Pannen in Berliner Wahllokalen - Genaues Ausmaß noch immer unklar

Mo 27.09.21 | 14:47 Uhr
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Ulrike Rockmann, stellvertretende Berliner Landeswahlleiterin, geht am 27.09.2021 vor Beginn einer Pressekonferenz anlässlich der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am Vortag hinter Petra Michaelis, Berliner Landeswahlleiterin, vorbei. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: Abendschau | 27.09.2021 | Andrea Everwien | Bild: dpa/Christoph Soeder

Am Wahlsonntag gab es in einigen Berliner Wahllokalen Pannen. In wie vielen genau, weiß die Landeswahlleitung immer noch nicht. Ein Politikwissenschaftler bezeichnet die Wahl unterdessen als "irregulär" und bringt eine Wiederholung ins Gespräch.

Nach der pannenreichen Wahlnacht in Berlin hat Landeswahlleiterin Petra Michaelis verschiedene Probleme eingeräumt, personelle Konsequenzen aber zunächst abgelehnt. Für eine Aufgabe ihres Amtes sehe sie derzeit keinen Grund, sagte Michaelis am Montag.

Allerdings räumte sie ein, dass es in einigen Wahllokalen zu wenig Stimmzettel gegeben haben soll, in anderen Wahllokalen viel zu lange Schlangen von wartenden Wählern sowie falsche Stimmzettel an manchen Stellen. In wie vielen der 2.257 Berliner Wahllokalen es Probleme gab, wie lange Wähler maximal warten mussten und wann der letzte Wahlberechtigte seine Stimme abgab, konnte Michaelis nicht sagen. Das müsse jetzt mit einer Bestandsaufnahme geklärt werden.

Michaelis verweist auf Verantwortung der Bezirkswahlleitungen

Michaelis verwies gleichzeitig auf die organisatorische Verantwortung der zuständigen Bezirkswahlleitungen, die die Stimmzettel bestellten und verteilten. "Selbstverständlich hatten wir genug Stimmzettel vorbereitet, wir waren mit rund 110 bis 120 Prozent an Stimmzetteln der Wahlberechtigten ausgestattet", sagte Michaelis. "Für mich war unverständlich, dass wohl in einigen Wahllokalen die Stimmzettel ausgegangen sind." So seien die Wahlvorstände in den jeweiligen Wahllokalen dafür zuständig, dass die Stimmzettel an die richtige Stelle transportiert würden und am Wahltag ständig genügend bereit lägen.

Der Leiter der Landeswahlleitungs-Geschäftsstelle, Gert Baasen, sagte, die Gesamtzahl der Wahllokale mit Problemen habe seiner Einschätzung nach im oberen zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich gelegen. Es gehe in vielen Beschwerden um die gleichen Wahllokale. Als Bezirke nannte er Charlottenburg-Wilmersdorf, Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg.

Michaelis: Es waren genügend Wahlzettel da

Zudem sprach Petra Michaelis aufgrund der fünf Wahlzettel, Urnenwahl unter Coronabedingungen und dazu der Berlin-Marathon von einer großen Herausforderung an die Organisatoren. Sie sei aber zuversichtlich gewesen, dass die Wahl gut vorbereitet gewesen sei. Probleme bestanden demnach insbesondere darin, dass Stimmzettel nicht rechtzeitig an Wahllokale nachgeliefert wurden. Ihr sei es nicht verständlich, dass das in einigen Bezirken nicht geklappt habe, so Petra Michaelis. Es seien genügend Stimmzettel für die Wahlberechtigten beschafft worden.

Politikwissenschaftler bezeichnet Wahl als "irregulär"

Professor Timm Beichelt, Politikwissenschaftler an der Viadrina, stellte indes in den Raum, dass die Wahl in Berlin in einzelnen Wahllokalen und Stadtteilen wiederholt werden müsse. Auf Nachfrage des rbb bezeichnete Beichelt die Wahl in Berlin zum Teil als "irregulär".

