Wahlpannen in Berlin - Verfassungsrechtler Waldhoff rechnet mit Wiederholung der AGH-Wahl

Fr 19.11.21 | 20:20 Uhr
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Franziska Giffey Spitzenkandidatin der SPD Berlin bei ihrer Stimmabgabe zur Abgeordnetenhauswahl (Bild: imago images/Political-Moments)
Video: Abendschau | 19.11.2021 | Tom Garus | Studiogast Prof. Dr. Christian Waldhoff | Bild: imago images/Political-Moments

Der Super-Wahlsonntag am 26. September wurde in Berlin zum Super-Chaostag. Inzwischen mehren sich Einsprüche gegen die Wahlergebnisse. Die Berliner Landeswahl könnte letztlich komplett wiederholt werden, meint ein Rechtsexperte.

Der Berliner Verfassungsrechtler Christian Waldhoff hält eine komplette Wiederholung der Abgeordnetenhauswahlen für möglich, sollten die bislang eingereichten Einsprüche erfolgreich verlaufen.

Da es in 200 Wahllokalen am 26. September zu schwerwiegenden Pannen gekommen sei, könne dies durchaus einen gravierenden Einfluss auf die Berliner Landeswahl gehabt haben, sagte Waldhoff am Freitag in der Abendschau des rbb. Er rechne fest damit, dass zumindest in jenen Wahlbezirken neugewählt werden müsse, in denen es zu besonders vielen Unregelmäßigkeiten gekommen sei, so Waldhoff. Der Verfassungsrechtler der Humboldt Universität Berlin war selbst am Wahltag als Wahlleiter im Einsatz.

Gegen das Ergebnis der Berliner Abgeordnetenhauswahl hat bislang die inzwischen zurückgetretenen Landeswahlleiterin Petra Michaelis Einspruch eingelegt. Innensenator Andreas Geisel (SPD) will dem folgen und kündigte seinerseits einen solchen Einspruch für kommenden Montag an.

Neue Bundestagswahl nur in einzelnen Bezirken?

Auch gegen das Bundestagswahlergebnis regt sich Widerstand. Die Bundestagswahl war parallel zur Abgeordnetenhauswahl durchgeführt worden. Der Bundeswahlleiter Georg Thiel hat am Freitag Einspruch gegen das Ergebnis in der Hauptstadt eingelegt. Von der Berliner Landeswahlleitung forderte er einen Prüfbericht an. Der Einspruch des Wahlleiters bezieht sich auf insgesamt sechs Wahlkreise in Mitte, Pankow, Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg.

In diesem Fall rechnet Verfassungsrechtler Waldhoff derweil nicht mit einer kompletten Wahlwiederholung, da die Berliner Pannen "auf das Bundesgebiet übertragen keine gravierenden Auswirkungen auf das Gesamtergebnis hatten", so Waldhoff. Es sei aber durchaus möglich, dass in den sechs angeprangerten Wahlbezirken der Bundestag neugewählt werden müsse, so der Wissenschaftler.

Waldhoff erlebte Pannen persönlich

Vor manchen der 2.257 Berliner Wahllokale in den 78 Wahlkreisen mussten Wähler sehr lange anstehen. Stimmzettel fehlten zwischenzeitlich und mussten durch Boten gebracht werden. Auch das führte zu Verzögerungen. Zum Teil konnten daher Stimmen erst lange nach 18 Uhr abgegeben werden. An einigen Stellen erhielten Wähler falsche Stimmzettel aus anderen Bezirken oder Wahlkreisen, die später als ungültig gewertet wurden. In Neukölln und Pankow konnten auch Minderjährige ihre Stimme abgeben.

