Kleiner Parteitag - Berliner FDP setzt auf Kernthema Verwaltungsreform

Do 15.12.22 | 07:49 Uhr | Von Kirsten Buchmann
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Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sitzt bei einem Interview in der Landesgeschäftsstelle der FDP Berlin. (Quelle: dpa/Jens Kalaene)
Audio: rbb 88.8 | 15.12.2022 | Ricardo Westphal | Bild: dpa/Jens Kalaene

Mit der Wiederholungswahl will die FDP für Berlin einen Neustart erreichen. An einer neuen Landesregierung möchte sie beteiligt sein. Inhaltlich fordert sie für Berlin besonders eine umfassende Verwaltungsreform. Von Kirsten Buchmann

Mit Plakaten in Signalfarben, pink, orange und gelb, wollen die Liberalen im grauen Berliner Winter auf sich aufmerksam machen. Darauf groß: Sebastian Czaja, nach 2016 und 2021 nun zum dritten Mal Spitzenkandidat der FDP bei der Abgeordnetenhauswahl.

Er will für Berlin vor allem eine funktionierende Verwaltung, ohne Hickhack zwischen Land und Bezirken. Das sei ihm für die Berlinerinnen und Berliner wichtig, "weil ich glaube, dass wir dringend das Pingpong in Berlin abschaffen müssen. Das gehört auf die Tischtennisplatte, aber nicht in die Berliner Verwaltung." Es müsse wieder jemand Verantwortung übernehmen – was Czaja gerne tun würde.

Weckruf für Verwaltungsreform

Ein Beleg dafür, dass die Arbeitsaufteilung zwischen Land und Bezirken so nicht weitergehen kann, ist für die FDP, dass im Februar 2023 eine Wiederholungswahl nötig ist, wegen der Pannen bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und den Bezirksverordnungsversammlungen im September 2021. Die Liberalen sehen das als Weckruf.

Es dürfe auch nicht sechs Wochen dauern, eine Geburtsurkunde zu bekommen, sagt Sebastian Czaja. Daher wolle er keine Doppelzuständigkeiten mehr zwischen Land und Bezirken, sondern die Verwaltungsstrukturen vereinfachen. Dafür sollen aus seiner Sicht die Bezirksämter und -stadträte abgeschafft und die gesamte Zuständigkeit auf Landesebene angesiedelt werden.

Eine einstufige Verwaltung solle damit für das ganze Stadtgebiet zuständig sein, plus Außenstellen, erklärt Czaja: "Ziel ist, dass wir die Beschäftigten dem Land zuordnen und damit klare Zuständigkeiten schaffen, indem es Senatsaußenstellen gibt. Das heißt, es gibt einen Stadtentwicklungssenator, eine Bildungssenatorin. Die entscheidet über die Fragen und nicht Bezirksstadträte, die am Ende nicht bereit sind, Verantwortung zu übernehmen." Zugleich will die FDP die Bezirksverordnetenversammlungen stärken, und zwar in Bereichen mit lokalem Bezug. Dazu zählt sie beispielsweise Jugendfreizeiteinrichtungen, Grünflächen und die Wirtschaftsförderung vor Ort.

Reformvorschläge von allen Seiten

Das Thema Verwaltungsreform haben auch andere Parteien im Wahlkampf für sich entdeckt. Der zuständige SPD-Staatssekretär Ralf Kleindiek präsentierte einen Vorschlag mit dem Tenor, dass die Verantwortlichkeiten zwischen Senat und Bezirken klarer aufgeteilt werden müssten. Die Berliner CDU sowie die Grünen steuerten ebenfalls jeweils eigene Ideen für eine Verwaltungsreform bei.

Die FDP-Vorschläge gehen dabei am weitesten. Sie wiederum sieht sich als Garant dafür, dass es vorangehen werde. Mit ihr in der Regierungsverantwortung, versichert sie, werde die Reform vom ersten Tag an vorangetrieben.