Als sehr kritisch bewertet Beichelt die offensichtliche "Nichtverfügbarkeit von Stimmzetteln". Auch sei eine neutrale Stimmabgabe nicht möglich, wenn trotz Prognose und Hochrechnungen, Wahllokale bis 20.15 Uhr auf hätten. "Politikinteressierte Menschen könnten anders wählen, wenn sie schon Prognosen kennen", so Beichelt. Sollte es in diesen Lokalen knappe Ergebnisse gegeben haben, dann wäre eine Wahlwiederholung wahrscheinlich.

Beichelt war in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach Wahlbeobachter der OSZE in Osteuropa, darunter Russland, Estland, Moldowa und der Ukraine.

Hinsichtlich der Anfechtbarkeit kommen Experten zu unterschiedlichen Schlüssen: Zuvor hatte unter anderem der Berliner Staatsrechtler Christian Pestalozza mit Blick auf die Probleme gesagt: "Es könnte sein, dass jemand diesen Fakt als Anlass für eine Wahlprüfungsbeschwerde nimmt." Fraglich sei allerdings, ob die Sache erfolgreich wäre.

Sendung: Inforadio, 27.09.2021, 12 Uhr

 

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48 Kommentare

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  1. 48.

    Putin fragen wie gewählt wird.

  2. 47.

    Für mich stellt sich eigentlich nur eine Frage „Was muss man tun bzw. nicht tun um bei solch einer Schludrigkeit seinen Job zu verlieren?“

  3. 46.

    Dass RRG wieder gewählt wurde, kann ich auch nicht verstehen.
    Aber auch nicht, dass dieser Marathon die Leute vom Wählen abhielt.
    Den hätte man - unabhängig davon, dass es das beides zusammen schon mal gab - ja auch einfach wann anders veranstalten können. Damit's eben gar keine Probleme gibt.

  4. 45.

    Das ist Berlin, bekommt nichts gebacken. Nicht nur Bürgerämter, Kraftverkehrsämter nun auch noch Wahlen. Bevor die Koalitionsverhandlungen beginnen , sollte man doch erstmal klären ob die Wahl wiederholt werden muss. Ich bin der Meinung, dass sie nicht gültig ist

  5. 44.

    Danke Daniel, der einzig vernünftige Kommentar.
    Fakten/Ausmaß sind noch nicht bekannt, aber der Rest weiß schon, dass die Wahl wiederholt werden muss.
    Das einzig Angreifbare sind mangelnde Wahlzettel. Das muss geklärt werden.
    Wartezeiten waren einzukalkulieren. Ich hatte das zumindest getan. Und das unabhängig von Corona. In den Wahllokale können so oder so nur begrenzt Wähler warten. Ich war aber nach 15 min schon wieder draussen. Und der Marathon soll noch mal wie die Wahl gestört haben? Normaler Weise wählt jeder am Wohnort. Fußläufig erreichbar.

  6. 43.

    Mein Mann war dieses Jahr Wahlhelfer (HIlfskraft, nicht Vorstand). Der hat schon vor Wochen beim Bezirkswahlamt nach Informationen zum Einsatz gefragt, da kam nichts, die waren völlig überfordert.

    Am Samstagabend um 22:00 (!!) bekam er eine E-Mail von einer privaten Mailadresse, die erstmal imm Spamordner landete (er hatte da aber zum Glück auch regelmäßig reingeschaut). Da stand nur, wo er sich einfinden solle, das war der Hof einer großenn Sekundarschule.

    Am Wahlnachmittag selber (sein Einsatzort war ein Briefwahllokal unter vielen Dutzend am selben Ort) stand er dann mit Hunderten anderen Wahlhelfer:innen auf diesem Hof. Totales Chaos, niemand wusste, wer wohin soll, die Leute haben selber angefangen, Schilder zu malen. Einige Helfer:innen waren Stunden später noch nicht verteilt.

    Berlin.

  7. 42.

