Parteitag der Berliner SPD - Giffey und die Ost-Karte

Sa 24.04.21 | 08:06 Uhr | Von Jan Menzel
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Archivbild: Michael Müller (SPD, l-r), Regierender Bürgermeister von Berlin, Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sprechen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz. (Quelle: dpa/G. Fischer)
Bild: dpa/G. Fischer

So viel Harmonie war lange nicht in der Berliner SPD. Franziska Giffey ist die unbestrittene Spitzenkandidatin, das befürchtete Duell Müller gegen Kühnert bleibt aus. Doch die Frage, ob die SPD den Osten vergisst, könnte den Parteitag überschatten. Von Jan Menzel

Es soll die "Krönungsmesse" für Franziska Giffey werden. Die Bundesfamilienministerin ist schon seit ein paar Monaten als Spitzenkandidatin ihrer Partei unterwegs. Offiziell nominiert wird sie aber erst diesen Samstag. Die Corona-Pandemie verhindert die übliche große Parteitagsbühne. Die Delegierten müssen der Rede ihrer Frontfrau zu Hause am Laptop lauschen. Doch Giffey wäre nicht Giffey, wenn es ihr nicht gelänge, auch unter diesen Umständen den Funken überspringen zu lassen.

Zumal es für ihre Partei gar nicht so übel läuft. Die Grünen sind zwar nach wie vor Umfragekönige. Doch Giffey hat unbeirrt ihr Feld beackert. "Herzenssache Berlin" nennt sie ihre Tour durch die Bezirke, die sie mal in Industriegebiete, eine Großsiedlung am Stadtrand oder zum Kottbusser Tor führt. Dass die Umfragewerte für die Berliner SPD anziehen, verbuchen die Genossen da nur zu gern als "Giffey-Effekt".

Kein Duell: Müller gegen Kühnert

Noch mehr gute Laune verbreitet in vielen Kreisverbänden, dass der befürchtete große Zoff um die Liste für den Bundestag ausfällt. Sowohl der Regierende Bürgermeister Michael Müller als auch Ex-Juso-Chef Kevin Kühnert wollten den ersten Platz - das mutmaßlich sichere Ticket in den Bundestag. Statt Hauen und Stechen mit Sieger und Verlierer wurde aber verhandelt: Müller wird die Nummer 1, Kühnert weicht auf Platz drei aus.

Auf dem zweiten Platz wird die Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe antreten. "Ein starkes Signal", nennt Co-Landeschef Raed Saleh diese Einigung. Was er nicht so offen sagt: Direkt dahinter auf den weiteren Plätzen geht der Ärger los.

Kreischefs schnüren ein Personalpaket

Bis vor wenigen Wochen war völlig offen, wer jenseits von Platz 3 mit einer Mehrheit rechnen kann. Die beiden Landesvorsitzenden Saleh und Giffey hätten einfach keine Vorschläge gemacht und die Sache laufen lassen, kritisieren Mitglieder des Landesvorstands. Mehrere große Kreisverbände insbesondere aus dem Westen der Stadt ergriffen die Initiative und schnürten ein größeres Personalpaket.

Herausgekommen sei ein "sehr ausgewogenes Team", lobt der Tempelhof-Schöneberger Kreischef Lars Rauchfuß. Sein Verband gehört mit den Kreisen Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf zu den Schwergewichten in der Berliner SPD. Auf ihrer Bundestagsliste stehen Männer und Frauen, Bewerber mit Migrationshintergrund, erfahrene Politiker wie der Regierendende Bürgermeister Müller genauso wie der 31-jährige Kühnert. Für den 7. Platz soll mit der Lichtenberger Kreisvorsitzenden Anja Ingenbleek eine Politikerin aus dem Ostteil der Stadt unterstützt werden.

Fällt der Osten hinten runter?

Dieser "Deal" der großen Verbände stößt denen, die nicht dabei sind, allerdings übel auf. Insbesondere Pankow fühlt sich ausgebootet. Keiner der Ost-Bezirke sei vorne mit dabei, kritisiert Pankows Kreischef Dennis Buchner. Für die SPD sei das ein strukturelles Problem. Das zu beheben, liege auch in der Verantwortung von Michael Müller und Kevin Kühnert, baut der Pankower Kreisvorsitzende Druck auf.

