichtigten Briefwahlumschlägen war am Montag in der Poststelle des Bezirksamts Lichtenberg entdeckt worden. Der Fund wurde am Dienstag öffentlich.

Nach Angaben des Bezirkswahlleiters Axel Hunger in Lichtenberg war ein interner Fehler schuld. "Es lag daran, dass wir ein Kommunikationsproblem hatten innerhalb des Bezirkswahlamtes", sagte er am Mittwoch. Die fraglichen Wahlbriefe seien bis einschließlich Donnerstag in der Briefwahlstelle im Rathaus Lichtenberg abgegeben worden. Dann habe es aufgrund des Verlaufs der internen Postroute der Behörde nicht geklappt, sie rechtzeitig zum Bezirkswahlamt zu bringen, das sich in einem anderen Gebäude im Stadtteil Hohenschönhausen befindet. Vielmehr seien sie liegengeblieben und erst am Montagmorgen dort angeliefert worden.

"Das ist einfach ein Missverständnis gewesen", so Hunger. "Ich nehme das auch voll auf meine Kappe." Solche Fehler seien ärgerlich, könnten aber eben auch mal passieren. "Entscheidend ist, dass wir den Fehler korrigieren, wie wir auch andere Fehler korrigieren." Genau dafür gebe es die Ergebnisprüfung, die am Morgen mit etwa zehn Mitarbeitern des Bezirksamtes begonnen habe.

Bezirksstadtrat Kevin Hönicke wies darauf hin, dass sich die Wahlunterlagen "über das Wochenende in plombierten Kisten verwahrt in behördlichen Räumlichkeiten innerhalb des Bezirksamts" befanden. Unbefugte Personen hätten demnach keinen Zugriff gehabt, versicherte der SPD-Politiker.

Sendung: rbb24 Abendschau, 15.02.2023, 19:30 Uhr

Im Folgenden sind die gezählten und zusammengetragenen Stimmen aus den 466 Wahlbriefen gelistet. Die nicht-offiziellen Ergebnisse beziehen sich auf die in Berlin-Lichtenberg betroffenen Wahlkreise 2,3,4,5, und 6.

Ergebnis Stimmenauszählung in Lichtenberg

  • Wahlkreis 2

  • Wahlkreis 3

  • Wahlkreis 4

  • Wahlkreis 5

  • Wahlkreis 6

140 Kommentare

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  1. 140.

    Zitat: "Ich habe auf den Kommentar #122 geantwortet, ich empfehle dies immer vorher zu lesen, damit klar ist, was Sache ist."

    Das habe ich durchaus zur Kenntnis genommen und gemeint, mit dem einleitenden "Naja" klar zu machen, Dagmar.

  2. 139.

    Ich habe auf den Kommentar #122 geantwortet, ich empfehle dies immer vorher zu lesen, damit klar ist, was Sache ist.
    Übrigens, hier zählt das von der SPD gasagte, und nicht Vermutungen etc., die man selbst anstellt,
    Ist bekannt, je nach dem, wird es passend gemacht.

  3. 138.

    Zitat: "Die SPD hat nur verlauten lassen das sich was ändern müsse, weiter so geht nicht.
    Von einer Zusage an Fortsetzung dieser Konstelation, habe ich nichts vernommen."

    Naja, die SPD konnte davon ausgehen, dass die CDU die meisten Stimmen holen würde und sie bei Schwarz/Rot der Juniorpartner wäre. Bei einer Fortsetzung der Regierungskoalition konnte man eher annehmen, weiterhin Chef im Ring zu bleiben. Die Ansage, dass sich etwas ändern müsse, ging natürlich an die Wähler, aber wohl auch an die Grünen.

  4. 137.

    Wie hiess es nach der Bundestagswahl 2021 (CDU 24,1%, SPD: 25,7%):

    Ähnlich äußerte sich SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz. Die Wähler hätten der SPD deutliche Zugewinne beschert, "weil sie wollen, dass es einen Wechsel in der Regierung gibt und auch, weil sie wollen, dass der nächste Kanzler dieser Republik Olaf Scholz heißt".

    Also sollte Frau Giffey doch im Sinne des Kanzlers die richtigen Konsequenzen ziehen.
    Nein? OK, ist halt Berlin...

  5. 136.

    Klar, es gibt keinen Königsweg, wo alle zufrieden sein können. "The Winner Takes It All" schafft klare Verhältnisse und der Abgeorndete steht in direkter Verantwortung zu seinem Wahlkreis. Keine ausufernde Parteibürokratie, die sich dazwischen aufblasen kann. Ist auch nicht vom GG vorgesehen. Merkwürdig, dass nur wenige auf dieses Argement eingehen.

  6. 135.

    Oh, eine Idee zur Wahlmanipulation.
    Jeder darf nur dort wählen, wo er seinen Hauptwohnsitz hat. Jeder Wähler nur hat 1 Stimme pro Wahl. Würde es auch am Zweitwohnsitz möglich, wäre die Wahl verfälscht.
    Mit Drittwohnsitz hätte man 3 und beim Viertwohnsitz 4, wobei ALLE mit nur einem Wohnsitz nur eine Stimme hätten. Klingt irgendwie nach 2 Klassenwahlrecht. Dann könnte man auch Millonären gleich, je nach Vermögen, 5 bis 10 Stimmen zugestehen.

  7. 134.

    Nachzählen der Stimmen gehört zu gesetzlichen Regelung, und siehe da, es entscheidet kein Los.