    Ich würde das eher von Art und Schwere der Pannen abhängig machen.
    Nun in blindem Aktionismus zu verlangen, dass sich gefälligst ALLE entsprechenden Wähler nochmal anzustellen haben, fände ich übertrieben.
    Ich schätze es, wählen zu dürfen.
    Aber sooooooviel Spaß macht mir das nun auch wieder nicht.

  8. 41.

    echt ? die Landesregierung hat nichts mit der Vorbereitung der Wahl zu tun ? Das wusste ich gar nicht, aber Danke für diesen Scharfsinn !

  9. 40.

    In erster Linie sind die bezirklichen Wahlleiter und die Wahlvorstände in den Wahllokalen zuständig.
    Bleibt also abzuwarten,was die Prüfungen ergeben.
    Abgesehen von falschen oder fehlenden Stimmzetteln waren die Schlangen auch der Abstandsregeln und der pandemiebedingten Maximalbegehung der Räume in den Wahllokalen geschuldet. Und nicht wenige Wähler werden in den Wahlkabinen länger bebraucht haben um ihre 5 Kreuze zu machen.

  10. 39.

    Es ist ein Skandal!
    Habe gestern am 26.o9. gegen 15.oo im Friedrichshainer Wahllokal 506 mein Wahlrecht in Anspruch zu nehmen.
    Bei der Abgabe meiner Stimmzettel wurde meine Wahlberechtigungsschein, mein Ausweis mit der Wählerliste kontrolliert. Dabei wurde festgestellt, daß ich schon "abgehakt" bin. OT "Ich wäre schon heute Vormittag wählen gewesen, könne nicht nochmals wählen", so der Wahllokalleiter.
    Leider war ich am Samstagvormittag gar nicht in Berlin. Darauf würde hektisch telefoniert mit der Bezirkswahlleitung. Nach 1,5h würde mir mitgeteilt, ich könnte nicht wählen, ist ja schon ein Haken an der Wählerliste.
    Darauf habe ich mir bei einer befreundeten ehemaligen Wahlbeobachterin der OSZE im Sarajevo einen Rat geholt.
    Eine Eidesstattliche Erklärung würde ausreichen zur Klärung des Misstandes.
    Wurde vom Bezirkswahlleiter abgelehnt.
    Werde Anzeige erstatten.
    Das ist skandalös, was an dieser Wahl abgelaufen ist. In anderen Ländern in welche Deutschland Wahlbeobachterin schickt, würden dafür Wahlen als Unrecht anerkannt.

  11. 38.

    Tim/Neukölln, wer hat denn dann ihrer Meinung nach Schuld?? Oder finden sie das in Ordnung?

  12. 37.

    Das hat schon einen gewissen Unterhaltungswert, wenn man sich nach nach 18:00 die ersten Hochrechnungen anschaut und anschließend noch wählen geht. Das sollten wir Mal im Wettbüro einführen - also den Tipp erst abgeben wenn das Ergebnis fest steht. Wenn das nicht so ernst wäre könnte man sich einfach nur ob der Leistung unseres bis dato Senats übergeben, aber leider ist es nicht so einfach ...

  13. 36.

    Ich bin der Meinung, nach all den Pannen und Unregelmäßigkeiten müsste die Wahl storniert und wiederholt werden. Wenn so vielen Menschen aufgrund so vieler Widrigkeiten nicht die Möglichkeit, ihr Wahlrecht wahrzunehmen, gewährt wurde und so viele Fehler aufgetreten sind, kann und muss man an einer demokratischen Wahl zweifeln. Wenn dieses Chaos in Russland, im Jemen oä.aufgetreten wäre , wäre D. der Erste, der von Betrug und Manipulationen reden würde. So gießt man Wasser auf die Mühlen der Skeptiker.

  14. 35.

    Eine Wahlhelferin sagte uns, dass unter normalen Umständen die Beschaffung zusätzlicher Wahlzettel nicht länger als 15 Minuten dauern sollte. Wenn nun schon einmal Marathon ist, wer bunkert dann bitte keine Kartons auf beiden Seiten der "Grenze"?

  15. 34.