Auf dem Parteitag soll es nun eine Generalaussprache und mehrere Kampfkandidaturen geben. Besonders im Blick ist das Duell zweier junger Frauen. Die ehemalige Juso-Landesvorsitzende Annika Klose gilt als Favoritin für den vierten Listenplatz.

Sie ist gut vernetzt, hat die Nominierung der Frauen in der SPD in der Tasche und ist bei den Partei-Linken beliebt. Gegen sie tritt die Kommunalpolitikerin Ana-Maria Trasnea aus Treptow-Köpenick an. Sie wird von der AG Migration der SPD und von Franziska Giffey unterstützt und wirbt für sich als Vertreterin des Ostens.

Die Landesvorsitzende trommelte kürzlich mehrere Ost-Kreisverbände zusammen und machte sich dafür stark, dass Trasnea auf der Liste nach vorne rutscht. Wie die Sache ausgeht, ist nicht sicher.

Genauso unklar ist, wie offensiv Giffey die Ost-Karte auf dem Parteitag spielen wird. Tempelhof-Schönebergs Kreischef Rauchfuß sieht das Ganze mit einer Mischung aus Unverständnis und Sorge. Er und andere führende Sozialdemokarten fürchten, dass das Gerangel um die Listenplätze einen Schatten auf die Krönungsmesse der Spitzenkandidatin werfen könnte.

Beitrag von Jan Menzel

28 Kommentare

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  1. 28.

    "Viel zu gut wissen Ostdeutsche, wohin Schummelleien mit Doktorarbeiten u. Vetternwirtschaft führen. IN DEN RUIN!"
    Hab' da mal 'ne Frage. Das mit der Vetternwirtschaft hab' ich auch mal gehört, aber saßen denn im ZK oder in Erichs Lampenladen auch Promovierte?

  2. 27.

    Die Ostkarte sticht nicht. Viel zu gut wissen Ostdeutsche, wohin Schummelleien mit Doktorarbeiten u. Vetternwirtschaft führen. IN DEN RUIN!!!!!!!!++++++++++++++

  3. 26.

    " Die Verfehlungen waren von der Art, wie sie seinerzeit leider allgemein üblich waren ". Das ist nicht richtig, "Verfehlungen", wie sie die Plagiate von Giffey kleinreden wollen, führten bisher regelmäßig zum Entzug des Titels. Auch ist es nicht Sache der mutmaßlichen Plagiatorin, den Titel in ihrem Ermessen "niederzulegen". Selbst an dieser Stelle machte Giffey keinen reinen Tisch. Der agierende Teil ist jetzt in dieser Situation nicht die Plagiatorin, sondern die Freie Universität. Es gehört allerdings zum Repertoire von Giffey, so zu tun, als hätte sie an dieser Stelle noch Handlungsoptionen.
    Sicherlich braucht man keinen Doktor-Titel für einen Bürgermeister Posten in Berlin. Das ist eine schlichte Selbstverständlichkeit, und muss daher auch nicht gesondert hervorgehoben werden. Man braucht allerdings auch keinen Plagiator, der nur stückweise seine Verfehlungen einräumt.

  4. 25.

    @ Rudi:
    -Ist Ihr Wort „hoffendlich“ als Wortspiel zu sehen??
    - Haben Sie mit „Wähler*_/innin“ auch wirklich alle angesprochen?? Ich frage mich nur, was sind Wählerrinnin??

  5. 24.

    "In ländlichen Gegenden Bayerns war es bspw. üblich, auch die Frau eines Menschen, der für irgendetwas irgendwo einen Doktortitel erworben hat, als "Frau Dr." anzureden. " Nicht nur dort.

    Ich kann es verstehen, dass sie einige über die *hust* Schummeleien aufregen, fände es aber besser sich inhaltlich mit Giffey auseinanderzusetzen. Die Seeheimerin will nämlich eine Neuauflage sPD/cDU/FDP.