Sebastian Czaja weiß, wie wichtig ein Kernthema für seine Kampagne ist. Bereits 2021 und 2016 war er schließlich Spitzenkandidat im Berliner Abgeordnetenhauswahlkampf. "Tegel offen halten", lautete damals eine zentrale Forderung der FDP, um die Wählerinnen und Wähler emotional zu packen. Dieses Mal soll die Verwaltungsreform mobilisieren.

Nicht fürs Autofahren entschuldigten

Czaja verspricht zudem, für mehr Wohnraum zu sorgen und den öffentlichen Nahverkehr zu stärken. In den Außenbezirken müsse er genauso gut ausgebaut werden wie in der Stadtmitte. Gleichzeitig solle sich niemand entschuldigen müssen, mit dem Auto zu fahren.

Ihr Ergebnis von 2021 bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl mit 7,1 Prozent will die FDP toppen. Im Wahlkampf setzt die Partei dabei auf ihre Berliner Themen. Rückenwind von ihrer Bundespartei kann sie momentan nicht erwarten.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.12.2022, 12:00 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

24 Kommentare

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  1. 24.

    Ja, die RRG - Regierung, die macht voreilige Versprechungen, verzettelt sich gerne in Klein Klein, oder bildet einen "Arbeitskreis", leider. Wenn gehandelt wird, dann wird es von den Gerichten öffter für nichtig erklärt, und das ist peinlich.

  2. 23.

    Das wäre je kein Problem, wenn es denn funktionieren würde. Es funktioniert aber nicht, zumindest nicht in Berlin. Hr. Palmer hatte recht, daß man den funktionalen Teil Deutschlands verläßt, wenn man in die Hauptstadt fährt. Es hat sich nichts gebessert.

  3. 21.

    In Berlin braucht ein Bezirk wie FHXB fünf Jahre, um auf einer Rasenfläche ein nicht barrierefreies Missoir/Pissoir/Toilette ohne befestigte Zuwegung hinzustellen. Wie lange würde so etwas in Hamburg dauern?

  4. 20.

    Sicherlich ist es gut, wenn es etwas funktioniert, als wenn etwas nicht funktioniert. Dennoch ist Funktionieren um jeden Preis keinesfalls DIE Lösung.

    Berlin hat sich 1920 dezentral zusammengeschlossen, die Bezirke haben mithin den Status von Städten, nicht umsonst gibt es Bezirksbürgermeister. Hamburg wurde 1937 von oben her zentralistisch zusammengeschlossen, die Bezirke haben Bezirksamtsleiter, die allenfalls über den Sportplatzbau befinden können.

    Soweit eine Orientierung auf ein bezirkliches Zentrum vorhanden ist - wie in Berlin in Spandau und in Köpenick - sollte dieser Umstand auch Berücksichtigung finden, das aber können Zentralisten in der Regel nicht. Musterbeispiel dafür ist eine am Spandauer Zentrum vorbeigehende S-Bahn-Planung vom Falkenhagener Feld in Richtung Gartenfeld. Damit bliebe die Hälfte des ÖPNV-Verkehrsaufkommens, das im Spandauer Zentrum sein Ziel findet, unberücksichtigt.

  5. 19.

    Mehr Werbung für den Spitzenkandidaten der FDP geht nicht. Nichts hinterfragt. Schade.

  6. 18.

    Offenbar funktioniert es in HH doch ganz gut. Natürlich würden eine Menge gut bezahlte Posten wegfallen. Aber das hat dort ja wohl geklappt. Probieren geht über Studieren. Versucht es doch mal.Schlimmer als jetzt kann es nicht kommen.

  7. 17.

    Es gibt schon Parallelen zum Vorhaben unter der Regie Edmund Stoibers, den Bürokratie-Abbau mit Hilfe einer neu geschaffenen Bürokratie zu lösen. ;-

    Umgekehrt würde eher ein Schuh draus:

    1. Das Ausmaß an Regeln auszumachen, was festgelegt werden muss, anderes wiederum in das - deutsche Pedanten mögen jetzt weghören - Ermessen vor Ort zu stellen.
    2. Regelungsdefizite auszuloten, wo nicht zu viele, sondern grundsätzlich keine oder zu wenig Regelungen da sind. Auch das gehörte dazu.
    3. Die Auswirkungen einer Zentralisierung und Dezentralisierung jeweils abwägen. Bisher hat es bezüglich Berlin immer zu einem Konkurrenzverhältnis geführt: Seitens der Senate mittels purer Durchsetzung, mangels spezifischer Bezirke als Reaktion darauf durch missmutiges Querstellen.