  8. 133.

    Nur die Linke und die Grünen haben für eine Fortsetzung geworben.
    Kein Wunder, die Linke wäre ansonsten in der Opposition, und die Grünen müssten Zugeständnisse machen, und dass sind sie in Berlin nicht gewohnt, treiben doch die beiden Parteien die SPD vor sich her.

    Wenn sich was für Berlin und die SPD ändern soll, dann ist ein Wechsel unabdingbar!

  9. 132.

    Die SPD hat nur verlauten lassen das sich was ändern müsse, weiter so geht nicht.
    Von einer Zusage an Fortsetzung dieser Konstelation, habe ich nichts vernommen.

  10. 131.

    Bei der aktuellen Wahl würde das aber auch heißen, dass die CDU 61,5 % der Sitze (inkl. Mandat in Lichtenberg 3) im AGH erhalten würde, obwohl nur 29,7% der Erststimmen auf sie entfallen. Wenn man das so will, kann man das schon machen. Das kann bei der nächsten Wahl allerdings auch in die andere Richtung ausschlagen.

  11. 130.

    Es wurde ein Fehler gemacht. Ja, das ist richtig. Der Fehler wurde korrigiert. Das ist nun mal auch Fakt. Wo liegt hier die Mauschelei? Wäre es ihnen lieber gewesen, dass man den Fehler nicht korrigiert hätte?

    Ich finde, dass gerade hier das System relativ gut funktioniert hat und für Berliner Verhältnisse auch ziemlich schnell. Die allerbeste Lösung ist natürlich, dass so ein Fehler gar nicht passiert. Was aber bei einer Wahl in der Größenordnung wohl auch unrealistisch ist.

  12. 129.

    Dafür gibt es doch eine gesetzliche Regelung: Losentscheid! Also was soll der ganze Quatsch. Umsetzen, Basta!

  13. 128.

    Finde ich gut. Und die Zahl der lokalen Wahlkreise sollte auch zahlenmäßig reduziert werden, man könnte es an die Fläche oder die Einwohnerzahl des Bezirks koppeln. Ich persönlich wäre für die Einwohneranzahl. Wahlberechtigt sollten dann aber alle Wohnsitzinhaber sein, inklusive Zweitwohnsitzinhabern, die ja auch Zweitwohnungssteuer bezahlen und denen die Stadt ebenso am Herzen liegt.

  14. 127.

    Das ist Quatsch, was sie hier so demokratiefeindlich äußern. Was soll das bitte?

  15. 126.

    Aha. Nur ändert sich durch nicht einmal 500 Stimmen wohl kaum etwas an den 28% der CDU – wozu soll also diese von Ihnen unterstellten "Mauschelei" dann eigentlich gut sein? Hatte sie das Ziel, einfach mal wieder in der Kritik und doof da zu stehen?
    Und: Inwiefern ist Berlin verglichen mit als korrupt bezeichneten Staaten Ihrer Meinung nach noch viel schlimmer?

    Sie sind unzufrieden, schon klar.
    Fühlen Sie sich durch Ihre ziemlich wilden Unterstellungen denn wenigstens besser?

  16. 125.

    So ein Quatsch! An den 28% der Zweitstimmen ändert sich doch nichts, garnichts.
    Das Ergebnis der Zweistimmen bei der Wahl zum Angeordnetehaus ändert sich doch durch die 466 Stimmen höchstens in den Stellen hinter dem Komma.
    Also, Panikmache ist hier nicht angebracht. Mag sein, dass sie aber durch die/den Kommentierende/n erwünscht ist.

  17. 123.

    @ Bp, diese Verfahrensweise steht doch so im Wahlgesetz. Und das nicht erst seit heute sondern seit zig Jahren. Und das nicht nur in Berlin sondern deutschlandweit. Also schäumt vorm Mund abwischen.

  18. 122.

    „Zahlreiche SPD-Wähler haben geglaubt, dass die SPD nach der Wahl die Rot-Grün-Rote Koalition beenden würde.“

    Wie bitte? Soll das ein Scherz sein??

    Ich bin mir doch sehr sicher, dass RGR bereits vor der Wiederholung der Wahl bekräftigt haben, ihre Koalition fortsetzen zu wollen, falls das möglich sein sollte – und das ist es nun tatsächlich. Abgesehen von Ihnen wundert sich da, glaub ich, kaum jemand … Die Wähler:innen, die aus strategischen Gründen von der SPD zur CDU gewandert sind, mögen das zwar nicht gewollt haben; aber trotzdem hat die CDU insgesamt nur knappe 30% der Stimmen bekommen, während RGR zusammen auf fast 50% kommen … Die Frage, wer nun die meisten Wählerinnen repräsentiert und somit regieren kann / soll / darf, ist damit doch nun wirklich ganz klar und deutlich beantwortet, oder was genau verstehen Sie daran nicht?

  19. 121.

    Das britische System zeigt eben, dass das nicht funktioniert:
    Für Labour stimmen 35% aller Briten, Labour bekommt 55% aller Sitze. (2005)
    Für UKIP stimmten 12,6% aller Briten, UKIP bekommt 0,2% aller Sitze. (1 Abgeordneter; 2015)
    Regelmäßig ist die SNP ein Nutznießer dieses Systems, während die Liberalen in der Regel deutlich weniger Sitze bekommen, als sie Stimmanteile haben.

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