    Eine Rolle rückwärts in die 80er. In der Verkehrspolitik sogar in die 60er der letzten Jahrhunderts.

  6. 23.

    Um politische Entscheidungen zu treffen, bedarf es keines Doktortitels. Das zu erwarten scheint mir eher etwas für Autoritätshörige zu sein, die damit eine höhere Stufe des Menschseins verbinden. In ländlichen Gegenden Bayerns war es bspw. üblich, auch die Frau eines Menschen, der für irgendetwas irgendwo einen Doktortitel erworben hat, als "Frau Dr." anzureden.

    Wer nicht selbstsüchtig ist, lässt den Titel sowieso hintendrein und erwähnt ihn nur, wenn es in der betreffenden Fakultät ist. Denn da gehört er hin. Sie hat diesen für sie sowieso unbrauchbaren Titel niedergelegt. Die Verfehlungen waren von der Art, wie sie seinerzeit leider allgemein üblich waren und heute durch ein blockweises einfaches Hinüberziehen von Quellennachweisen bei Studienarbeiten noch "getoppt" werden.

  7. 22.

    Sie führt doch ihren Titel nicht mehr. War eine angemessene Reaktion. Niemand interessiert das noch

  8. 21.

    Elisabeth, Sie haben vollkommen recht. Und seien Sie gewiss, dass es die Masse der Einwohner von Berlin genauso sehen. Vielen Dank.

  9. 20.

    Wie bitte? Wie kann man eine ‚gute‘ Politikerin sein, mit diesem Hintergrund. Unmöglich

  10. 19.

    Unsere Stadt braucht Arbeitsplätze, bessere Bildung und ein vernünftiges Gesundheitswesen. All das wird die SPD nicht schaffen, Frau Giffey schon garnicht. Deshalb wählen viele hier im Kiez an der Sonnenallee nicht für Frau Giffey. Alles versprechen und nichts halten, das ist SPD-Politik seit den guten Tagen.

  11. 18.

    Dürfen sie. Aber ich fände es jetzt toll wenn sie wissen lassen würden was sie von den Grünen erwarten. Denken sie mal an den "Aufstieg" des damaligen Turnschuhministers. Ist der immer noch grün ?

  12. 17.

    "Ich möchte diesenTeppich nicht kaufen!" "Gute Reise!" Als Ausgeleich, nicht dass der rbb noch Ärger wegen Schleichwerbung bekommt. ;-)

    Und im übrigen weiß ich nicht was ich gruseliger finde, Leute die Politikern Kosenamen geben oder einem Bier.

  13. 16.

    Abschreiben, kopieren - wo ist da der Unterschied.
    Hätte die Person Charakter, wäre sie zurück getreten. Wie es andere Betrüger vor ihr machten.
    Und mit ihrem Dauergrienen wird die die Affäre nicht ausbügeln.
    Erst ihr Mann, der sich mit betrügerischen Handel bereicherte und dann sie mit der kopierten Doktorarbeit.
    Und das ihr das kriminelle Handeln ihres Ehemannes verborgen blieb ......?
    Schon eine trickreiche Schaustellerfamilie.

  14. 15.

    Nur zu ihrer Information: Frau Giffey hat eine empirische Arbeit geschrieben, bei der man gar nicht abschreiben kann.

  15. 14.

    ich denke daniel meint mit „Franzi“ das Weißbier aus Bayern. Anders isses nicht zu verstehen

  16. 13.

    Traurig, dass so eine Person wie Franziska Giffey Spitzenkandidatin ist. Offenbar haben die bei der SPD niemand anderen. Sie sollte sich eigentlich selbst schämen, denn jeder andere wäre beim Abschreiben von was auch immer sofort unten durch.

  17. 12.

    Ich wundere mich immer wieder, wie es sein kann, daß die spd bei der Personalie Giffey sich anders verhält als bei einem Mitglied der CDU oder CSU, der bei der Doktorarbeit auch geschummelt hat! Echt lustig dieses Verhalten! Wird da etwa wieder mal bei der spd mit zweierlei Maß gemessen?