  8. 16.

    Das heißt ja schon wieder erstmal Arbeitsgruppen gründen, diese stellen dann fest das wir eine neue Verwaltungsreform brauchen. Dann gibt es eine Menge Sonnen -und Mond auf -und abgänge und dann sind schon wieder die nächsten Wahlen. Berlin...du schaffst das.

  9. 15.

    Theoretische Möglichkeiten zu einer Regierungsbeteiligung gibt es schon - wenn die FDP auf mindestens fünf Prozent kommt.

  10. 14.

    Ich finde es auch ein starkes Stück, die Verwaltung umkrempeln zu wollen, wo doch im Politbetrieb und den ganzen Organisationen drumherum eine neue hochbezahlte Stelle nach der anderen geschaffen wird.
    Die Politiker könnten erst mal die Anzahl der Sitze im Abgeordnetenhaus halbieren.
    Ebenso in den Bezirksverordnetenversammlungen.
    Somit werden erhebliche Einsparungen möglich.
    Weniger Personal und Büros.
    Mehr Wohnungen und mehr Geld dann für Arme vorhanden.
    Es nervt langsam, dass Politiker uns erklären, dass Berlin nicht funktioniert, aber dass Politiker die Ursache sein könnten, darauf kommen die nicht?

  11. 13.

    "Mit ihr in der Regierungsverantwortung"

    Aktuell reicht's mit den 5% bis 7% aber nicht für eine Regierungsbeteiligung. Ist die Frage, woher die Wähler kommen sollen...

  12. 12.

    Tja, es ist so, nicht nur in Deutschland. die Parteien sollen das große Ganze im Blick haben, und sich nicht in Klein Klein verzetteln.

  13. 10.

    Die Idee ist gut und schön ob die umsetzbar ist, ist fraglich. Vor der Wahl wird viel versprochen und was wird danach gehalten fast NIX.

  14. 9.

    Zittern da welche, die befürchten, dass die falsche Anwendung des Plurals doch wieder richtig gestellt werden muss? Oder das Thema Straßennamen doch so schön zu bearbeiten ist. Viel reden nichts schaffen? Könnte das alles dann vorbei sein?

  15. 8.

    Hamburg beweist, dass eine Stadt auch dann funktionieren kann, wenn keine hochbezahlten Posten (10.000 €/m) je Bezirksbürger;Innenmeister:In + Dienstwagen etc) zu vergeben sind. Dass das allein kein Allheilmittel ist, sollte unstrittig sein.

  16. 7.

    Reform und Digitalisierung der Verwaltung sind wichtig. Aber bitte auch die anderen Themen nicht vergessen. Berlin hat so viele Themenbaustellen, also Priorisierung und agil abarbeiten, bitte!

  17. 6.

    Die letzte Verwaltungsreform in Berlin war in den 1990er Jahren. Außer Neusprech ist davon nicht viel geblieben.

  18. 5.
    Antwort auf [Müller's Detlef] vom 15.12.2022 um 08:19

    Gerade die "Kiez"-Politik führt zu Blockaden angefangen schon bei einem Aufzug zur U-Bahn auf einem Stück Rasen in Kreuzberg. Missoirs sind dem gegenüber kein Problem, aber natürlich auch 16 Jahre nach Verabschiedung der UN-Menschenrechtskonvention für eingeschränkte Personen nicht barrierefrei.

    Zudem würde ja Personal in den Bezirken frei werden, die nur mit der Selbstverwaltung beschäftigen ist anstelle dem Bürger zu dienen. Im Stadtstadt Hamburg kommt die Verwaltung mit einer geringeren Personalquote aus.

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