    Leider bestand nicht nur das "Problem darin, dass Stimmzettel nicht rechtzeitig an Wahllokale nachgeliefert wurden".
    Im Wahllokal 813 /Prenzlauer Berg / Abgeordnetenwahlkreis 0308, waren bereits morgens um 8.15 h keine Erststimmzettel für die Abgeordnetenhauswahl vorhanden, auch um 17.15 h beim zweiten Besuch und Versuch meine Erststimme für die Abgeordnetenwahl abzugeben waren die Erststimmzettel entweder immer noch nicht oder schon wieder nicht vorrätig. Somit konnte ich die Erststimme tatsächlich nicht abgeben obwohl ich bereits frühmorgens im Wahlbüro war und es ein zweites mal am Nachmittag versuchte. Den Wahlhelfern vor Ort ist kein Vorwurf zu machen . Wie ich heute herausfand ist für die Durchführung und Organisation der Wahlen auf Bezirksebene für meinen Abgeordnetetnwahlkreis Herr Daniel Krüger von der AfD zuständig.

  16. 33.

    „Petra Michaelis ist seit 2010 Landeswahlleiterin. Es ist ein Ehrenamt. Hauptberuflich arbeitet die Juristin als Abteilungsleiterin beim Rechnungshof des Landes Berlin.“

    Aus dem Tagesspiegel: https://m.tagesspiegel.de/berlin/petra-michaelis-im-interview-die-landeswahlleitung-ist-ein-ehrenamt-eine-herzenssache/27476628.html

    Frau Michaelis bekleidet dieses Ehrenamt also schon viel länger, als die derzeitige Regierung im Amt ist, hat also nichts mit ihr zu tun und die Regierung auch nichts mit der Vorbereitung der Wahl.

    Folglich ist es kompletter Unsinn, der aktuellen Regierung die Verantwortung für die gestrigen Pannen in die Schuhe schieben zu wollen. Das ist einfach nur ein Verbreiten von Unwahrheiten.

  17. 32.

    Ich gehöre ansich nicht zur Ich-habs-euch-ja-gesagt-Fraktion, doch wenn man in Deutschland per Internet wählen könnte, wäre keines der genannten Probleme möglich gewesen.

  18. 31.

    Es kann auch nicht sein das manche Buerger krankheits oder altersbedingt, aber da sie es ja so gewohnt waren und in den Jahren zuvor auch immer geschafft haben normal waelen wollten, die Schlange verliessen und somit die Wahl abbrachen. Noch nicht einmal genügend Stuehle für Aeltere, die 60 %der Bevölkerung ausmachen standen bereit. Klimawahl, ne eine Wahl der Jugend und geduldigen die ausharren konnten, Zeit hatten und keine Gebrechen oder Briefwahl gemacht hatten. Aber wer weiß, was da passiert ist. Berlin halt.

  19. 30.

    Gruß aus Brandenburg mit der Anmerkung zu einem Grossereignis. Es ist möglich auch vor dem eigentlichen Wahltag wählen zu gehen. Und, wenn es nicht klappt, gehe wieder nach Hause. Wer von diesen Kandidaten denkt wohl an Wählerinteressen? Hier stehen die eignen Interessen des Kandidaten im Vordergrund. Also keine Schuldgefühle!

  20. 29.

    Es war nicht das erstmal, das eine Wahl und der Berlin Marathon zusammen stattfanden. Also war diese Situation bekannt. Und zum Chaos und ggf irregulärer Wahl kann ich nur sagen, wir haben in den letzten Jahren gesehen wie die Verwaltung und Berlin im Chaos versinkt und trotzdem hat RRG wieder die nötigen Stimmen bekommen. Also sparen wir uns das aufregen und bereiten uns auf den weiteren Untergang der Stadt vor.
    Wir werden in ein paar Jahren, wenn es so weitergeht in Berlin, sagen was das für eine strukturierte Wahl war und Verantwortung übernimmt doch unter RRG niemand.
    In diesem Sinne auf die nächsten 5 Jahre.

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