Waldhoff selbst hatte nach den Wahlen harsche Kritik an den Verantwortlichen in Berlin geäußert. Der Berlin-Marathon hätte nicht parallel zu den Wahlen durchgeführt werden dürfen, prangerte er in seinem "Verfassungsblog" an [verfassungsblog.de] an. Gegen 17 Uhr seien in seinem Wahllokal für alle Berliner Abstimmungen und Wahlen die Stimmzettel ausgegangen. Dies sei der "Gipfel der Desorganisation durch die Berliner Verantwortlichen" gewesen, so Waldhoff. Für Berlin sei der Wahltag nicht nur "peinlich, sondern zugleich ein gravierendes Demokratieproblem".

Sendung: Abendschau, 19.11.2021, 19:30 Uhr

27 Kommentare

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  1. 27.

    Herr Waldhoff macht sich doch lächerlich. Er hat seinen Job als Wahlvorsteher schlecht gemacht und verlangt deswegen eine Wiederholung der Wahl. Hoffe mal nicht dass es soweit kommt. Hier werden aus Mücken Elefanten gemacht, man kann wirklich nur hoffen dass bei der Prüfung die Erkenntnis kommt, dass die wenigen von den Pannen betroffenen Wahllolkale keinen mandatsrelevanten Einfluss hatten.

  2. 26.

    Nachwahlen in bestimmten Bezirken dürften nich gesetzeskonform sein, da man hiermit ggf das Wahlergebniss bewusst verändern könnte. Es bleiben also nur Neuwahlen und dabei hoffe ich das viele Verstehen, wie wir von RGR getäuscht werden ....und diese Konstellation nicht tragfähig ist.

  3. 25.

    Wahlhelfer aus anderen Städten ordern, oder gleich die Polizei oder Bundeswehr als Wahlhelfer. Dann klappt es auch ohne Betrug.

  4. 24.

    Stimmt. Ich kenne so einige Konservative, die in irriger Annahme, die SPD würde als stärkste Kraft wie versprochen eine bürgerliche Regierung bilden, nicht CDU sondern Giffey gewählt haben. Es ist aber immer ein Fehler, einer Kandidatin oder einem Kandidaten zu vertrauen. Wählt lieber eine Partei, unabhängig vom Kandidaten. Denn die Partei bestimmt letztendlich den Weg.

  5. 23.

    Ich hoffe, dass die ewig grienenden Master- und Doktorarbeit Kopierende das Lachen vergeht.
    Vielleicht gibt es noch ein wenig Hoffnung für unsere Demokratie.

  6. 22.

    Wie auch immer. Die Wahlen waren in Berlin ein Desaster. Eine Wiederholung ist natürlich schwer, weil ja nun jeder das bisherige Wahlergebnis kennt.

  7. 21.

    Links abzubiegen ist ja wohl übertrieben. Frau Giffey steht, auch im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, zu ihren konservativen Werten. Den DWE Volksentscheid relativiert sie nach wie vor, der Verkehrswende entgegnet sie durch das weitere Hofieren des MIV auf polemische Art und Weise. Zeugt nicht gerade von einer progressiven Annäherung an zukünftige Herausforderungen, sondern eher nach einer Konservierung des Gewohnten und Etablierten.

  8. 20.

    [...] "dann ist eins SICHER, RRG bleibt uns erspart und das wäre ein Seegen !!!"

    Ach, und mit welcher Sicherheit wollen Sie das behaupten?

  9. 19.

    Die Wahlwiederholung wäre das Beste, was Berlin treffen könnte. Allerdings müsste diesmal organisatorisch ein Profi ran. Über das Ergebnis wäre ich dann sehr gespannt.

  10. 18.

    Wenn die Wahl wiederholt wird, könnte Frau Giffeys Manöver quittiert werden. Denn: erst am konservativen Rand fischen und dann doch nach links abbiegen, ist schon ein Wagnis.

  11. 17.

    Die 4,9% im Wahlergebnis sind insoweit für den Fraktionsstatus irrelevant, da die 39 Abgeordneten der Linken im BT mehr als 5% aller Abgeordneten im BT ausmachen. Damit Fraktionsstatus.

  12. 16.