  18. 11.

    "ich wähle Franzi." Damit ist ihre Aussage genauso inhaltsschwanger wie die Inhalte der sPD, mit denen sie in Berlin antritt. Außer "dagegen!" und die Rolle rückwärts in der "Verkehrspolitik" kann ich nämlich keine Inhalte entdecken. Sie etwa?

  19. 10.

    Jahrzehnte lang SPD an der Spitze reichen. Ich hoffe auf die Grünen.

  20. 9.

    ich wähle Franzi.

  21. 8.

    Wenn Ihr moralischer Kompaß so falsch geht, müssen Sie damit leben. Ich und sicherlich auch viele andere Berliner sehen das anders.
    Sie als "gute Politikerin" zu sehen, entbehrt doch wirklich jeglichen Durchblick. Ein Großteil ihrer "Gute-Laune-Gesetze" sind gescheitert, auch das Erbe von Buschkowsky wurde zu Grabe getragen.
    Gut, ankündigen und dann scheitern, ist seit Rot-Dunkelrot-Grün in der Stadt legitim geworden, da fällt das Betrügen nicht mehr so ins Gewicht.

    Jeder Kandidat einer anderen Partei wäre schon ans Kreuz geschlagen.

  22. 7.

    ...kein Wort zum endgültigen Ergebnis zu ihrer Doktorarbeit? Dabei zählt dies doch auch zur sorgfältigen journalistischen Arbeit. Und, wenn ihr der Titel aberkannt wird dann hat sie hoffentlich auch die Größe ihren Hut zu nehmen. Politiker haben Vorbildfunktion! Wo führt das hin...

  23. 6.

    Die SPD ist schon eine merkwürdige Partei. Alle Doktortitelträger, die so viele Plagiate in ihren Arbeiten hatten wie Franziska Giffey, haben ihren Titel verloren. Es wäre überraschend, wenn das bei der SPD-Ministerin anders sein sollte.
    Wie würde sich eine mutmaßliche Betrügerin auf dem Stuhl des Regierenden Bürgermeisters dann machen?

    Und auf Bundesebene präsentiet die SPD, die ehemalige Arbeiterpartei, einen jungen Berufslosen, der noch nie gearbeitet hat.

  24. 5.

    "Doch die Frage, ob die SPD den Osten vergisst, könnte den Parteitag überschatten." Mag sein. Die größte "Überschattung" sehe ich allerdings in dem Umstand, wie Giffey versucht, ihre Plagiatsgeschichte wegzubügeln.

  25. 4.

    Das sehe ich etwas anders. Glaubwürdigkeit ist ein wichtiger Faktor bei einer Berufspolitikerin. So wie jemand in seinem eigenen privaten Bereich handelt, handelt er letzlich dann auch im beruflichen Bereich.
    Doktoranten, die für die Erreichung des Doktor-Grades einigen Aufwand betreiben müssen, wird das Handeln von Giffey schwer zu vermitteln sein.

  26. 3.

    der Ehemann von Fr. Giffey scheint es mit der Wahrheit ja auch nicht so genau zu nehmen.
    Vielleicht wäre eine andere Kandidatin mit einem
    soliden Lebenslauf eine geschicktere Wahl gewesen

  27. 2.

    Was juckt mich die Doktorarbeit von Frau Giffey? Damit muß sie doch durchs Leben gehen.
    Ich finde sie ist eine gute Politikerin und werde die SPD gern wählen.

  28. 1.

    Hoffendlich haben die Wähler*_/innin die "Doktor"Arbeit der Spitzenkandidatin nicht vergessen und schämen sich nicht später eine Betrügerin ins Amt gehievt zu haben.
    Aber, ich glaube, den Genossen der untergehenden und ehemaligen Arbeiterpartei SPD wird das im egal sein, blendet man sich mit einem erhoffen Sieg mit dieser Kandidatin.
    Hoffendlich lassen sich nicht die Berliner Wähler*_/innin im September von dieser skandalumwitterten Person blenden.

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