    Der Bericht über den Einspruch des Bundeswahlleiters ist eindeutig qualitativ hochwertiger. Dort konnte mann Zahlen lesen . Also wie viele Wähler betroffen waren und wie groß die Unterschiede zwischen 1 und 2 Platzierten war.

    Ich denke nicht das die Wahl ganz wiederholt werden muss.

  13. 15.

    Die Wahlen in Berlin müssen wiederholt werden! Wehret den Anfängen kann man da nur sagen!

  14. 14.

    roland:
    "Wieviele Überhänger gibt es? Der Auftrag vom Verfassungsgericht ist nicht umgesetzt. Darauf ist der Verfassungs"rechtler" erst garnicht ein gegangen. Abgeordnete werden als gewählt geführt, die nicht einmal 20% der Wahlberechtigten ihres Kreises hinter sich vereinigen können aber durch Listenplätze und Ausgleichsdingsbums........"

    1. Dies ist hier nicht das Thema.

    2. Es gibt genau 3 nicht ausgeglichene Überhangmandate: alle 3 von der CSU. Das halte ich für verfassungswidrig, da so die CSU 3 Mandate mehr hat, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil zustehen. Ist diesmal aber nicht für die Koalitionsbildung relevant.

    3. Ausgleichsmandate sind nicht das Problem, weil sie das Zweitstimmenverhätnis wieder herstellen - bis auf die 3 nichtausgeglichenen CSU-Mandate.

    4. Ich denke und hoffe, die jetzige Koalition ohne CSU wird diesen CSU-Bonus beenden.

  15. 13.

    Detlef Müller:
    "Hr. Waldhoff war als Wahlleiter tätig, hatten Seinen Laden nicht im Griff und zeigt auf Andere. Hatte wohl nur Geld, Freizeit und Streifen im Kopf. - Ende mit Lustig."

    Belegen Sie bitte Ihre Behauptung, dass Hr. Waldhoff sein Wahllokal "nicht im Griff" hatte! Und wieviel "Geld, Freizeit und Streifen im Kopf" - was immer letzteres auch sein soll - hat er für seine ehrenamtliche Tätigkeit als Wahlleiter eines Wahllokals bekommen? Bitte konkret belegen! - Dann ist nämlich Ende mit Lustig. Denn Hr. Waldhoff hat wohl eher seine Freizeit geopfert und ist auch nicht für das Wahlgeschehen außerhalb seines Wahllokals verantwortlich.

  16. 12.

    Briefwahl Bezirk04. Gewissenhafte Gruppe mit freundlich erfahrener Wahlleiterin. Kleine in Informationsveranstaltung angekündigte Hilfsmittel fehlten. Ende der Auszählung bei Abgabe der Tonne fehlte das Vorhängeschloss der Tonne, in die die versiegelten Briefumschläge mit den ausgezählten Stimmzetteln vom Wahlkreis für die verschiedenen Wahlen eigentlich zusammen eingeschlossen werden sollten. Da hat wahrscheinlich später keiner was rausgenommen..

  17. 11.

    Erstaunlich, wie routiniert hier viele die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen in Berlin hier versuchen, zu relativieren und zu entschuldigen.

  18. 10.

    Ach, schon wieder das Gejammer wegen des Marathons. Die Fehler sind unabhängig davon passiert. Und durch den Marathon wurde auch niemand aufgehalten. Einfach mal da ansetzen, wo die Schuldigen sitzen, und das war niemand von den Marathon-Veranstaltern.

  19. 9.

    Gilt das auch für die BVV, also die Wahlen für die einzelnen Bezirke?

  20. 8.

    Dann haben Sie das verstanden, was auch gesagt wurde, ohne Umdeutung... es ist ganz klar geworden, wer der Rand der Gesellschaft ist. Und das wird auch im Ausland sehr sehr positiv wahrgenommen: Extreme haben keine Chance. Und wir werden in Berlin sehen, ob rechts blinken und links abbiegen listig war...

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